Neuer Höchststand an Corona-Toten: Starben sie an oder mit Corona?

Die Frage bewegt bei den Todesmeldungen besonders in den sozialen Medien. Dabei gibt es in der Wissenschaft schon eine eindeutige Tendenz, wie die Antwort lautet.

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Die meisten Corona-Toten starben direkt an der Folge ihrer Infektion. Zu diesem Ergebnis kamen verschiedene Studien. Hier ein Archivbild eines Abtransportes aus einer vom Coronavirus schwer getroffenen Altenpflegeeinrichtung in Wolfsburg.
Die meisten Corona-Toten starben direkt an der Folge ihrer Infektion. Zu diesem Ergebnis kamen verschiedene Studien. Hier ein Archivbild eines Abtransportes aus einer vom Coronavirus schwer getroffenen Altenpflegeeinrichtung in Wolfsburg. | Foto: aktuell24(KR)

Region. Das Robert-Koch-Institut (RKI) meldet mit 590 registrierten Corona-Toten binnen 24 Stunden einen neuen Höchststand seit Ausbruch der Pandemie in Deutschland. Ob diese Zahlen auch die tatsächlich am Coronavirus Verstorbenen abbilden, ist immer wieder Gegenstand der Diskussion, die im Frühjahr Rückenwind vom Hamburger Pathologen Klaus Püschel erhielt. Dieser stellte die These auf, dass die Mehrheit der COVID-19-Toten ohnehin zeitnah verstorben wäre. Der Bundesverband deutscher Pathologen widerlegte diese These bereits im August - nach ihren Ergebnissen starben mehr als drei Viertel der Obduzierten im Wesentlichen oder allein an COVID-19. Internationale Studien kommen zu ähnlichen Ergebnissen.


Mit dem heutigen Mittwoch ist der bisherige Höchststand von 487 Coronatoten vom vergangenen Mittwoch um mehr als 100 Fälle geschlagen. Die Probleme bei der Vergleichbarkeit mit einer schweren Grippewelle sind offensichtlich - während bei der Grippe keine Meldepflicht herrscht und die Anzahl der Toten anhand der sogenannten "Übersterblichkeit" lediglich geschätzt wird, kann die Zahl der Corona-Toten im wesentlichen direkt bestätigt erfasst werden. Die Übersterblichkeit errechnet sich daraus, ob im Zeitraum einer Grippewelle mehr Menschen starben, als unter normalen Bedingungen statistisch zu erwarten wäre. Laborbestätigt wurden während der Grippewelle 2017/2018 "nur" 1.674 Influenza-bedingte Todesfälle. Die Schätzung anhand der Übersterblichkeit übersteigt diesen Wert mit 25.100 etwa um das Fünfzehnfache - obwohl die Todesursache bei etwa 23.000 Todesfällen nicht laborbestätigt ist und sie lediglich auf statistischen Schätzungen beruht, wird die Zahl der Grippetoten gern als Vergleichswert für die Zahl der Corona-Toten herangezogen. Wie viele Tote es jedoch ohne jegliche Eindämmungsmaßnahmen in Deutschland bei einem Virus gäbe, das sich deutlich effizienter überträgt als die saisonalen Influenzaviren, bleibt unklar.

Das Problem mit der Übersterblichkeit


Als Italien beispielsweise im März besonders stark von der Pandemie betroffen war, starben in Nembro in der Provinz Bergamo beinahe elfmal so viele Menschen wie im Vorjahresmonat. In den USA stieg die Übersterblichkeit sogar weit über die Zahl der laborbestätigten Corona-Todesfälle hinaus - was ein großes Problem bei der Berechnung der Übersterblichkeit in Zeiten der Pandemie offenbart. Eine Überforderung des Gesundheitssystems oder das Aufschieben notwendiger Behandlungen und daraus resultierende Todesursachen zeichnen sich ebenso ab wie die tatsächliche Anzahl der Toten - in dem Fall durch oder mit - COVID-19. Am Zuverlässigsten bleiben also die laborbestätigten Fälle, bei denen das Coronavirus tatsächlich mittels eines PCR-Tests im Organismus nachgewiesen wurde. Der PCR-Test weist das Vorhandensein einer SARS-CoV-2 spezifischen RNA-Sequenz im Körper des Patienten nach, die in einem "gesunden" Menschen nicht vorkommen sollte.

COVID-19 in mehr als drei Vierteln der Fälle Todesursache


Die von mehreren deutschen Pathologenverbänden veröffentlichte Studie zu Obduktionen vermeintlicher Corona-Toter setzt genau da an. Bei den laborbestätigten Todesfällen, die also nach den häufig umstrittenen Angaben des Robert-Koch-Instituts direkt in Folge ihrer Viruserkrankung verstorben sein sollen. "Durch die klinische Obduktion wurde - wie in einschlägigen wissenschaftlichen Publikationen deutlich wird - nachgewiesen, dass SARS-CoV-2 nicht nur Schädigungen der Lunge verursacht, sondern auch andere Organsysteme betrifft und daher mitnichten mit einem normalen Grippevirus gleichgesetzt werden kann", so das Eingangsstatement des Bundesverbandes deutscher Pathologen in der Pressemappe. Bei der Studie wurden insgesamt 154 Obduktionen ausgewertet, dabei wurde in über 82 Prozent der Fälle die Erkrankung an COVID-19 und die damit einhergehenden "charakteristischen Organbefunde" als alleinige oder wesentliche Ursache des Todes festgestellt. Blutgerinnungsstörungen und die Folgenden Schäden am Lungengewebe und an anderen Organen stünden beim Tod der Obduzierten "ganz im Vordergrund". Die Betroffenen verlören durch ihre COVID-19 Erkrankung - auch mit Vorerkankungen - durchschnittlich ein Jahrzehnt ihrer Lebenszeit. Bei nur acht Prozent der Obduzierten war nach einem positiven PCR-Test keine charakteristische Organschädigung festzustellen und somit COVID-19 als Todesursache ausgeschlossen worden. Der deutsche Pathologenverband erkannte im August jedoch auch, dass 154 Obduktionen bei damals mehr als 9.000 Todesfällen eine "völlig unzureichende Quote" seien und fordert Unterstützung für das deutsche Obduktionswesen und damit das bessere Verständnis der Krankheit. Bislang lägen die Hürden für eine Obduktion von COVID-Toten zu hoch.

Es braucht weitere Forschung


Rückendeckung erhält die deutsche Studie jedoch trotz ihrer geringen Fallzahl durch eine Studie aus der US-Zeitschrift "Forensic Science, Medicine and Pathology" mit 341 untersuchten Patienten aus dem September 2020, welche die Ergebnisse der deutschen Pathologen im Wesentlichen bestätigt. Auch hier wurde bei einem überwiegenden Teil der Todesfälle COVID-19 als alleinige oder stark zum Tode beitragende Ursache beschrieben. Eine weitere Studie an Italienischen Verstorbenen kommt zu dem Schluss: "Eine SARS-CoV-2 Infektion verursacht Multisystemerkrankungen und eine signifikante Symptomatik in den meisten Organen bei Patienten mit und ohne Begleiterkrankungen." Alle Studien kommen jedoch auch zu dem Schluss: Es bedarf weiterer Forschung.


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