Wolfenbüttel. Nach Auffassung von Roman Heimbold, Geschäftsführer des onlinecity-Betreibers Atalanda, sei es noch viel zu früh für ein Zwischenfazit: "Die Stadt, die Initiative Wirtschaft Wolfenbüttel (IWW) und wir, haben uns für das Projekt onlinecity zwei Jahre gegeben. Frühestens nach einem Jahr könnten wir ein Zwischenzeugnis ausstellen", sagte er gestern in unserer Online-Zeitung. Ähnlich äußerte sich Bäckermeister Carsten Richter aus Reihen der teilnehmenden Kaufleute in unserem Beitrag "Jetzt reden die Händler". RegionalHeute.de nahm die Einführung dieser lokalen Shopping-Plattform (am letzten Sonntag vor genau sechs Monaten) trotzdem zum Anlass, um eine Halbjahres-Zwischenbilanz zu ziehen. Unsere Redaktion hat dieses Online-Angebot von allen Seiten beleuchtet und schließt die Themenwoche onlinecity heute mit einem Fazit ab.
Es ist ein finsteres Bild, dass Experten in unserer Online-Zeitung für die Flächenumsätze im Handel kleiner und mittlerer Zentren zeichnen: In wenigen Jahren wird die Hälfte aller gekaufter Waren im Netz bestellt. Dieses Internet - Fluch oder Segen für die Wolfenbütteler Innenstadthändler? Der Onlinehandel lässt Umsätze, Stückzahlen und Margen schrumpfen. Warum schwere Tüten durch die Lange Herzogstraße zu einem Am Rosenwall parkenden Auto schleppen, wenn man das identische Produkt doch auch bei Amazon, ebay oder Zalando erhalten kann? Freudenschrei und kostenloser Rückversand inklusive. Potentielle Kunden gehen wohl künftig in den Innenstädten bummeln, treffen sich in Cafés, schauen sich um, gehen essen aber kaufen nicht, oder zumindest weniger.
Keine grundsätzliche Unzufriedenheit
Einige Wolfenbütteler Einzelhändler wollen Farbe in dieses düstere Bild bringen und dem nicht tatenlos zuschauen. Sie beteiligen sich an der Online-Plattform onlinecity. Diesen Sprung ins Netz ermöglichte der Dienstleister Atalanda, der kurz gefasst auf die direkte Verknüpfung teilnehmender Wolfenbütteler Läden mit einem gemeinsamen Onlineshop setzt. Einige Händler kritisieren zwar (meist hinter vorgehaltener Hand) Details, Gestaltungsmerkmale oder die Funktionalität, aber zumindest die von uns interviewten Händler eint eines: Keine grundsätzliche Unzufriedenheit mit onlinecity.

Roman Heimbold, Geschäftsführer von Atalanda, dem Betreiber von onlinecity. Foto: atalanda/ManuelSeidl
Außerdem hat der Atalanda-Geschäftsführer gestern in unserer Online-Zeitung versprochen, die Plattform ständig weiter zu entwickeln. Optimierungen für unsere Stadt würden gerade in anderen Märkten getestet.
Digitales Schaufenster
Natürlich würden sich die teilnehmenden Händler mehr Umsatz online wie offline wünschen, zumal viele gegenüber unserer Online-Zeitung von einer Art "digitalem Schaufenster" sprachen. Dafür zahlen die Kaufleute eine monatliche Gebühr in Höhe von 20 Euro.
Dietrich Behrens, Leiter des Amts für Wirtschaftsförderung und Tourismus, erklärt das digitale Schaufenster so: "Aus Sicht der Verwaltung ging es in den ersten sechs Monaten in erster Linie nicht darum, möglichst viele Umsätze online zu generieren, sondern vielmehr darum, Kunden auch im Internet über die Vielfalt des Warenangebotes zu informieren und gezielt in die Geschäfte zu locken."
Ein digitales Schaufenster bedeutet offenbar, dass bei onlinecity der Wolfenbütteler Händler mit seinem stationären Laden, dessen Image und Tradition sowie seinen Produkten und Leistungsmerkmalen im Vordergrund steht.

Harald Borm, zweiter Vorsitzender der IWW, bestätigt, dass es kaum Online-Bestellungen gibt. Foto: Marc Angerstein
Also wohl mehr als ein Kommunikationsansatz als ein Online-Shop. Das würde dann auch die von allen Beteiligten beklagten - und von Atalanda und der IWW bestätigten - fehlenden Online-Umsätze erklären.
Leeres Schaufenster
Doch die Frage muss erlaubt sein: Was nutzt ein digitales Schaufenster, wenn es leer ist? Am Recherche-Stichtag haben 37 Anbieter insgesamt 2.736 Produkte auf insgesamt 116 Shop-Unterseiten zum Kauf angeboten. Und noch mal die Zahl: 37 teilnehmende Händler, kaum Filialisten, einige in Abseits-Lagen wie der Frankfurter Straße oder in der Kleinen Breite.
Und die anderen? Sie sitzen nicht im digitalen Schaufenster, um zu zeigen, was die Stadt ihren potentiellen Kunden zu bieten hätte. Atalanda will den Kreis der Teilnehmer erweitern: Um Dienstleister und Gastronomen. Letztere könnten mit ihrer Bringdienst-Mechanik zumindest den in Wolfenbüttel (bisher) nicht funktionierenden "Lieferung am selben Tag"-Ansatz beleben. Nur Kurierdienste werden davon wohl nicht profitieren.
Einige Händler tun sich schwer mit dem Hochladen von Produkten oder es fehlt ihnen schlicht an Zeit dafür. Wirtschaftsförderer Behrens appellierte auch an die Kaufmannschaft schneller Inhalte ins digitale Schaufenster zu stellen: „Denn am Ende kann das Projekt einem persönlich nur Erfolg bringen, wenn man es auch persönlich unterstützt.“
Suchen, finden, kaufen?

Sorgt onlinecity für frischen Wind im Wolfenbütteler Einzelhandel? Die Händler zeigen Flagge. Foto: Marc Angerstein
Unsere Online-Zeitung hat mit dieser Themenwoche onlinecity vielleicht auch ein bisschen dazu beitragen können, die Grundbekanntheit der Plattform zu erhöhen.
Neben der Installation einer digitalen Warenwirtschaft, ist eine der größten Herausforderungen für onlinecity und die Wolfenbütteler Händler gleichermaßen, die digitale Sichtbarkeit, also das Online-Marketing. Deutlich mehr als die Hälfte (63 von 102) der von uns befragten potentiellen Kunden kannten onlinecity nicht.
Die IWW und Atalanda sagen, die Zugriffszahlen seien gut. Genannt hat sie niemand. Der Effekt der Einführung, der Glanz des Neuen verblasst langsam. Normal, nach sechs Monaten.
Suchfunktion optimieren
Bislang gelingt es keinem der inzwischen zahlreichen lokalen Online-Marktplätze in Deutschland (also auch nicht unserem Wolfenbütteler) mit dem Google-Adwords-gepowerten Amazon zu konkurrieren, wenn es beispielsweise um reine Produktsuchen geht. Die Suchfunktion müsste optimiert werden und das Gesuchte müsste auch eingestellt sein. Das wäre der Schlüssel zum Erfolg.

Martin Geißler, Inhaber von Bücher Behr, würde sich lieber aufs Fahrrad setzen, statt einen Kurier zu bemühen. Foto: Marc Angerstein
Suchen, finden, kaufen - online oder im Wolfenbütteler Ladengeschäft - dann hätten wir alle eine Chance, dass der Klick und somit der Kunde in der Lessingstadt bleibt. Wahrscheinlich sogar vorm Verkaufstresen, denn für 5,95 Euro-Sparpotential für setzt man sich unserem Bericht zufolge, sogar aufs Fahrrad und verzichtet auf den Kurier.
Die Luft ist dünn
Den Expertenmeinungen folgend, ist die Luft dünn. Ob die Luft bei onlinecity raus oder (noch) drin ist, müssen unsere Leser nach dem jeweiligen intensiven Studium unserer insgesamt sieben Beiträge zum Thema selbst beurteilen. Eins hat onlinecity auf jeden Fall bewirkt: Es gibt ein neues Zusammenhaltgefühl der teilnehmenden Händler mit neuer Dynamik und einer gewissen Portion Optimusmus, was ihre geschäftliche Zukunft angeht.
Lesen Sie alle Beiträge unserer onlinecity-Themenwoche in chronologischer Reihenfolge:
- Einführung: Ist die Luft raus?
- Einschätzung von Experten
- Das sagen die Kunden
- Jetzt reden die Händler
- Bewertung der Stadtverwaltung
- Betreiber Atalanda gibt Ausblick
- Sie lesen gerade: Das Fazit - ist die Luft raus oder (noch) drin?