original unverpackt – auch ein Modell für unsere Region?

von Andreas Molau


| Foto: Museum Industriekultur Nürnberg, Erika Moisan



Wir haben uns das Berliner Projekt »original unverpackt« angeschaut. Hier wurde verwirklicht, was für unsere Urgroßeltern noch ganz normal war.


Foto: Museum Industriekultur Nürnberg, Erika Moisan

Hier wurde auch schon unverpackt verkauft. Der Kolonialwarenhandel.
[/image] Die Idee ging groß durch die Presse, als im September 2014 in Berlin ein Laden unter dem Namen »original unverpackt« eröffnete. Klar, beim täglichen Unterhaltungsbedürfnis benötigt man immer »Ahs« und »Ohs«. Und da sind solche exotischen Versuche, die Konsumwelt auf den Kopf zu stellen absolut medientauglich. Der Laden, berichtet die Berliner Zeitung im letzten Jahr, sei so etwas wie eine Touristenattraktion. Vom WC-Reiniger bis zur Nudel, Shampoos oder Nudeln, Tee oder Hirse ist dort inzwischen einiges zu haben. Wer bei »ou« einkauft, muss sich seine Behältnisse selbst mitbringen. Was so modern anmutet, ist tatsächlich nichts anderes als ein kaufmännisches »Back to the roots«. Unsere Urgroßeltern und Großeltern kauften wie selbstverständlich »um die Ecke ein« und vor allem auch jeden Tag. Es gab in der Regel keine Kühlschränke und die Mobilität war längst nicht so groß wie heute. Der Einkauf bei Tante Emma oder dem Kolonialwarenhändler war also zwangsläufig und erfolgte nicht deshalb, weil unsere Großeltern ökologisch vernünftiger dachten als wir.

Ökologisch korrekt aus Not

Dabei waren die Ansprüche, wenn man denn über das nötige Kleingeld verfügte, vor hundert Jahren gar nicht so gering. Wir halten uns ja für besonders weltläufig. Exotische Produkte waren allerdings bereits vor damals sehr beliebt. Beim Kolonialwarenhändler wurden sie »original unverpackt« ausgewogen und an die Kunden gegeben. Keine doppelt eingeschweißte Wurst. Nicht aufwendig bedruckte Plastikorgien bestimmten das Bild. Sondern nüchterne Papiertüten. Und die wurden natürlich selbstverständlich öfter wiederverwendet. Ganz ohne weltanschaulichen Hintergrund. Plastik gab’s nicht. Also auch keinen Verpackungsmüll. Ich erinnere mich, dass mein Vater, wenn er früher von der Arbeit kam, sein Butterbrotpapier noch einmal sorgfältig auseinander strich und am nächsten Tag wieder benutzte. Eine Mentalität, die sich aus den alten Gewohnheiten speiste. Heute erschreckt man, was sich täglich im gelben Sack tummelt.

Eine Idee nimmt Gestalt an

Milena Glimbovski und Sara Wolf wollten dem etwas entgegensetzen. Und bei einem »weinseligen Abend«, wie es auf der Internetseite heißt (wann sonst?), wurde das Projekt, unverpackt einkaufen zu können, angegangen. Im Moment sind im Berliner Mutterschiff 400 Produkte erhältlich und die Idee versucht, sich fortzupflanzen. 45.000 User finden sie bei Facebook gut – Kulinarisch38 natürlich auch – und von der Hauptstadt aus wird das unverpackte Einkaufen inzwischen sogar als Franchisekonzept angeboten. Nach einem eintätigen Seminar kann’s losgehen. Und, was zeigt, dass die beiden Gründerinnen Sinn fürs Praktische. Es gibt kein »Ganz oder gar nicht« in der ou-Philosophie. Für den Zwischenschritt gibt’s zudem Module, die wenigstens Verpackung zu vermeiden suchen. Was schade ist: Infos bekam Kulinarisch38 auf Nachfrage nicht. Gern hätten wir erfahren, ob sich das Modell als alltagstauglich erweist oder nur Attraktion ist. Oder wie’s mit dem Gründen genau geht. Dass das potenziellen Franchisenehmern ebenso ergeht, wenn sie sich nach den Modalitäten erkundigen, möchte man nicht hoffen. Zu wünschen wäre es jedenfalls, wenn sich solche ein Projekt auch in der Kulinarisch38-Region etablieren könnte. Ob nun huckepack mit den Berlinern oder selbstständig. Hier gibt's mehr Informationen zu original unverpackt.