Praxissterben in Niedersachsen: Ärzte warnen vor Notstand

Ist die ärztliche Versorgung gefährdet? Trotz des hohen Bedarfs gibt es in Niedersachsen aktuell zahlreiche freie Stellen - und die lassen sich kaum besetzen.

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Symbolfoto. | Foto: Pixabay

Region. Niedersachsen steht vor einer Herausforderung: Immer mehr Arztpraxen schließen, und es fehlen sowohl nachrückende Ärztinnen und Ärzte als auch Medizinisches Fachpersonal. Droht dem Bundesland ein Zusammenbruch der ambulanten medizinischen Versorgung? Diese Frage wurde am gestrigen Donnerstag auf einem Symposium der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen (KVN) im Alten Rathaus in Hannover intensiv diskutiert. In einer Pressemitteilung fasst die KVN das Problem zusammen.



Ist die ärztliche Versorgung gefährdet? Die Prognosen seien besorgniserregend. Dr. Eckart Lummert, Vorsitzender der Vertreterversammlung der KVN, machte auf die besorgniserregende demografische Entwicklung aufmerksam: Das Durchschnittsalter der 16.885 Mitglieder der KVN liegt bei 54,6 Jahren, was bedeutet, dass viele Ärztinnen und Ärzte in den nächsten Jahren in den Ruhestand gehen werden. Doch die Nachfolge steht auf der Kippe – es gibt zu wenige junge Mediziner. „Es mangelt nicht nur an Ärzten, sondern auch an Medizinischen Fachangestellten“, so Lummert. Die Gründe seien vor allem die geburtenschwachen Jahrgänge und die starren Zugangsvoraussetzungen zum Medizinstudium.

Bedarf und Herausforderung: Haus- und Fachärzte


Trotz des Bedarfs gibt es in Niedersachsen aktuell zahlreiche freie Stellen. 549 Hausärzte, 154 Fachärzte und 5 Psychotherapeuten könnten sich derzeit niederlassen. Doch nicht überall ist dies möglich: In 24 von 105 Planungsbereichen für die hausärztliche Versorgung sind bereits alle Plätze vergeben. Besonders in den Regionen Salzgitter (24 freie Stellen), Wolfsburg (18 freie Stellen), Papenburg (17,5 freie Stellen), Syke (17,5 freie Stellen) und Buxtehude (16 freie Stellen) besteht ein erheblicher Bedarf an Hausärzten.

Der Fachärztemarkt zeigt ähnliche Defizite, insbesondere in den Bereichen Augenheilkunde, HNO, Dermatologie, Kinder- und Jugendmedizin sowie Psychotherapie. Die Zahlen belegen den dringenden Bedarf an spezialisierten Ärzten, der jedoch nicht vollständig gedeckt wird.

Der Kampf gegen den demografischen Wandel


Der demografische Wandel macht sich nicht nur bei den Ärzten bemerkbar, sondern auch bei den Patienten: Der Anteil älterer Menschen steigt, und mit dem Alter nimmt auch die Häufigkeit von Krankheiten zu. „Die Bürokratie hat mittlerweile ein erschreckendes Ausmaß erreicht und frisst wertvolle Patientenzeit“, so Lummert weiter. Laut KVN verbringen niedergelassene Ärzte jährlich durchschnittlich 61 Arbeitstage mit Verwaltungstätigkeiten. Diese bürokratische Belastung bremst die eigentliche medizinische Arbeit und führt zu weiterem Stress.

Moderne Lösungen für die Zukunft


Angesichts der drohenden Versorgungsengpässe müssen neue Wege gefunden werden. Auf dem Symposium wurden daher fünf zukunftsweisende Modelle aus Niedersachsen vorgestellt, die innovative Lösungsansätze bieten. Volker Eissing aus Papenburg präsentierte das Konzept der „Physician Assistants“, um Landarztpraxen zu entlasten. Klaus-Achim Ehlers berichtete von einem erfolgreichen Ärztehaus-Modell in Gifhorn, während Tanja Gerlach die sogenannte „Avatar-Praxis“ in Scheeßel vorstellte – ein innovatives, digital gestütztes Praxisformat. Weitere Beispiele für regionale Versorgungszentren und Primärversorgungszentren zeigten auf, wie Kooperationen und moderne Technologie zur Entlastung der Praxen beitragen können.

Politik gefordert: Mehr Medizinstudienplätze dringend nötig


KVN-Vize Thorsten Schmidt nutzte die Gelegenheit, die Landespolitik zu drängen: „Niedersachsen benötigt jährlich 470 zusätzliche Medizinstudienplätze. Diese Lücke muss dringend geschlossen werden, damit wir auch in Zukunft gut versorgt sind.“ Ohne eine Erweiterung der Studienplätze werde die medizinische Versorgung weiter unter Druck geraten.

Der Appell an die Bevölkerung


Abschließend appellierte Lummert an die Bürgerinnen und Bürger: „Wir müssen unsere Erwartungshaltung an die medizinische Versorgung überdenken. Ärztinnen und Ärzte sowie medizinisches Personal leisten heute bereits Großartiges, und wir müssen anerkennen, dass nicht alles sofort und auf Knopfdruck möglich ist.“ Es sei an der Zeit, die Wertschätzung für die Fachkräfte zu erhöhen und den Druck auf sie zu verringern.


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