Salzgitter/Berlin. Am vergangenen Sonntag kam es im Rahmen einer Demonstration im Berliner Stadtteil Wedding zu einem umstrittenen Polizeieinsatz gegen den Salzgitteraner Bundestagsabgeordneten Cem Ince (Die Linke). Die Demonstration stand unter dem Motto „Geld für den Kiez – statt Waffen für den Krieg“ und richtete sich gegen die geplante Waffenproduktion durch Rheinmetall in Berlin. Am Dienstagabend äußerte sich Ince zu den Vorfällen.
Ince hatte am Sonntag den Fall via Instagram öffentlich gemacht und erklärte in seinem Post, dass er bei der Demonstration trotz Kennzeichnung als parlamentarischer Beobachter von der Polizei gewaltsam festgenommen worden sei. Dabei sei er mehrfach ins Gesicht und auf den Kopf geschlagen und in ein Polizeifahrzeug gebracht worden.
Verfahren eingeleitet
Die Berliner Polizei bestätigte auf Nachfrage von regionalHeute.de die Festnahme. Sie sei im Rahmen der nicht angezeigten Versammlung aufgrund eines tätlichen Angriffs auf einen Polizeibeamten erfolgt. Der Abgeordnete soll laut Polizei mehrfach in Richtung und gegen den Kopf des Beamten geschlagen haben. Infolge dessen sei er unter Anwendung unmittelbaren Zwangs von Einsatzkräften festgenommen worden. Nachdem seine Identität festgestellt worden war, wurde er aus den polizeilichen Maßnahmen entlassen. Die Polizei teilte mit, dass gegen Cem Ince ein Strafverfahren wegen tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte eingeleitet worden sei. Dieses Verfahren ruhe jedoch derzeit, bis der Deutsche Bundestag über die Aufhebung seiner Immunität entschieden habe – ein Schritt, der von der Staatsanwaltschaft beantragt werden muss.
"Parlamentarischer Beobachter“ kein rechtlicher Status
Die Polizei betonte zudem, dass die Bezeichnung „parlamentarischer Beobachter“ keinen rechtlichen Status habe. Sie sei eine politisch gewählte, jedoch gesetzlich nicht geregelte Bezeichnung, die weder im Versammlungsfreiheitsgesetz Berlin noch in anderen einschlägigen Rechtsnormen verankert sei. Zwar könnten Bundestags- oder Landtagsabgeordnete im Rahmen ihrer Kontrollfunktion Demonstrationen beobachten, jedoch dürften sie nicht aktiv in polizeiliche Maßnahmen eingreifen oder sich auf Sonderrechte berufen. Ihnen werde, ebenso wie Medienvertretern, Zugang zu bestimmten Bereichen eingeräumt, jedoch keine Eingriffsbefugnis in das Einsatzgeschehen gewährt.
Ince widerspricht Darstellung
Cem Ince widerspricht dieser Darstellung entschieden. In einer am Dienstagabend veröffentlichten Pressemitteilung schildert er den Vorfall aus seiner Sicht als einen Fall massiver Polizeigewalt. Während er gemeinsam mit zwei weiteren Abgeordneten die Demonstration beobachtete, sei er von einem Polizeibeamten ohne Vorwarnung ins Gesicht geschlagen worden. "Ich habe eine Oberlippenprellung davongetragen und leide seitdem unter starken Nacken- und Rückenschmerzen", so Ince.
Anschließend hätten ihn mehrere Einsatzkräfte an der Kapuze gepackt, gewaltsam zu Boden gedrückt, in ein Polizeifahrzeug gezerrt und dabei weitere Schläge gegen Gesicht und Kopf ausgeführt. Dabei sei er durchgängig als parlamentarischer Beobachter erkennbar gewesen – sowohl optisch durch die Warnweste als auch verbal durch seine wiederholte Selbstidentifikation. Auch Umstehende hätten die Polizei auf seinen Abgeordnetenstatus hingewiesen, was jedoch unbeachtet geblieben sei. Ince erklärt, dass er Anzeige erstattet habe.
Ince fordert Aufklärung
"Von der Berliner Innensenatorin Iris Spranger erwarte ich die umfassende Aufklärung dieses Geschehens bei einer friedlichen Demonstration. Dieses Vorgehen – sowohl gegen demokratisch gewählte Abgeordnete, die ihr Mandat als parlamentarische Beobachterinnen und Beobachter ausüben, aber auch gegen friedliche Demonstrationsteilnehmende – ist inakzeptabel. Ich sorge mich um das Demonstrationsrecht in Deutschland. Es muss mit aller Kraft geschützt werden", so Ince abschließend in seiner Pressemeldung.