Berlin. Der Chef des Normenkontrollrats geht von größeren Problemen bei der Auszahlung der unterschiedlichen "Entlastungsmaßnahmen" der Bundesregierung aus. "Jeder wird irgendwann sein Geld bekommen, aber es wird Zeit kosten und es werden Fehler passieren", sagte Lutz Goebel der "Welt am Sonntag".
Aus Sicht des Vorsitzenden des unabhängigen Beratungsgremiums der Bundesregierung für Bürokratieabbau und Rechtssetzung rächt sich jetzt, dass man die Digitalisierung der Verwaltung "schlicht versemmelt" habe, sagte er. Goebel sieht einen weiteren Grund für die erwarteten Probleme in der Art und Weise, wie die sogenannten "Entlastungspakete" zustande kamen. "Würde man sich am Anfang bei der Gesetzgebung mehr Zeit lassen, wäre der Frust am Ende bei allen Beteiligten geringer", sagte er. Die Regierung gebe all jenen, die die Vorhaben vor Ort umsetzen müssten, oft nur wenige Stunden Zeit für ihre Stellungnahmen zu Gesetzentwürfen.
"Das geht definitiv zu Lasten der Qualität", sagte Goebel. Der Gesetzgeber hat in den vergangenen Wochen eine Reihe von "Entlastungsmaßnahmen" beschlossen, von der Energiepreispauschale, über die Gaspreisbremse bis hin zur Wohngelderhöhung. Manche Experten schauen aber mit Skepsis auf die langfristigen Folgen, da die gesamtvolkswirtschaftliche Rechnung irgendwann bezahlt werden muss. Und Jens Spahn, stellvertretender Unions-Fraktionsvorsitzender, verlangt von der Regierung eine einfachere Umsetzung: "Die Ampel sollte ihre gesammelten Vorhaben dringend einem Bürokratie-Check unterziehen", sagte er der "Welt am Sonntag".
Der Verwaltungsaufwand für die Projekte sei enorm. "Wenn Ämter, Kommunen und Versorger durch komplizierte Regeln überlastet werden, kommen finanzielle Entlastungen bei Bürgern und Unternehmen zu spät oder gar nicht an", sagte Spahn. Das von der Regierung eigentlich beschlossene Belastungsmoratorium habe sie offenbar schon wieder vergessen. Kritik an der Ausgestaltung der Hilfspakete der Bundesregierung kommt auch von der Deutschen Steuergewerkschaft.
"Die Entlastungsmaßnahmen sind untereinander vollkommen unabgestimmt", sagte der Bundesvorsitzende Florian Köbler. Erst habe es die Energiepreispauschale nur für Arbeitnehmer gegeben, dann auch für Rentner und Versorgungsempfänger, jetzt komme die Besteuerung des Gaspreisdeckels hinzu. "Das ist ein heilloses Durcheinander, das auf eine Finanzverwaltung trifft, die bereits am absoluten Limit ist", sagte Köbler. Die Folgen der Mehrarbeit würden 2023 viele Steuerzahler merken.
"Die Bürger werden im kommenden Jahr länger auf Steuererstattungsansprüche warten müssen", sagte Köbler. Schon heute würden die Servicezentren und Telefonhotlines der Ämter mit Anfragen überflutet, beispielsweise von Rentnern, die wissen wollten, ob sie wegen der 300 Euro Energiepreispauschale, die bis zum 15. Dezember ausgezahlt werden soll, im nächsten Jahr eine Steuererklärung abgeben müssen. Auch bei Unternehmen gibt es Zweifel, ob das Geld rechtzeitig kommt. So werden die Anträge der Energieversorger auf einen Ausgleich des Dezemberabschlags für Gaskunden zunächst von drei Stellen geprüft, bevor sie zur Auszahlung kommen.
"Der Zeitplan ist extrem eng, es gibt keinerlei zeitlichen Puffer", sagte Kerstin Andreae, Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft. Erhielten die Energieversorger die Erstattung des Dezemberabschlags durch den Staat nicht rechtzeitig, sei ihre Liquidität gefährdet.
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