Deutschland. Mit der Veröffentlichung der Düsseldorfer Tabelle 2026 setzt sich ein lange kritisierter Trend fort: Trotz minimaler Anpassungen beim Mindestunterhalt bleiben zentrale strukturelle Probleme ungelöst. Der Interessenverband Unterhalt und Familienrecht (ISUV) sieht hierin ein zunehmendes sozialpolitisches Risiko und fordert in einer Pressemitteilung erneut dringend die Regionalisierung der Wohnkosten im Selbstbehalt.
Der Mindestunterhalt steigt 2026 nur leicht. Durch die Kindergelderhöhung fällt der real spürbare Anstieg jedoch gering aus. Gleichzeitig bleiben die Selbstbehalte vollkommen unverändert. Insbesondere wird im Selbstbehalt weiterhin pauschal von 520 Euro Warmmiete ausgegangen - gleicher Betrag, gleiches Raster, für ganz Deutschland. Und genau das sei das Problem, so der ISUV.
"Massive soziale Schieflage"
Die pauschalen Wohnkosten treffen unterhaltspflichtige Eltern immer härter. In vielen Regionen seien Mieten in den vergangenen Jahren massiv gestiegen - die Düsseldorfer Tabelle 2026 reagiere darauf jedoch nicht.
"Die Weigerung, Wohnkosten endlich realitätsnah und regionalisiert abzubilden, ist der zentrale Konstruktionsfehler der Düsseldorfer Tabelle", kritisiert ISUV-Bundesvorsitzende Melanie Ulbrich. "Wer in Ballungsräumen lebt, hat faktisch keine Chance, eine angemessene Wohnung zu mieten, die auch Raum für Kinder beim Umgang bietet. Das behindert bis heute eine gleichberechtigte Betreuung nach Trennung oder Scheidung."
Wohnkosten regionalisieren
Die Forderung des ISUV sei seit Jahren klar: Wohnkosten müssten regionalisiert werden, wie es auch Ex-Justizminister Buschmann als Ziel in der Reform des Familienrechts vorgesehen hatte.
Mit einem Bruttogehalt von 3.000 EUR monatlich und zwei Kindern liege man - je nach Region - nur knapp über dem Selbstbehalt, teilweise sogar darunter. Dies sei kein Ausnahmefall mehr, sondern die Realität vieler Unterhaltspflichtiger in Deutschland.
Gleichzeitig steigen die Lebenshaltungskosten weiterhin: Lebensmittel bleiben deutlich teurer, Energiekosten schwanken, aber sinken nicht auf ein früheres Niveau. Die Düsseldorfer Tabelle bilde diesen Kostendruck nicht ab.
Unterhaltspflicht als Armutsfalle
Die Konsequenzen verfestigten sich: Immer mehr Unterhaltspflichtige, die eigentlich ausreichend verdienen sollten, müssten Bürgergeld zur Existenzsicherung beantragen - häufig als sogenannte Aufstocker. Diese Entwicklung berge politischen Zündstoff, zumal parallel über Änderungen im Bürgergeld diskutiert werde.
"Unterhaltspflichtige, die voll arbeiten und Verantwortung für ihre Kinder übernehmen wollen, dürfen nicht in die Armut getrieben werden", mahnt Ulbrich. "Diese Entwicklung ist sozialpolitischer Sprengstoff und muss endlich ernst genommen werden."
Der Verband rät Betroffenen, ihre Ansprüche prüfen zu lassen: Bürgergeld kann beantragt werden, wenn Kinder regelmäßig betreut werden (temporäre Bedarfsgemeinschaft). ISUV unterstützt Unterhaltspflichtige bei der Antragstellung.
Besser gütlich einigen
Trotz der Defizite der Düsseldorfer Tabelle empfiehlt ISUV weiterhin, den Unterhalt gütlich und gemeinsam festzulegen, Gerichtsverfahren möglichst zu vermeiden und den Mindestunterhalt selbstverständlich einzuhalten. Gemeinsame Lösungen seien stabiler und familienfreundlicher als rein tabellarische Vorgaben.
Der ISUV kritisiert, dass die dringend erforderliche umfassende Reform des Unterhalts- und Umgangsrechts nach wie vor aussteht. "Es reicht nicht, die Tabelle jährlich minimal anzupassen. Wir brauchen ein modernes Unterhalts- und Umgangsrecht, das der Lebenswirklichkeit von Trennungsfamilien im Jahr 2026 entspricht", fordert Ulbrich. "Die DTB ist zwar nur eine Empfehlung, stellt aber die Rechtsrealität dar. Hier muss die Politik endlich aktiv werden."
Der Verband begrüßt zwei Neuerungen ausdrücklich: erstmals angemessener Selbstbehalt beim Enkelunterhalt, klar definierter angemessener Selbstbehalt beim Elternunterhalt. Beides sei wichtig, um ältere Menschen nicht übermäßig zu belasten und die Kindergeneration vor doppelter finanzieller Beanspruchung zu schützen.

