Peine. Im Landkreis Peine sollte in der vergangenen Woche eine 18-jährige Roma, die in Hameln geboren wurde und fast ihr ganzes Leben in Niedersachsen verbracht hat, nach Serbien abgeschoben werden. Wie der Flüchtlingsrat Niedersachsen in einer Pressemitteilung berichtet, kenne die junge Frau weder Land noch Sprache. Durch einen Zufall konnte sie der geplanten Abschiebung entgehen. Kritik an dem Vorhaben - gerade zu Corona-Zeiten - kam jedoch nicht nur vonseiten des Flüchtlingsrates. Auch die Grüne Jugend und die Jusos Niedersachsen "verurteilen die Praxis, in Deutschland geborene und integrierte Menschen in ein Land abzuschieben, zu dem eigentlich keine Verbindung besteht". Doch wieso kann es nach Jahrzehnten noch zu einer Abschiebung kommen? regionalHeute.de fragte beim Ministerium nach.
Nur weil sie durch einen Zufall nicht zu Hause war, habe die Abschiebung der jungen Frau aus Peine nicht durchgeführt werden können. „Mitten in der Pandemie haben niedersächsische Behörden nichts Besseres zu tun, als Niedersachsen nach Jahrzehnten abzuschieben. Wir brauchen jetzt neben einem bundesweiten Corona-Abschiebestopp endlich eine umfassende Bleiberechtsregelung für langjährig Geduldete“, so Sebastian Rose, Referent der Geschäftsführung, Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V. Obwohl viele Familien seit 20 oder 30 Jahren in Deutschland und Niedersachsen leben würden, seien sie dennoch von Abschiebungen bedroht.
"Roma-Familien nach Serbien abzuschieben ist menschenrechtsgefährdend! Roma erleben dort seit Langem massive Diskriminierung, gesellschaftlichen Ausschluss und Gewalt; aber als Asylgrund werden systematische Diskriminierung, Rassismus und körperliche Gewalt nicht anerkannt. Antiziganismus und strukturelle Diskriminierung von Roma sind in Europa weit verbreitet," erklärt Pippa Schneider, Sprecherin der Grünen Jugend Niedersachsen. Und Jakob Blankenburg, Landesvorsitzender der Jusos Niedersachsen ergänzt: "Wir verurteilen die Praxis, in Deutschland geborene und integrierte Menschen in ein Land abzuschieben, zu dem eigentlich keine Verbindung besteht. Und das Ganze während einer weltweiten Pandemie, die auch in Serbien grassiert - das ist unmenschlich. Wir fordern einen sofortigen Abschiebestopp."
Zur Ausreise verpflichtet
Auf Anfrage von regionalHeute.de beim Niedersächsischen Ministerium für Inneres und Sport erklärt dieses, dass die Peinerin als ausländische Staatsbürgerin vollziehbar zur Ausreise aus der Bundesrepublik Deutschland verpflichtet gewesen sei. Da sie dieser Verpflichtung nicht nachgekommen sei, wäre die Ausländerbehörde gesetzlich verpflichtet gewesen, aufenthaltsbeendende Maßnahmen durchzuführen. Dabei handele es sich um eine zwingende gesetzliche Rechtsfolge. Ein Ermessen sei den Behörden vom Gesetzgeber nicht eingeräumt.
So sei eine Ausreiseverpflichtung entweder Folge eines negativ durchlaufenden Asylverfahrens beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) oder der Antrag auf Erteilung eines asylverfahrensunabhängigen Aufenthaltsrechts durch die Ausländerbehörde wurde abgelehnt. So würden die Betreffenden eine Frist zur freiwilligen Ausreise erhalten. Werde diese Frist nicht eingehalten, müsste der Aufenthalt gesetzlich zwangsweise beendet werden.
Abschiebung nach 20 bis 30 Jahren
Obwohl viele Familien bereits seit Jahrzehnten in Deutschland leben, kommt es immer wieder zu Abschiebungen. Doch wie kann es nach dieser langen Zeit dazu kommen? "Eine Ausreiseverpflichtung kann sich auch nach längerem Aufenthalt im Inland ergeben, wenn beispielsweise ein Aufenthaltsrecht nicht verlängert werden kann, weil die Erteilungsvoraussetzungen nicht mehr erfüllt werden, oder im Fall einer Ausweisung bei erheblicher Straffälligkeit", erklärt das Ministerium.
Zudem könnten im Einzelfall einem zeitnahen tatsächlichen Vollzug der Rückführung rechtliche oder tatsächliche Hindernisse entgegenstehen, die zur Erteilung von Duldungen führen. So würden beispielsweise ungeklärte Identitäten, die wegen mangelnder Mitwirkung der Betreffenden aufwändig von den Behörden zu klären sind, häufig zu einer Verlängerung des Aufenthalts führen.
Geburt in Deutschland reicht nicht aus
Auch die Tatsache, dass die Peinerin in Deutschland geboren wurde, verschaffe ihr nicht automatisch ein Aufenthaltsrecht, so das Ministerium weiter. Denn der aufenthaltsrechtliche Status des Kindes werde im Regelfall von dem seiner ausländischen Eltern abgeleitet. Laut Staatsangehörigkeitsgesetz würden in Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern erst dann die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben, wenn ein Elternteil sich seit acht Jahren rechtmäßig in Deutschland aufhält und zum Zeitpunkt der Geburt ein unbefristetes Aufenthaltsrecht besitze.
Rückkehr kann vorbereitet werden
Die freiwillige Rückkehr unter anderem durch Projektpartner vor Ort, die den Rückkehrern bei der Reintegration im Herkunftsland hilft, werde auch vom Land Niedersachsen unterstützt. So gebe es in der Regel die Möglichkeit an Reintegrationsprogrammen teilzunehmen. Darüber hinaus liege es jedoch in der Eigenverantwortung der Personen, die wissen, dass ihnen in der Bundesrepublik kein Aufenthaltsrecht zusteht und daher in die Heimat zurückkehren müssen, sich darauf vorzubereiten.
Eine Art "Starthilfe" gebe es im Ausland für die rückgeführten Personen nicht. Sie hätten jedoch die Möglichkeit sich an die Beratungsstellen und Migrationszentren vor Ort zu wenden, um andere Unterstützungsleistungen für eine Reintegration, zum Beispiel in Serbien, zu erhalten. So würde unter anderem die Caritas Serbien in Belgrad Unterstützung für Rückkehrer unabhängig von ihrer ethnischen Zugehörigkeit anbieten, so das Ministerium weiter.
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