Nach Bluttat in Idar-Oberstein: Tankstellenmitarbeiter über die Gefahr im Job

In Idar-Oberstein wurde ein 20-Jähriger Tankstellenmitarbeiter ermordet, nachdem er einen Kunden auf die Maskenpflicht hinwies. Der Vorfall beschäftigt auch Tankstellenkräfte in unserer Region.

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Symbolbild | Foto: Anke Donner

Region. Am vergangenen Samstag ereignete sich im rheinland-pfälzischen Idar-Oberstein eine Bluttat, die die Republik erschütterte. Ein 20-jähriger Student, der an einer Tankstelle jobbte, wies einen 49-Jährigen auf die Maskenpflicht hin. Dieser kehrte wenige Stunden später zum Ort des Geschehens zurück und richtete den jungen Kassierer mit einem Kopfschuss hin. Auch in unserer Region beschäftigt Tankstellenmitarbeiter dieser Vorfall. Die Corona-Regeln durchsetzen wollen sie aber trotzdem.


Viel Zeit für Gespräche haben die Mitarbeiter nicht. Einige seien sogar instruiert worden, generell nicht mit der Presse zu sprechen. Insgesamt fünf Mitarbeiter aus allen Teilen der Region waren bereit, uns über ihre Gedanken nach der Tat zu berichten. Damit die Mitarbeiter offen sprechen können, sicherte regionalHeute.de ihnen Anonymität zu.

Von gewalttätigen Übergriffen wusste bei den angefragten Tankstellen keiner zu berichten, auch aus fremden Schichten nicht. "Gefahr hat man immer. Das gehört einfach dazu", erzählt uns eine Tankstellenmitarbeiterin aus Braunschweig. Ein Mitarbeiter einer anderen Tankstelle führt aus: "Ja, natürlich überlegt man sich einmal mehr, ob man die Kunden bittet, die Masken aufzusetzen. Es ist schon ein mulmiges Gefühl."

"Es wird am laufenden Band diskutiert"


Eine weitere Gemeinsamkeit aus allen fünf Interviews ist eine allgemeine Frustration aus eineinhalb Jahren Pandemie, auch weil viele provozieren würden. "Es wird am laufenden Band diskutiert. Ich hatte einen - wir Mitarbeiter stehen ja ohne Maske hinter der Scheibe - der kam rein mit Maske und zog die einfach runter. Ich wies ihn darauf hin, dass er bitte seine Maske aufsetzt und er sagte: 'Nö' und verwies darauf, dass ja beide hinter der Scheibe stehen", erzählt eine Tankstellenkraft aus dem Landkreis Goslar und ergänzt: "Das mag ja richtig sein, aber es geht ja auch um die nachfolgenden Kunden. Es wird am laufenden Band diskutiert. Gott sei Dank wurde noch keiner gewalttätig, hoffentlich erleben wir das auch nicht."

"Wir schaffen auch noch den Rest"


Eine Braunschweiger Mitarbeiterin ist müde von den vielen Ausreden: "Viele behaupten dann einfach, sie hätten eine Befreiung. Ich hab auch mal den Spruch gehört: 'lassen Sie mich mit Ihren Sharia-Methoden in Ruhe', der war schon sehr aggressiv. Nur wegen der Maske. Es ist anstrengend geworden, die Regeln durchzusetzen." Die Regeln schleifen zu lassen, komme für die Braunschweigerin aber nicht infrage: "Wir haben es jetzt eineinhalb Jahre geschafft, wir schaffen auch noch den Rest!" Ein Mitarbeiter aus Braunschweig fasst zusammen: "Es gibt bestimmte Gruppen in unserer Bevölkerung, die sich aus den Regeln nicht so viel machen. Die meisten sind aber verständig." Für ihn, so erzählt er abschließend, sei die Tat in Idar-Oberstein als Einzelfall zu werten.

"Eine Tat wie diese ist mit nichts zu rechtfertigen"


Häufig sind Tankstellenmitarbeiter völlig allein in ihren Shops. So war es auch im Fall des 20-Jährigen, der in Idar-Oberstein hingerichtet wurde. Verschiedenen Medienberichten zufolge wollte der mutmaßliche Täter ein "Zeichen setzen", da ihn die Pandemie stark belaste. Tankstellenbetreiber Aral zeigt sich in einem Statement gegenüber regionalHeute.de bestürzt: "Eine Tat wie diese ist mit nichts zu rechtfertigen", weiter heißt es: "Wir haben unsere tiefe Betroffenheit zum Ausdruck gebracht und unserer Tankstellenpartnerin in Idar-Oberstein unsere Hilfe und Unterstützung angeboten. Patrick Wendeler, unser Aral Vorstand, war auch bei ihr vor Ort. Die Rückmeldungen, die uns aus dem Kreis unserer Tankstellenunternehmerinnen und -unternehmer erreichen, sind geprägt von tiefer Anteilnahme und Beileids- und Solidaritätsbekundungen." Ähnlich äußert sich Tamoil, die beispielsweise die HEM-Tankstellen betreiben: "Es ist kaum vorstellbar, dass Menschen aus Unzufriedenheit mit den Corona-Auflagen ihre Mitmenschen ermorden und so macht die sinnlose Rohheit und Gewalt dieser Tat fassungslos. Das Personal an unseren Tankstellen wird bundesweit seit Jahren für kritische Situationen geschult. Dabei steht der Schutz von Mensch und Gesundheit immer an vorderster Stelle."

Was tun, wenn die Lage eskaliert?


Auch Aral erklärt, dass körperliche Auseinandersetzungen rund um die Corona-Regeln die absolute Ausnahme seien: "Das Tankstellenpersonal ist darin geschult und daran gewöhnt, individuell auf Kunden einzugehen. Natürlich haben sich die Corona-Maßnahmen auch auf das Verhalten einiger Kunden ausgewirkt und es gibt immer mal wieder Meldungen über Diskussionen rund um diese Regeln." Doch welche Möglichkeiten haben die Mitarbeiter, wenn eine Situation außer Kontrolle gerät?

Ob sich aus dem konkreten Fall in Idar-Oberstein neue Sicherheitsvorkehrungen ableiten lassen, könne Aral zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht sagen. Zunächst seien die polizeilichen Ermittlungen abzuwarten, um den genauen Tathergang zu verstehen. "Erst dann können wir gegebenenfalls mit unseren selbstständigen Tankstellenbetreibern weitere Sicherheitsmaßnahmen daraus ableiten."

Sicherheit in den Vordergrund stellen


Aral biete seinen Tankstellenpartnern regelmäßige Sicherheits- und Deeskalationstrainings an und stelle Verhaltenstipps für schwierige Situationen zur Verfügung. In Bezug auf die Maskenpflicht gelte grundsätzlich: "Wir stehen hinter unseren Tankstellenpartnern, die auf die Einhaltung der Maskenpflicht entsprechend der vor Ort jeweils geltenden gesetzlichen Regelungen und auf Grundlage ihres Hausrechts zum Schutz vor Covid-19 hinwirken." Dies erfolge beispielsweise durch Aushänge an der Tankstelle, eine freundliche Ansprache von Kunden, die keine Maske tragen, oder das Angebot an den Kunden, die Ware über den Nachtschalter an ihn zu verkaufen. "Dabei sollte vom Tankstellenpartner stets die konkrete Lage vor Ort berücksichtigt werden. Vor diesem Hintergrund empfehlen wir, in kritischen Situationen zu deeskalieren und die eigene Sicherheit immer in den Vordergrund zu stellen", so die Aral-Sprecherin weiter. Ob weitere Sicherheitsvorkehrungen für die Mitarbeiter vorliegen, verraten Tamoil und Aral nicht. Auch aus Sicherheitsgründen, wie es von Tamoil abschließend heißt.


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