Österreichs Ex-Kanzler Kern schlägt Krisen-Alarm für Deutschland

Ungewöhnlich deutlich regiert Österreichs ehemaliger Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) auf die Finanzkrise der deutschen Bundesregierung.

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Christian Kern (Archiv)
Christian Kern (Archiv) | Foto: Über dts Nachrichtenagentur

Wien. Ungewöhnlich deutlich regiert Österreichs ehemaliger Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) auf die Finanzkrise der deutschen Bundesregierung. In einem Gastbeitrag für die "Bild" (Freitagsausgabe) warnt er, die Krise in Deutschland könne zu einer Gefahr für die EU werden.


"Das deutsche Problem ist ein Europa-Problem. Deutschland ist die Lokomotive, die nicht ausfallen darf." Kern schreibt: "Man hat das Gefühl, dass die Deutschen nicht nur das Fußballspielen verlernt haben. Das Land steht selbstverschuldet an der Schwelle zur schleichenden Deindustrialisierung."

Zur aktuellen Haushaltskrise der Ampel-Koalition in Berlin schreibt Kern: "Ich sehe die Entwicklung in Deutschland mit großem Bedauern - als Ex-Politiker und als Aufsichtsratschef eines hochspezialisierten deutschen Unternehmens. Es scheint, als seien alle Sicherungen durchgebrannt: Die Zukunftschancen und Zukunftsjobs werden verspielt." Deutschland habe seit mehr als zehn Jahren erhebliche Chancen verspielt, so Kern, und scheitere nun bei der Bewältigung der Folgen: "Man hätte über mehr als ein Jahrzehnt zu besten Zinskonditionen das Land und seine Infrastruktur bei Verkehr, Bahn, Telekommunikation und Bildung zukunftsfähig machen können. Das ist nicht geschehen und sollte nun auf einen Schlag nachgeholt werden. Offensichtlich scheitert das gerade grandios."

Kern, der heute als Manager arbeitet, warnt auch vor dramatischen Folgen der politischen und wirtschaftlichen Krise in Deutschland: Er selbst sei unter anderem Aufsichtsratschef einer Glasfabrik im Bundesland Brandenburg, die Marktführer für Spezialglas für Solar-Industrie ist, doch in Deutschland drohe nun angesichts der politischen Umstände, "die gesamte deutsche Solarbranche in einem großen schwarzen Loch zu versinken". Kern: "Statt Zukunftsbranchen und Zukunftsarbeitsplätze aufzubauen, wird das, was da ist, auch noch abgewrackt." Kern schreibt weiter über die Auswirkungen der Haushaltssperre und unsicheren Staatsfinanzen in Deutschland für die Glasmanufaktur Brandenburg: "Wir wollten 150 Millionen Euro investieren und die Kapazitäten verdoppeln. Nun ist nicht nur das in Gefahr, nun wankt alles."

In Norwegen und anderen europäischen Staaten machten die ersten Hersteller dicht. Es drohe, so Kern, "ein Dominoeffekt in ganz Europa". Kern warnt vor Investitionsunsicherheit in Deutschland und Europa: "Indien, die USA und andere Länder erheben Strafzölle für Billig-Solarpaneele aus China, Deutschland und die EU nicht. Der Effekt ist: asiatische Produzenten verramschen ihre Überkapazitäten in Deutschland und Europa und würgen damit die heimische Industrie ab."

Es gehe nicht "um dauerhafte oder hohe Staatszuschüsse", sondern "um ein faires politisches Konzept, das Investitionssicherheit schafft". Europa dürfe nicht "noch weiter technologisch in Abhängigkeit geraten". Bei der Energie habe man bei Russland den Fehler gemacht.

Kern: "Bei den Zukunftstechnologien macht ihn Deutschland wieder." Kerns Fazit: "Gefahr ist in Verzug, wir haben keine Jahre mehr, um das notwendige zu tun, sondern bestenfalls noch Wochen. Da kommt das Desaster in Deutschland zur Unzeit."


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