Altes Mälzerei-Gelände archäologisch untersucht

Nicht nur Erkenntnisse über das Peine im Mittelalter kamen zu Tage. Auch das Skandaljahr der Tour de France - 1904 - spielt eine Rolle.

Einer der archäologischen Suchschnitte mit dem deutlichem Geländeabfall der ehemaligen Kiesgrube nach Norden. Im Hintergrund die Rückseite des Peiner Bahnhofs.
Einer der archäologischen Suchschnitte mit dem deutlichem Geländeabfall der ehemaligen Kiesgrube nach Norden. Im Hintergrund die Rückseite des Peiner Bahnhofs. | Foto: Th. Budde

Peine. Die KerVita-Gruppe mit Zentrale in Hamburg erwarb vor 2020 das Langkopf-Mälzerei-Gelände. Nach dem Abriss der alten Mälzerei wurde Thomas Budde von der "Archäologie Peiner Land" mit archäologischen Voruntersuchungen beauftragt. In einer von der Stadt Peine übermittelten Pressemeldung berichtet Budde nun von den Ergebnissen.



Um die archäologische Erwartung zu klären, wurde ein Netz von zwei Meter breiten Baggersuchschnitten von insgesamt zirka 300 Metern Länge über das ausgedehnte, durch den Mälzereiabbriss zerklüftete Gelände zwischen Braunschweiger und Neuer Straße gelegt.

Das mittelalterliche Peine war größer


Es habe sich hier erneut gezeigt, dass das mittelalterliche Peine nicht an der Südgrenze der Peiner Altstadt endete. Als bisher südlichstes Zeugnis der Töpfer-Vorstadt Gröpern wurde nämlich gegenüber dem Bahnhof eine ausgedehnte Abwurfhalde der mittelalterlichen Töpfereien entdeckt. Sie war durch pechschwarzes, holzkohlehaltiges Erdreich geprägt, wie es typisch für die spätmittelalterlichen Töpfereien im Südosten der Altstadt ist.

Ausschnitt aus der Flurkarte H. F. Deichmans von 1787 mit dem „Sackpfeifenteich“ (roter Pfeil).  Norden ist links. Auf dem heutigen Friedrich-Ebert-Platz, dem ehemaligen Ziegenmarkt, gab es damals eine noch größere Sandgrube. Stadtarchivleiter Andreas Kulhawy hat den Schriftzug „Sackpfeifenteich“ auf der Deichmann-Karte identifiziert und das Repro zur Verfügung gestellt.
Ausschnitt aus der Flurkarte H. F. Deichmans von 1787 mit dem „Sackpfeifenteich“ (roter Pfeil). Norden ist links. Auf dem heutigen Friedrich-Ebert-Platz, dem ehemaligen Ziegenmarkt, gab es damals eine noch größere Sandgrube. Stadtarchivleiter Andreas Kulhawy hat den Schriftzug „Sackpfeifenteich“ auf der Deichmann-Karte identifiziert und das Repro zur Verfügung gestellt. Foto: Stadtarchiv Peine.


Durch die Grabungen von 2008 (City-Galerie) und 2014 (Ausbau Schützen- und Glockenstraße) konnten bereits größere Teile dieser einst bedeutenden Töpfereien untersucht werden. Im Erdreich verteilt fanden sich auch in der nun entdeckten Halde Kermikscherben von grauer Irdenware und frühem Steinzeug, Töpfertonreste und weitere Überreste der Produktion. Die Fläche macht maximal 1.000 Quadratmeter auf dem Baugelände aus. KerVita wollte sie präventiv durch Budde untersuchen lassen, soweit vom Bau betroffen, ist nun aber aus dem Projekt ausgestiegen. Wie es weitergeht, sei derzeit noch nicht bekannt, so Budde.

Ältester Nachweis einer Kiesgrube


Bei den Baggerarbeiten zeigte sich, dass die Töpfereihalde in einer Senke liegt, die hangartig steil nach Norden zum Bahnhof abfällt. Hanggefälle sei ohnehin gegeben, da man sich hier auf dem westlichen Ausläufer des „Sackpfeifenberges“ befinde. Aber der Steilabfall lasse sich nur durch früheren Sand- und Kiesabbau erklären, der den Funden zufolge schon im späten Mittelalter begonnen haben muss. "Es handelt sich somit um den ältesten Nachweis einer Kiesgrube weit und breit", ist sich Thomas Budde sicher.

In der Peiner Altstadt wurde schon im Mittelalter viel Sand gebraucht, um den teils moorigen Untergrund aufzufüllen. Auch nach den vielen Stadtbränden wurde nachweislich immer wieder Sand beziehungsweise Kies auf dem planierten Brandschutt angefüllt, berichtet der Archäologe. Da habe es nahe gelegen, sich am Nordhang des Sackpfeifenbergs direkt südöstlich der Stadt zu bedienen. Recherchen ergaben, dass diese Kiesgrube 1787 auf der im Stadtarchiv aufbewahrten Flurkarte von H. F. Deichmann noch eingetragen ist. Da sie als „Sackpfeifenteich“ bezeichnet ist, muss sie im 18. Jahrhundert mit nachsickerndem Grundwasser gefüllt gewesen sein. Im 19. Jahrhundert muss sie zugeschüttet worden sein.

Der größere Teil der Suchschnitte sei jedoch archäologisch unauffällig gewesen oder modern gestört durch die Mälzereianlagen. Die Besiedlung begann frühestens im 18. Jahrhundert. Hier könne daher frei gebaut werden.

Ein kurioser Einzelfund


Es bleibe aber noch ein kurioser Einzelfund aus der Nähe der Neuen Straße zu erwähnen, so Budde: Eine kunstvoll geprägte Messingplakette mit der Aufschrift „1904. MAX KRUGER. 13 Rue Jules-Cesar Paris“. Es handelt sich um eine Fahrradmarke, die ehemals angebracht war vorn auf dem Steuerrohr zwischen Lenker und Gabel. In der Rue Jules-Cesar 13 in Paris muss es demnach 1904 einen Fahrradhändler oder Hersteller gegeben haben.

Die gefundene Fahrradplakette aus Paris von 1904.
Die gefundene Fahrradplakette aus Paris von 1904. Foto: Th. Budde


1904 ging als Skandaljahr in die Geschichte der Tour de France ein. Sie war durch schwere Ausschreitungen geprägt. Viele Fahrer, darunter die vier Bestplatzierten, wurden gesperrt, da sie Streckenteile mit der Bahn oder im Automobil zurückgelegt hatten. Wie nun diese Plakette nach Peine gelangt sein könnte, und wer Max Kruger war, ließ sich bisher nicht klären. An der besagten Adresse befindet sich heute, in einem recht alten Gebäude, das „Hotel de Marceau Bastille“. Eine E-Mail an dieses Hotel sei unbeantwortet geblieben.


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