Braunschweig. Die schnelle Ausbreitung der Omikron-Variante des SARS-CoV-2 Virus hat die internationale medizinische und wissenschaftliche Gemeinschaft überrascht. Die Frage ist: Gelingt die Ausbreitung durch Umgehung der humoralen Immunabwehr (Antikörper) oder durch bessere Bindung an menschliche Zellen und damit durch eine leichtere Infektion? Die Studie eines Braunschweiger Forscherteams deutet darauf hin, dass die neue Virusvariante die Erkennung bei Geimpften und Genesenen umgehen kann. Das teilt die Technische Universität Braunschweig in einer Pressemitteilung mit.
Das SARS-CoV-2-Coronavirus trägt verschiedene Oberflächenproteine, von denen Spike das prominenteste Beispiel und ein wesentlicher Bestandteil von Impfstoffformulierungen ist. Das Spike der neuen Omikron-Variante wurde von einem Braunschweiger Forscherteam zusammen mit zahlreichen Partnern untersucht. Die Forscher testeten die biologischen Eigenschaften der Spike-Rezeptor-Bindungsdomäne (RBD). "Überraschenderweise stellen wir fest, dass die Omikron-Variante des Spike-Proteins den Zelloberflächenrezeptor weniger effizient bindet als das derzeit zirkulierende Virus. Andererseits haben sowohl COVID-Patienten als auch geimpfte Personen verminderte Antikörperreaktionen gegen Omikron. Dies deutet darauf hin, dass die 15 Mutationen im Omikron-RBD eher dazu dienen, dass das Virus der Erkennung entgeht, aber nicht um Zellen effizienter zu infizieren", sagt Professor Luka Cicin-Sain vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig.
Schnelle Herstellung von Virus-Proteinen im Labor zur Testung
Die Herstellung dieser Proteine im Labor ermöglicht Tests von Blutserum zur Beurteilung der Immunantwort und ihrer Fähigkeit, an Proteine auf Wirtszellen zu binden. "Für die Entwicklung unseres Medikaments gegen COVID-19 und für die Untersuchung von Patientenproben im Februar 2020 konnten wir dank eines von mir neu entwickelten Produktionssystems bereits sehr schnell virale Proteine in Insektenzellen herstellen", sagt Dr. Maren Schubert vom Fachgebiet Biotechnologie der TU Braunschweig. Ihr Kollege Dr. Federico Bertoglio ergänzt: "Die Möglichkeit zur sehr schnellen biotechnologischen Herstellung von SARS-CoV-2-Proteinen war auch für diese Studie entscheidend."
"Möglicherweise neue Impfstoffformulierungen erforderlich"
Die Quantifizierung von Immunantworten gegen das Coronavirus-2 (SARS-CoV-2) nach der Impfung ist wichtig, um Impfstrategien optimal anzupassen. Für die Studie des Antibody Therapy Against Coronavirus Consortium (ATAC) wurden 64 Serumproben analysiert. Die Bindungsstärke der Antikörper gegen die Omikron-Variante wurde mit der Bindungsstärke gegen die aktuellen Varianten Wuhan, Beta und Delta verglichen. Die Ergebnisse zeigen, dass Antikörper vom Typ Immunglobulin G (IgG) gegen Omikron sowohl im Blut von Patienten, die wegen COVID-19 ins Krankenhaus eingeliefert wurden, als auch in den nach der Impfung entnommenen Proben nachweisbar waren. Allerdings war die Bindung im Vergleich zum ursprünglichen Wuhan-Virus oder den Delta-Varianten geringer, selbst nach der Auffrischungsimpfung. Dies deutet darauf hin, dass ein teilweiser Schutz gegen SARS-CoV-2 gegeben ist, dass aber möglicherweise neue Impfstoffformulierungen erforderlich werden, entsprechend den neutralisierenden Effekten von Antikörpern gegen lebende Viren, wie sie von anderen Labors beobachtet wurden.
"Omikron-Variante nur eine Momentaufnahme"
"Unsere Erfahrungen werden in Zukunft auch ermöglichen, noch schneller diagnostische Tests und Medikamente gegen Infektionserkrankungen zu entwickeln. Dabei haben wir auch stark von den vielen internationalen Kooperationen profitiert, die wir im Bereich der Infektionsforschung aufgebaut haben", sagt Professor Michael Hust, Leiter des ATAC-Teams an der TU Braunschweig. "Die Mutationen in der Omikron-Variante sind sehr dynamisch und stellen nur eine Momentaufnahme da. Wir werden auch weitere Omikron-Varianten testen". Professor Stefan Dübel, Leiter der Abteilung Biotechnologie an der TU Braunschweig: "Wir hoffen, durch die Entwicklung dieser experimentellen Möglichkeiten auch langfristig zur geplanten international koordinierten Abwehrstrategie gegen zukünftige Pandemien beizutragen."
Die neue vorläufige Studie baut auch auf Erkenntnissen des Forscherteams zur Immunantwort bei ungeimpften COVID-19 Patienten aus dem Jahr 2020 und zur Entwicklung eines Medikaments gegen COVID-19 auf. Beteiligt an der neuen Studie waren neben der Abteilung Biotechnologie der Technischen Universität Braunschweig und dem Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig auch das Karolinska Institut in Stockholm (Schweden) und Policlinico San Matteo in Pavia (Italien) als Teil des ATAC-Konsortiums beteiligt. Weiter unterstützt wurden sie von der Universität Rijeka (Kroatien).
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