Pfarrer soll Amt niederlegen - Bischof bleibt bei seiner Bitte

Im Bistum nimmt man den Protest der Stadtgesellschaft wahr. Ändern tut dies aber nichts. Für Eggers sei es ohnehin Zeit zu gehen.

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Der katholische Pfarrer Matthias Eggers ist beim Bischof in Ungnade gefallen.
Der katholische Pfarrer Matthias Eggers ist beim Bischof in Ungnade gefallen. | Foto: Werner Heise

Wolfenbüttel/Hildesheim. Bischof Heiner Wilmer hält an seiner Bitte an Pfarrer Matthias Eggers, dieser möge freiwillig auf sein Amt verzichten, weiter fest. Daran ändern auch die Solidaritätsbekundungen aus Wolfenbüttel nichts. Das Bistum wird abwarten, wie sich Eggers entscheidet und dann weitersehen.



Wie das Bistum Hildesheim im Gespräch mit regionalHeute.de bestätigt, hat es am 23. Mai ein Personalgespräch zwischen Pfarrer Eggers und Bischof Wilmer gegeben. Anwesend seien auch der Personalchef sowie der zuständige Priesterreferent des Bistums gewesen. In dem Gespräch sei Eggers gebeten worden, auf seine Aufgabe als Pfarrer freiwillig zu verzichten, um zukünftig als Priester und Seelsorger ohne Leitungsamt wirken zu können. Das Personalgespräch sei bereits vor dem brisanten Interview mit der Hildesheimer Zeitung anberaumt worden und sollte Eggers Weigerung, Weihbischof Heinz-Günter Bongartz in Wolfenbüttel Firmungen vollziehen zu lassen, zum Thema haben. Eggers wirft dem ehemaligen Personalverantwortlichen Bongartz vor, nicht alles getan zu haben, was hätte getan werden können und müssen, die Taten des auch in Wolfenbüttel und der Region tätigen pädophilen und pädosexuell veranlagten Pfarrers Georg M. aufzuklären.

Nicht das erste Personalgespräch


Das Personalgespräch sei nicht das erste mit Eggers zu diesem Thema sowie einem Amtswechsel gewesen. Die Personalabteilung des Bistums habe in den vergangenen Jahren mehrfach mit ihm darüber gesprochen. "Leider ohne dass es zu einer Lösung gekommen ist", sagt Bistumssprecher Volker Bauerfeld. Laut ihm würden Pfarrer normalerweise nach zehn bis zwölf Jahren einen Wechsel vornehmen. Eggers ist seit 2006 in Wolfenbüttel. "Insofern ist ein Wechsel ohnehin überfällig", so Bauerfeld. Weder gesundheitliche Gründe noch ein bevorstehender Ruhestand stünden dem entgegen.

Und nun das Interview mit der Hildesheimer Zeitung. Darin greift der Wolfenbütteler Pfarrer Matthias Eggers das Bistum Hildesheim und seinen Bischof Heiner Wilmer direkt an. Er wirft ihnen vor, dass der Wille zur schonungslosen Aufklärung und Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche weithin nirgends wirklich vorhanden sei. "Es gibt überall viele schöne Worte, aber immer nur so viele Taten, bis die Öffentlichkeit das Interesse verliert. Aufklärung wird in der Regel nur vorangetrieben, wenn Druck vorhanden ist – entweder durch Betroffene oder die Öffentlichkeit", sagte Eggers gegenüber der Hildesheimer Zeitung. Zwar fand Eggers es sehr ermutigend, wie klar Heiner Wilmer gleich zu Beginn seiner Amtszeit über die Pflicht zur Aufarbeitung gesprochen habe, doch im Laufe der Jahre habe er feststellen müssen, dass die Ankündigung des Bischofs, "jeden Stein umdrehen" zu wollen, offensichtlich nicht mehr gelte. "Da wurde eine verbale Fassade errichtet, die nun der Realität nicht mehr standhält. Meine innere Not und Verzweiflung über dieses Unterlassen bringt mich dazu, meine Haltung öffentlich zu machen", sagte Eggers.

Matthias Eggers gab der Hildesheimer Zeitung ein Interview das einschlug.
Matthias Eggers gab der Hildesheimer Zeitung ein Interview das einschlug. Foto: Werner Heise


"Nicht der Sache dienlich"


Worte, die im Bistum Hildesheim nicht gut ankamen. Eggers Aussagen im Interview seien sehr stark pauschalisierend sowie undifferenziert in der Kritik und den Behauptungen gewesen, meint Bistumssprecher Bauerfeld. Gleich an mehreren Stellen würde Pfarrer Eggers keine Belege für seine Aussagen liefern. "Das macht es schwierig und das dient der Sache nicht", so Bauerfeld. Das Bistum Hildesheim sei in der Aufarbeitung sexualisierter Gewalt noch nicht am Ende und dies werde auch noch ein langer Weg sein. Dies bestreite niemand im Bistum Hildesheim. Fakt sei aber auch, dass das Bistum in den Jahren 2017 und 2021 zwei große externe Aufarbeitungsstudien veröffentlicht habe und sich eine große dritte Studie derzeit in der Ausschreibung befinde. Diese solle auch den Blick in die Gegenwart richten und mit Zwischenberichten daherkommen.

"Ist es nicht hilfreicher, wenn Sie versuchen, Ihre Kritik intern anzubringen?", wird Eggers in dem im Fokus stehenden Interview der Hildesheimer Allgemeinen gefragt. "Ja, grundsätzlich haben Sie völlig recht. Aber was soll man tun, wenn man auf verschlossene Türen stößt, beziehungsweise alles wie in Watte gepolstert verschwindet und Fragen, Interventionen und Meldungen eher ignoriert oder wegmoderiert werden und man eher beschuldigt als unterstützt wird. Es stellt sich die Frage, ab wann man sich mitschuldig macht, wenn man den Schein und die gefährlichen Lügengebäude mit aufrechterhält", antwortet er. Pater Hans Zollner, der Leiter des Instituts für Safeguarding und Kinderschutz im Vatikan, habe ihm bereits vor fast drei Jahren geraten, den Weg zur Presse zu suchen. Besagter Pater hat die Päpstliche Kinderschutzkommission nach internen Problemen mit deutlichen Worten Anfang 2023 verlassen.

"Selbstverständlich hat die Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt für das Bistum Hildesheim eine hohe Priorität", verdeutlicht Volker Bauerfeld. "Wenn Pfarrer Eggers Kritik vorbringt, dann bitten wir sehr darum, dass die sachlich ist, dass auch Belege für Behauptungen geliefert werden. Und nicht in einer undifferenzierten Art und Weise pauschal hier eine Schelte über Medien betrieben wird. Das führt in der Sache nicht weiter", so der Bistumssprecher. "Pfarrer Eggers kennt alle Fakten und ist seit mehreren Jahren mit den handelnden Personen, die im Bistum Hildesheim für die Aufarbeitung, Prävention und Intervention von sexualisierter Gewalt zuständig sind, im Gespräch. Er weiß sehr genau, wie die Dinge hier liegen", führt Bauerfeld fort.

Vor der Kirche hatten die Ministranten Plakate aufgestellt und die unmissverständliche Aufklärung von Missbrauch in der katholischen Kirche gefordert.
Vor der Kirche hatten die Ministranten Plakate aufgestellt und die unmissverständliche Aufklärung von Missbrauch in der katholischen Kirche gefordert. Foto: Werner Heise


"Hör auf mit der Pauschalkritik!"


2012 habe das Bistum Hildesheim die Stelle einer Präventionsbeauftragten geschaffen und die Einrichtung eines flächendeckenden Netzwerkes zur Prävention von sexualisierter Gewalt in Pfarrgemeinden und kirchlichen Einrichtungen im Bistum begonnen. Heute habe man eine ganze Stabsabteilung mit fünf Vollzeitstellen und vier Teilzeitstellen, die sich mit allen Fragen im Kontext von Aufarbeitung, Intervention und Prävention von sexualisierter Gewalt auseinandersetzen. "Das heißt, von 2012 bis heute sind massiv personelle Ressourcen geschaffen worden, um einen professionellen angemessenen Umgang mit sexualisierter Gewalt in Bezug auf Intervention, Prävention und Aufarbeitung zu gewährleisten", hebt Bauerfeld hervor.

"Deswegen ist es schlicht unfair, wenn Pfarrer Eggers sich derart undifferenziert in dem Interview äußert. Das führt dann natürlich auch dazu, dass es zu einer solchen Empörung irgendwo auch kommt, die sich jetzt aktuell äußert. Aber da können wir nur die Bitte auch an Pfarrer Eggers geben: 'Bitte äußere dich differenziert und hör auf mit der Pauschalkritik, so geht es nämlich nicht. Das dient nicht der sachlichen Auseinandersetzung bei diesem wichtigen Thema'", so der Bistumssprecher.

Man habe in Hildesheim sehr wohl die Solidaritätsbekundungen mit Pfarrer Eggers wahrgenommen. Auch den Offenen Brief des Wolfenbütteler Bürgermeisters Ivica Lukanic. Hierzu sagt Bauerfeld: "Der Bürgermeister ist herzlich eingeladen, sich mit unseren Fachleuten aus der Stabsabteilung Prävention, Intervention und Aufarbeitung zu treffen, sich zu informieren, was im Bistum Hildesheim im Kontext der Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt alles getan wird. Wo die Herausforderungen für die Zukunft liegen und wo auch die Dinge sind, die noch angegangen werden müssen."

Bistum will abwarten


Mit der Pfarrgemeinde wolle man ganz klar ins Gespräch gehen und dies auch müssen. Allerdings wolle man zunächst abwarten, wie sich Pfarrer Matthias Eggers auf die Bitte des Bischofs, das Amt niederzulegen, verhält. An alle Beteiligten richtet der Bistumssprecher die herzliche Bitte "verbal abzurüsten, Pauschalkritik einzustellen und auf die Fakten zu schauen." Auf der Internetseite der zuvor genannten Stabsabteilung sei das hochkomplexe Thema der sexualisierten Gewalt in der Kirche öffentlich dokumentiert.

Am Sonntagvormittag kamen Hunderte Menschen unterschiedlichster Glaubensrichtungen in der Wolfenbütteler St. Petruskirche zusammen, um ein Zeichen zu setzen und sich hinter Pfarrer Eggers zu stellen. An die 70 ehemalige und aktive Ministranten versammelten sich, forderten "das Schweigen zu brechen" und kündigten an "Wenn Matthias geht, dann geh'n wir auch!" Eggers selbst ergriff vor Eintritt in den Gottesdienst in der brechend gefüllten Petruskirche das Wort. Er verwies darauf, dass es nicht um ihn als Person gehe, sondern die Gesellschaft ein Wir braucht, das hinhört.

Eggers denkt über Rückzug nach


"Wie schwierig ist es für ein Kind, die Wahrheit zu sagen? Wie schwierig ist es für einen Erwachsenen Menschen die Wahrheit zu sagen? Wie schwierig ist es gegenüber einem Bistum, einem Bischof die Wahrheit zu sagen?", stellte Eggers fragend in den Raum und gab zu verstehen, dass es für ihn sehr, sehr schwierig gewesen sei, die Wahrheit zu sagen. Mit dieser starken Reaktion des Bischofs habe er nicht gerechnet, doch er verstehe ihn. "Er muss ein starkes Zeichen setzen", so Eggers. "Ich möchte mich auch bei ihm entschuldigen, weil ich ihn als Person nie verletzen wollte. Aber ich wollte, musste und werde auch klar sein", fuhr er fort. Eggers sei mit sich selbst die ganze Zeit im Frieden. Seiner Ansicht nach sei es wichtig, jetzt gelassen zu bleiben. Fast 20 Jahre sei er nun schon Pfarrer, eine lange Zeit, und so habe auch Eggers sich schon gefragt, wann es denn Zeit zu gehen sei. Noch habe er sich nicht entschieden, gab er zu verstehen, machte Andeutung eventuell auch ein mögliches Amtsenthebungsverfahren aussitzen zu wollen. Ob es dazu wirklich kommen würde, ließ Bistumssprecher Bauerfeld offen.

Die Ministranten der St. Petruskirche solidarisierten sich mit ihrem Pfarrer.
Die Ministranten der St. Petruskirche solidarisierten sich mit ihrem Pfarrer. Foto: Jakob Sacha


Matthias Eggers scheint zumindest in beide Richtungen zu denken. Seinen Unterstützern rief er am Sonntag zu: "Die Gemeinde ist lebendig und stark, sie hängt nicht am Kleriker. Auch wenn ich nicht mehr hier bin, hat diese Gemeinde, diese Pfarrei, eine gute Zukunft." Der Bischof könne ein bisschen stolz sein, dass es in seinem Bistum so viele kritische Betroffene gebe. Das hänge nämlich mit dem Bischof selbst zusammen. Genau wie die Tatsache, dass Eggers sich traue offen zu reden. Und er erinnerte den Bischof an dessen eigenen Klappentext zu einem Buch, den er verfasst haben soll: "Der Mensch ist ein Aufständischer, er ist ein Rebell, sonst ist er nicht er selbst."


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