Pendlerpauschale in der Kritik: Wem würde die Abschaffung nutzen?

Oft wird der Klimaschutz als Argument gegen die Entfernungspauschale bei der Steuererklärung herangeführt. Doch es gibt deutlichen Widerspruch.

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Symbolbild | Foto: pixabay

Deutschland. Verschiedene Organisationen, darunter federführend der WWF Deutschland, die Klima-Allianz Deutschland und der Deutsche Caritasverband sowie das Umweltbundesamt, fordern in der politischen Diskussion die Streichung der Pendlerpauschale. Sie halten die steuerliche Entfernungspauschale für umweltschädlich, weil sie lange Arbeitswege fördere und ökologische Fehlanreize setze. Diese Behauptungen seien wissenschaftlich nicht haltbar, wie eine Studie zeige, heißt es in einer Pressemeldung der Lohnsteuerhilfe Bayern e.V..



Die Höhe der Entfernungspauschale beeinflusse das Pendelverhalten von Arbeitnehmern kaum. Für die Wahl von Wohnort und Arbeitsplatz seien andere Faktoren ausschlaggebend. Politiker und Arbeitgeber sollten hier ansetzen, so die Lohnsteuerhilfe.

Wie funktioniert die Entfernungspauschale?


Die Entfernungspauschale, umgangssprachlich Pendlerpauschale genannt, ist eine steuerliche Vergünstigung für die Fahrtkosten zur Arbeit. Dafür multiplizieren Arbeitnehmer die einfache Entfernung zwischen Wohn- und Arbeitsstätte mit den Kilometersätzen. Dieser beträgt für die ersten 20 Kilometer 30 Cent pro Kilometer. Ab dem 21. Kilometer steigt er auf 38 Cent pro Kilometer. Das Interessante daran ist, dass die Pauschale unabhängig vom Verkehrsmittel gewährt wird. Sie gilt für Fußgänger und Radfahrer gleichermaßen. „Auch wird nicht nur der Individualverkehr damit steuerlich gefördert, sondern auch die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel“, betont die Lohnsteuerhilfe Bayern.

Die tatsächlichen Kosten für den Arbeitsweg decke die Entfernungspauschale nicht ab. Zum einen werde sie gewährt, auch wenn der Arbeitsweg keine Kosten verursacht hat. Zum anderen würden die höheren Kosten für Autofahrer bei weitem nicht ersetzt. Diese Arbeitnehmer zahlten aufgrund der CO2-Abgabe sehr hohe Kraftstoffpreise, um zur Arbeit zu kommen. Zudem seien die Nutzungskosten für ein Auto laut Statistischem Bundesamt über die Jahre stark gestiegen. Auch E-Autos seien keine günstige Variante. Eine Besonderheit gebe es für Nutzer öffentlicher Verkehrsmittel. Übersteigen die Ticketkosten die Pauschale, können die Mehraufwendungen für das Kalenderjahr als Werbungskosten angesetzt werden.

Welche Faktoren beeinflussen die Arbeitsplatzwahl?


Dass Erwerbstätige aufgrund der Entfernungspauschale längere Wegstrecken zur Arbeit in Kauf nehmen oder vom Arbeitsort wegziehen würden, würden Prof. Dr. Hechtner, und andere in der Veröffentlichung „Untersuchung der ökonomischen Wirkung der Entfernungspauschale auf das Pendelverhalten von Steuerpflichtigen“ widerlegen. Die empirische Studie, warum Arbeitnehmer pendeln, komme zu dem Ergebnis, dass die Entfernungspauschale keinen signifikanten Einfluss auf den Standort der Wohnung oder Arbeitsstätte hat. Wegen der geringfügigen steuerlichen Kompensation wechselt man seinen Arbeitsplatz nicht.

Für einen Arbeitsplatzwechsel seien Faktoren wie eine Unzufriedenheit mit dem aktuellen Job oder ein größeres Gehaltsplus ausschlaggebend. Überwiegend würden Arbeitgeber in Wohnortnähe gesucht, da die meisten Arbeitnehmer aufgrund des finanziellen und Zeitaufwands das Pendeln scheuten. Mehr Freizeit und eine bessere Work-Life-Balance ziehen hier mehr. Lange Pendelstrecken nehmen zumeist hoch dotierte und besser bezahlte Fachkräfte in Kauf. Sie würden selten in Wohnortnähe einen entsprechend qualifizierten Arbeitsplatz finden und hätten erst gar nicht die Auswahl.

Hohe Mietpreise treiben in ländliche Regionen


Bewohner von ländlichen Gebieten müssten in der Regel pendeln, da sich entsprechende Arbeitgeber oft nicht in der Nähe befinden. Gerade diese Angestellten seien auf ihr Auto angewiesen, unabhängig davon, ob der Wagen steuerlich gefördert wird oder nicht. Öffentliche Verkehrsmittel stünden häufig nicht als Alternative zur Verfügung, da entweder die Taktung zu weit auseinanderliegt, die Fahrzeiten nicht zu den Arbeitszeiten passten oder es überhaupt keine Infrastruktur gebe.

Trotz der Abhängigkeit vom Auto seien immer mehr Menschen gezwungen, in ländliche Regionen zu ziehen, weil in den Städten akuter Wohnraummangel herrsche und die Mieten unerschwinglich hoch seien. Eine effektive Mietpreispolitik könnte dieser Tatsache entgegenwirken und damit die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel ermöglichen, so die Lohnsteuerhilfe.

Umweltfreundliche Alternative Homeoffice


Eine steuerliche Alternative zur Entfernungspauschale stelle die Homeoffice-Pauschale dar. Sie wird gewährt, wenn Angestellte von zu Hause aus arbeiten. Durch den entfallenen Weg zur Arbeit schonen im Homeoffice Arbeitende die Umwelt. Mit der 6-Euro-Tagespauschale sind sie Arbeitnehmer mit einem Arbeitsweg von 20 Kilometern an 210 Arbeitstagen gleichgestellt. In diesem Fall betragen die Entfernungs- und die Homeoffice-Pauschale jeweils 1.260 Euro.

Jedoch liege das oft nicht in der Hand des Angestellten, denn viele Arbeitgeber gewährten inzwischen kein Homeoffice mehr. Die Errungenschaft aus Corona-Zeiten sei von vielen Firmen rückgängig gemacht worden. An dieser Stelle seien die Unternehmen gefordert, zum Klimaschutz beizutragen.

Berechtigung der Entfernungspauschale


"Die Entfernungspauschale ist keine Subvention derjenigen Angestellten, die auf ein Auto angewiesen sind, um zur Arbeit zu kommen. Eine Abschaffung der Pendlerpauschale würde keinen nennenswerten Effekt auf das Klima haben. Sie würde dem Staat nur auf Kosten der Berufstätigen und insbesondere der ländlichen Bevölkerung höhere Steuergelder bescheren“, erklärt Tobias Gerauer, Vorstand der Lohnsteuerhilfe Bayern.

Steuerlich subventioniert würden lediglich Angestellte mit einem Jobticket und Fahrgemeinschaften. Personen, die ein vergünstigtes Jobticket nutzen und steuerliche Vorteile bekommen, werden doppelt belohnt. Das umweltfreundliche Verhalten durch Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln sei jedoch schon vorhanden. Auch Fahrgemeinschaften tragen zum Klimaschutz bei, wenn sich mehrere Angestellte für die Fahrt zur Arbeit zusammenschließen. Die Mitfahrer werden mit der Entfernungspauschale steuerlich belohnt, obwohl ihnen keine Kosten entstanden sind. Wechseln sich alle Beteiligten reihum beim Fahren ab, profitierten alle steuerlich.

Widerspruch zum geltenden Leistungsprinzip


„Eine ersatzlose Abschaffung der Entfernungspauschale würde zudem im Widerspruch zum geltenden Leistungsprinzip und Steuerrecht stehen“, so Gerauer weiter. Denn andernfalls würde Einkommen, das Arbeitnehmern aufgrund von beruflichen Ausgaben nicht zur Verfügung steht, besteuert werden. Berufsbedingte Aufwendungen müssen also steuerlich abziehbar bleiben, so das Fazit der Lohnsteuerhilfe.

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