Braunschweig. Am gestrigen Mittwochabend gab die Bundesregierung bekannt, dass der Lockdown ein weiteres Mal verlängert wird. Unter anderem leidet auch die Kulturbranche zunehmend unter der Situation. Vor allem Soloselbstständige haben Probleme, an die versprochenen Hilfen zu gelangen. Am kommenden Sonntag, dem Tag, an dem eigentlich der Schoduvel hätte durch Braunschweig ziehen sollen, wollen die Kulturschaffenden anhand einer Demonstration mit anschließender Kundgebung auf ihre Lage aufmerksam machen. Der Kulturzug trifft sich am Sonntag um 12:30 Uhr an der Volkswagenhalle. Die Abschlusskundgebung ist um 14:30 Uhr vor dem Schloss vorgesehen.
Sie wollen mit Maske und Abstand demonstrieren, sich dabei an alle Regeln halten. Nach fast einem Jahr, genauer gesagt nach 335 Tagen, geht es für die Kulturschaffenden ums Überleben, sie demonstrieren, weil sie ihre Existenz bedroht sehen. Initiator Dirk Wöhler hatte auch schon die "Alarmstuferot"-Demonstrationen in Berlin angemeldet. Ebenso initiierte er die Aktion "Kulturgesichter053" - dabei ließen sich rund 500 Kulturschaffende aus der Region fotografieren. "Ohne uns ist´s still" prangt quer über den Schwarz-Weiß-Aufnahmen, auf denen die Künstler ernst in die Kamera blicken und die bereits über die Sozialen Netzwerke den meisten Menschen bekannt sein dürften.
Diese Bilder sollen nun ein ganz besonderer Teil der Demonstration werden. Auf Platten gedruckt sollen die Kulturgesichter von den Demonstranten getragen und anschließend auf dem Schlossplatz aufgestellt werden. "So können die ganzen Kulturgesichter mit Maske demonstrieren, aber trotzdem Gesicht zeigen", erklärt Wöhler im Gespräch mit regionalHeute.de. Dabei solle jeder sein eigenes Gesicht in die Hand bekommen. Die Bilder derjenigen, die nicht an dem Zug teilnehmen, können ebenfalls verteilt werden, damit auch sie ein Teil der Demo sind. Nach der Abschlusskundgebung am Schloss sollen die Gesichter dort an einem Zaun bis Rosenmontag, eventuell aber sogar bis Mittwoch stehen bleiben.
Trauerzug statt Schoduvel
Hinter einem Sarg mit der Aufschrift "Kultur" und "Veranstaltungsbranche" sollen die erwarteten rund 300 bis 500 Demonstranten in schwarzer Kleidung über die Güldenstraße, den Altstadtmarkt, die Lange Straße, über den Hagenmarkt bis hin zum Bohlweg und endlich bis auf den Schlossplatz herlaufen. "Ein Sarg ist erstmal nichts Schlimmes, er fordert aber zur Stille auf, er fordert zum Nachdenken auf und er fordert auf, darüber nachzudenken, was man alles Schönes mit der Kultur und der Veranstaltungsbranche erlebt hat. Und genau diese Situation haben wir jetzt. Es ist eigentlich genau wie bei einer Beerdigung, nur man kann uns noch retten", erklärt Wöhler die Symbolik hinter dem Sarg. Nach elf Monaten sei genug der Worte. Es müsse eine Perspektive für die Zukunft geben.
"Mir wird die Liebe meines Lebens genommen!"
"Querdenker haben hier nichts verloren!"
Während der Demonstration legt Wöhler großen Wert auf die Einhaltung der Corona-Regeln. So sollen die Demonstranten den Mindestabstand einhalten und eine Maske tragen. Dabei versteht er keinen Spaß. Zu wichtig ist das Thema. "Die Polizei hat die ganz klare Ansage von mir, Querdenker, Aluhüte oder Reichsbürger sofort des Platzes zu verweisen!" Schließlich gehe es nicht darum, gegen Regeln zu demonstrieren. "Wir müssen diese Pandemie irgendwie in den Griff bekommen, damit wir mal wieder irgendwann vernünftig arbeiten können", erklärt Wöhler weiter.
"Wir sind seit einem Jahr im Lockdown und wenn man gerne feiern geht weiß man: Das fehlt total! Und darum ist es wichtig, dass wir eine Perspektive bekommen. Wir werden ja auch dieses Jahr kein Geld verdienen, wenn das nach dem Stufenplan geht. Darin heißt es, dass bei einer Inzidenz unter 10 Bars öffnen dürfen, aber eine Bar muss zehn Quadratmeter für jeden Gast bereithalten - wie soll das gehen?", so Wöhler.
Die Politik muss sich die Branchen genauer angucken
Nach so langer Zeit wandern viele der Kulturschaffenden ab in andere Branchen, weil sie dort bessere Perspektiven sehen. "Jemanden der künstlerisch tätig ist, den kannst du nicht bei VW ans Band stellen. Der geht da kopfmäßig kaputt", so Wöhler. Als Beispiel nennt er einen Saxophonspieler, der jetzt Arzneimittel ausfahren muss, damit er Geld verdient. "Die Soloselbstständigen haben ja keine Betriebskosten und fallen damit auch schon durch das Raster. Die Politik sollte in die jeweiligen Branchen reingucken und sehen, dass man mit ganz wenig schon Menschen helfen könnte."
Unterstützung bekommen die Demonstranten auch von prominenter Seite. So habe Wirtschaftsminister Bernd Althusmann bereits zugesagt. Ebenso Landtagsabgeordneter Christos Pantazis und weitere Regionalpolitiker.
Wöhler war es auch, der die Alarmstofe rot-Demos in Berlin angemeldet und initiiert hat. Damals waren dort 10.000 bis 12.000 Menschen unterwegs. Neben dem Sarg, der auch in Braunschweig vor den Demonstranten hergetragen wird, wurde auch ein Dinosaurierskelett vor dem Brandenburger Tor aufgebaut.
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