Region. Die Behandlung von Hepatitis C erfolgt seit einigen Jahren mit speziellen antiviral wirkenden Medikamenten. Da eine Entwicklung von Resistenzen in Zukunft aber nicht auszuschließen sei, werde weiterhin nach alternativen Behandlungsmöglichkeiten geforscht. Jetzt haben HZI-Forscher Angriffspunkt auf der Virushülle lokalisieren können und entwickeln passgenaue Wirkstoffe, so die Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung GmbH.
Sogenannte Zelleintritts-Inhibitoren gelten als vielversprechend. Gemeinsam mit Kollegen der Leibniz Universität Hannover konnten Wissenschaftler vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) und dem TWINCORE zeigen, wo ihr Angriffspunkt am Virus liege, und verbesserte Wirkstoffe entwickeln.
Alternativen zu antiviralen Mitteln notwendig
An den Folgen einer Hepatitis C-Infektion würden weltweit jedes Jahr rund 400.000 Menschen sterben. Die Ansteckung mit dem Virus erfolge in der Regel über das Blut. Eine Infektion könne lange Zeit unerkannt bleiben, da die Erkrankung zunächst weitgehend symptomlos verlaufe und auftretende grippeähnliche Symptome oftmals nicht mit einer Hepatitis C-Infektion in Zusammenhang gebracht werden. Das Tückische daran: Die Erkrankung schreitet unbemerkt voran und kann zu einer Zirrhose oder einem Leberkarzinom führen. Weltweit würden mehr als 70 Millionen Menschen an einer chronischen Hepatitis C-Infektion leiden. „Die Behandlung mit antiviral wirkenden Medikamenten funktioniert gut, ist aber erst seit wenigen Jahren möglich“, sagt Prof. Thomas Pietschmann, Leiter der Experimentellen Virologie am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) und am TWINCORE, einer gemeinsamen Einrichtung des HZI und der Medizinischen Hochschule Hannover. „In welchem Ausmaß sich in Zukunft Resistenzen entwickeln, können wir bisher aber noch nicht gut abschätzen. Daher ist die Entwicklung alternativer Behandlungsstrategien weiterhin wichtig."
Viren bringen Erbgut in Wirtszellen ein
In verschiedenen Studien hätten sich Wirkstoffe, die für die Behandlung von Migräne (Flunarizin) beziehungsweise Allergien (Chlorzyklizin) bereits zugelassen seien, als ebenfalls wirksam gegenüber Hepatitis C-Viren gezeigt. Sie würden verhindern, dass das Erbgut der Viren in die Körperzellen eindringen könne, und werden daher als Zelleintritts-Inhibitoren bezeichnet. Das Ziel eines jeden Virus sei es, sein Erbgut ins Innere einer Wirtszelle zu schleusen, um sich vermehren zu können. Der erste Schritt zum Ziel erfolge durch einen natürlichen Aufnahmeprozess unserer Zellen, der sogenannten Endozytose: Tritt ein Virus über einen Rezeptor mit der Zellmembran in Kontakt, stülpt sie sich an dieser Stelle nach innen ein und schnürt eine kleine Blase ins Zellinnere ab. Das Virus befinde sich dann innerhalb dieser als Vesikel bezeichneten Blase. Die umgebende Zellmembran trenne das Virus noch von seinem eigentlichen Zielort, dem Zellinnern. Mit der Zeit sinke der pH-Wert innerhalb des Vesikels ab – ebenfalls ein natürlicher Prozess in unseren Zellen. Das saure Milieu bewirke eine Strukturänderung in der Virushülle, wodurch sie nun in der Lage sei, mit der umgebenden Zellmembran zu verschmelzen. So könne das Virus seine genetische Information ins Zellinnere injizieren – Ziel erreicht.
„Viren sind ganz hervorragend an die Bedingungen und Abläufe in unseren Zellen angepasst“, sagt Dominic Banda, Erstautor der Studie, mittlerweile tätig in der Abteilung für klinische Biologie, Mikrobiologie und Immunologie der Universität Ghent. „Um sie erfolgreich bekämpfen zu können, müssen wir mögliche Angriffspunkte aufspüren und uns zunutze machen.“
Sieben verschiedene Arten von Hepatitis C-Viren
In ihrer aktuellen Studie haben die Forscher vielversprechende Zelleintritts-Inhibitoren und ihre Wirkung auf Hepatitis C-Viren genauer unter die Lupe genommen: Wo setzen sie am Virus an? Wie ist ihr Wirkmechanismus? Wie können sie optimiert werden? Um diese Fragen zu beantworten, hätten sie Hepatitis C-Viren Stück für Stück genetisch verändert und geschaut, ob sie jeweils noch auf den getesteten Wirkstoff ansprechen würden. „So konnten wir eine kleine spezifische Region in der Virushülle ausmachen, mit der der Wirkstoff offenbar interagiert. Wie ein Keil im Getriebe verhindert er die Fusion der Virushülle mit der Zellmembran“, erklärt Banda. „Es ist wichtig zu wissen, wo genau die Interaktion stattfindet, um Vorhersagen machen zu können, welche Virusvarianten auf welchen Wirkstoff ansprechen.“ Denn nicht jedes Hepatitis C-Virus gleiche dem anderen. Es gebe sieben unterschiedliche Genotypen von Hepatitis C-Viren, und insbesondere Viren des Genotyps Zwei könnten durch Zelleintritts-Inhibitoren aufgehalten werden.
Weiterhin konnten die Forscher zeigen, dass die gefundene Region auf der Virushülle ebenfalls darüber bestimme, bei welchem pH-Wert das Virus zur Membranfusion angeregt werde. „Manche Virustypen benötigen einen niedrigeren pH-Wert als andere, das kann ganz unterschiedlich sein“, sagt Pietschmann. „Dass wir die für die pH-Empfindlichkeit eines Virustyps verantwortliche Region ausfindig machen konnten, ist ein weiteres schönes Ergebnis, das für das grundlegende Verständnis des Ablaufs einer Hepatitis C-Infektion von Bedeutung ist.“
Weitere Forschung für wirksamere Medikamente
In Kooperation mit dem Team um Prof. Andreas Kirschning vom Institut für Organische Chemie und dem Biomolekularen Wirkstoffzentrum (BMWZ) an der Leibniz Universität Hannover habe das HZI-Team weitere strukturell verwandte Verbindungen von Flunarizin entwickelt, synthetisiert und auf ihre Wirksamkeit gegenüber Hepatitis C-Viren getestet. „Wir konnten zeigen, dass Verbindungen mit ähnlicher Struktur dieselbe Wirkung hatten: Sie verhinderten die Membranfusion von Hepatitis C-Viren“, sagt Kirschning. „Dabei stellte sich eine Substanz – genauer p-Methoxy-Flunarizin – als besonders wirksam heraus.“
In künftigen Untersuchungen möchte das Forschungsteam herausfinden, ob die Zelleintritts-Inhibitoren an das Virus binden und, falls ja, analysieren, wie genau diese Bindung aussehe. „Es ist wichtig, den Wirkmechanismus in Gänze zu verstehen, um passgenaue und hochwirksame Medikamente entwickeln zu können“, sagt Pietschmann. „Vielleicht sogar einen Wirkstoff mit multiplen Bindeeigenschaften, der auf mehrere Virusvarianten passt und breiter aktiv wäre – das wäre natürlich optimal.“
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