Basel/Leipzig. Der Sozialwissenschaftler Oliver Nachtwey hat den Polizeieinsatz in Leipzig gegen Demonstranten am Wochenende scharf kritisiert. "Diese Form von, tatsächlich, Rasterfahndung, auch polizeilicher Verhandlung nach körperlichen oder Aussehensmerkmalen ist auch für eine Demokratie nicht würdig", sagte er am Montag dem Sender Phoenix.
Das Vorgehen der Polizei habe "auch ein wenig die unguten Erinnerungen an die 70er-Jahre zurückkommen lassen, wo dann Menschen gescannt werden sollten nach ihrem Aussehen, ob sie denn links ausschauten, ob sie ökologisch ausschauten oder Rastalocken hätten", fügte er hinzu. Darüber hinaus habe das Verbot der Demonstrationen und die "systematische Verhinderung der Mobilisierung" auf Autobahnen und im Zugverkehr viele Leute abgeschreckt, die "wirklich demokratische Anliegen hatten". Zudem kritisierte Nachtwey die Berichterstattung zu den Protesten: "Dann hat man den Eindruck, es gibt gerade eine gewalttätige linke Szene, während man sehr stark nicht in Betracht zieht, dass das große Problem in Deutschland der gewalttätige Rechtsextremismus ist." Die radikale linke Szene in Deutschland sei klein geworden und auch in ihrer Gesamtheit weniger militant, so Nachtwey.
Infolge der Verurteilung der Studentin Lina E. hatte es am Wochenende in Leipzig Proteste gegeben, bei denen es zu Zusammenstößen mit der Polizei gekommen war. Unter anderem wurden in der Nacht von Samstag auf Sonntag über zehn Stunden lang rund 300 Personen von der Polizei eingekesselt, um ihre Identitäten festzustellen. Unter den Eingekesselten sollen sich auch Minderjährige befunden haben.
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