Niedersachsen. Die Anzahl der politisch motivierten Straftaten in Niedersachsen ist nach Rückgängen in den beiden Vorjahren auf 7.633 Taten im Jahr 2024 deutlich angestiegen. Diese Zahl stellt einen Höchstwert im Zehnjahresvergleich dar. Ein maßgeblicher Grund für den Anstieg sei die Europawahl, in deren Zusammenhang allein 1.305 Straftaten standen. Im Vorjahr 2023 hatte es in Niedersachsen keine überregionalen Wahlen gegeben. Das berichtet das Niedersächsische Innenministerium in einer Pressemitteilung.
Im Bereich der Politisch motivierten Kriminalität (PMK) „rechts“ sind die Taten von 2.552 auf 3.643 deutlich angestiegen und bilden wieder den größten Anteil aller PMK-Delikte. Bei weit über der Hälfte der Taten handelt es sich um Propagandadelikte durch das öffentliche Zeigen beziehungsweise Aufbringen von verbotenen Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen, wie beispielsweise Hakenkreuze und SS-Runen.
88 rechte Gewaltdelikte
Die Zahl der rechtsmotivierten Gewaltdelikte ist im Jahr 2024 von 66 Taten auf 88 angestiegen. Unter den 88 Gewaltdelikten befinden sich ein versuchter Totschlag, 52 einfache, 23 gefährliche Körperverletzungen und zwei schwere Körperverletzungen. Die fremdenfeindlichen Straftaten sind mit 1.685 zu 1.351 Taten aus dem Vorjahr angestiegen. In 1.362 Fällen sind diese aus einer rechten Tatmotivation begangen worden.
Linke Straftaten verdoppelt
Die Anzahl der Straftaten der PMK „links“ hat sich 2024 im Vergleich zum Vorjahr mit 1.159 mehr als verdoppelt. Nahezu ein Drittel der Straftaten stehen in einem Zusammenhang mit der Europawahl, insbesondere in Form von Sachbeschädigungen an und Diebstählen von Wahlkampfmitteln. Die linksmotivierten Gewalttaten bilden den größten Anteil in der Gewaltkriminalität insgesamt. Zahlreiche Gewalttaten wurden dabei im Zusammenhang mit Demonstrationen begangen. Die Gesamtzahlen bilden im Zehn-Jahresvergleich den dritthöchsten Wert.
Alle Fälle, die nicht unmittelbar einem spezifischen Phänomenbereich zugeordnet werden können, werden unter „sonstige Zuordnung“ in der PMK Statistik erfasst. Das sind häufig auch Taten von Reichsbürgern oder sogenannten Selbstverwaltern. Die Anzahl der Straftaten im Bereich der PMK „sonstige Zuordnung“, also der Delikte, die politisch motiviert, aber keinem spezifischen Phänomen zuzuordnen waren, ist im Jahr 2024 mit 2.266 Taten sehr deutlich angestiegen (2023: 1.515). Das entspricht dem zweithöchsten Anteil nach der PMK „rechts“ in der Gesamt-PMK.
Reichsbürger und Selbstverwalter
Eine Auffälligkeit bildet auch weiterhin das Phänomen der selbsternannten Reichsbürger und Selbstverwalter. Die Anzahl der Straftaten in diesem Bereich hat sich um 81 verringert, sie liegt jetzt bei 95 (2023: 176). Dabei hat es sich häufig um Beleidigungen (16), Volksverhetzungen (15) und Bedrohungen (15) gehandelt; es waren aber auch 12 Gewaltdelikte zu verzeichnen.
„Ausländische“ und „religiöse Ideologie“
Für den Bereich der ausländischen Ideologie sind die Taten von 449 aus dem Vorjahr auf 436 Taten leicht gesunken. Die Taten lassen sich zumeist einer israel- oder judenfeindlichen beziehungsweise pro-palästinensisch geleiteten Ausrichtung zuordnen.
Im Bereich der religiösen Ideologie hat die Bedrohung durch den islamistisch geprägten Extremismus / Terrorismus weiterhin eine herausragende Bedeutung. Die Anzahl der in diesem Zusammenhang registrierten Straften ist im Vergleich zum Vorjahr von 106 auf 129 angestiegen. Die in Niedersachsen erfassten terroristischen Straftaten sind in fünf Fällen aus einer religiösen Tatmotivation begangen worden und in drei aus einer ausländischen Ideologie. Im Zehn-Jahresvergleich liegt mit 8 Taten ein Tiefstand im einstelligen Bereich vor. Ein terroristisches Anschlagsgeschehen ist nicht eingetreten.
Spionage-Fälle verdoppelt
Eine aufwachsende Erscheinungsform sind auch Straftaten, bei denen ein Zusammenhang mit dem Themenfeld der Hybriden Bedrohung anzunehmen ist (25, Vorjahr: 23). Dahinter stehen Drohnensichtungen, Sachbeschädigungen, aber auch drei Branddelikte. Im Bereich der Spionage hat sich die Fallzahl mit 18 im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt. In 14 Fällen handelt es sich um Drohnenflüge, die den Tatbestand eines Verstoßes gegen das Luftverkehrsgesetz erfüllten.
Die Polizei Niedersachsen stellt sich auf diese neuen Erscheinungsformen ein und setzt das Personal sowohl im Landeskriminalamt Niedersachsen (LKA) als auch bei den Fachkommissariaten Staatsschutz in den Polizeidirektionen zielgerichtet mit neuem Aufgabenzuschnitt auch zur Bekämpfung hybrider Bedrohungslagen ein. Aktuell erarbeitet ferner eine Expertengruppe weitere konzeptionelle Grundlagen für die Bekämpfung hybrider Angriffe.
Links bei Gewalttaten vorn
Die Anzahl der Gewaltstraftaten der Politisch motivierten Kriminalität ist im vergangenen Jahr auf 333 (2023: 204) angestiegen und liegt damit über dem Zehn-Jahresmittelwert von 265. Den größten Anteil bilden dabei 121 Gewaltstraftaten mit einer linken Tatmotivation (2023: 38), gefolgt von 88 Gewaltdelikten (2023: 66) mit einer rechten Tatmotivation. Im Bereich „Sonstige Zuordnung“ sind die Gewaltdelikte von 78 im Vorjahr auf 84 für 2024 ebenso angestiegen.
Die Anzahl antisemitischer Straftaten als Teil der Hasskriminalität ist von 423 Taten im Vorjahr auf 403 gesunken. Davon sind 285 rechtsmotiviert, gefolgt von 69 Taten mit ausländischer Ideologie.
Straftaten gegen Amts- und Mandatsträger
Die Straftaten gegen Amts- und Mandatsträger sind von 666 auf 489 im Vergleich zum Vorjahr zurück gegangen. Davon waren 90 rechts- und 55 linksmotiviert. 342 Fälle fielen in den Bereich sonstige Zuordnung.
Bei der Hasskriminalität im Bereich der LSBTIQ, frauen- und männerfeindlichen Straftaten, wurden im Jahr 2024 insgesamt 236 Fälle erfasst. 2023 waren es 233, das Niveau bleibt also nahezu gleich. Die meisten Taten fallen in den Bereich der sonstigen Zuordnung, gefolgt von rechtmotivierten Taten.