Der VW-Skandal um die manipulierten Abgaswerte bei Diesel-Fahrzeugen ist erst wenige Tage alt, da macht sich schon fast wieder so etwas wie Überdruss breit. In der Regel ist der Aufschrei ebenso schnell verstummt wie er gekommen ist – doch wird das auch in diesem Fall so sein?
Rund 11 Millionen Diesel-Fahrzeuge sind mit einer Software ausgestattet, die Emissionskontrollen beschönigt. Und auch wenn der Markt für die Diesel-Fahrzeuge des Wolfsburger Autobauers klein ist in den USA, so spielt er doch eine relevante Rolle. Anders als in Deutschland, wo beim Kauf von Diesel-Fahrzeugen eher auf den Geldbeutel geschaut wird, kaufen viele Amerikaner diese Autos aus Gründen des Umweltschutzes – 80 Prozent der gesamten US-Diesel-Erstzulassungen kamen im vergangenen Jahr übrigens von VW. Jedoch sind nicht nur Fahrzeuge auf dem amerikanischen Markt betroffen, auch 2,8 Millionen deutsche Fahrzeuge weisen diese Manipulation auf.
Als der Skandal ans Tageslicht kam, dauerte es nur wenige Stunden und Volkswagen gab eine Gewinnwarnung heraus. Kurze Zeit später trat VW-Chef Martin Winterkorn zurück. Die Drähte liefen heiß, die Redakteure kamen ins Schwitzen. Die Welt schrieb, dass die Börsen die Pleite des Autobauers erwarten. Die FAZ richtete gar einen Live-Blog ein. Die Süddeutsche nannte es eine Staatsaffäre und die Bild schrieb etwas von rollenden Köpfen. Neben Angela Merkel äußerte sich sogar das Weiße Haus zu dem Vorfall. Ein amerikanischer Finanz-Professor sagte im Interview mit der New York Times, dass die VW-Geschichte schon immer einer Seifen Oper glich. Es sei ein Skandal, auf den man gewartet hätte. Darauf gewartet? Man kann sich vorstellen, dass so einige auf eine derart weitreichende Fehlentscheidung gewartet haben. „Endlich trifft es auch mal den deutschen Saubermann-Konzern“, mag der eine oder andere gedacht haben.
Saubermann-Konzern? Kann sich noch jemand an die vergangene VW-Affaire erinnern? Im Juni 2005 kam ans Licht, dass es Schmiergelder, Lustreisen für Betriebsräte und Bordellbesuche auf Firmenkosten gegeben hatte. Über Wochen hinweg wurden immer mehr Vorwürfe und Details bekannt. Zehn Jahre ist dann nun her – und ehrlich, hätte ich den Artikel nicht wiedergefunden, ich hätte die Geschichte nicht mehr auf dem Schirm gehabt. Ganz dunkel schwebte da etwas mit „Lustreisen“ im meinem Kopf herum. Es hätte aber auch jeden anderen deutschen Großkonzern betreffen können. Die Konsequenzen für die VW-Mitarbeiter sind im Übrigen längst erfolgt. Ferdinand Piëch soll mit einem Battalion an Rechtsanwälten durch die Büros gelaufen sein und die betreffenden Arbeitnehmer entlassen haben. Wenige Stunden später kauften Piëch und Porsche dann VW-Aktien.
Die Autorin: RegionalHeute.de-Redakteurin Sina Rühland. Foto:
Was ist der eigentliche Skandal? Meiner Meinung nach ist es ebenso dumm wie verwerflich, die Verbraucher so zu hintergehen. Doch man darf davon ausgehen, dass die Konsequenzen auf dem Fuße folgen und die strafrechtliche Verfolgung droht. Was ist aber mit den Beschäftigten? Es scheint so, dass nun 600.000 Arbeitnehmer unter Generalverdacht stehen. Irritation soll sich unter den VW-Beschäftigten breit gemacht haben. Die Fragen nach den Boni und nach dem Erhalt des Arbeitsplatzes werden lauter. Zudem betrauern viele den Abgang von Martin Winterkorn; seine Mitarbeiter halten weiterhin zu ihm. Dass dieses Diesel-Desaster für alle Beteiligten Konsequenzen mit sich bringt, scheint klar. Wie lange die manipulierten Abgaswerte als solches in aller Munde sein werden und somit die Sachlage befeuern, entscheidet wohl der nächste Groß-Skandal.
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