Querdenker kommen nach Braunschweig - Mehrere hundert Teilnehmer erwartet

In Wolfenbüttel und in Braunschweig landeten Flyer für die Veranstaltung in Briefkästen - Man beruft sich auf die vermeintlich hohe Fehlerquote der PCR-Tests zum Nachweis des Coronavirus. Wer sind die Braunschweiger "Querdenker"?

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Anders als bei den Kundgebungen gegen die Corona-Maßnahmmen wie hier im Frühjahr auf dem Schlossplatz rechnet die Polizei mit mehreren hundert Teilnehmern.
Anders als bei den Kundgebungen gegen die Corona-Maßnahmmen wie hier im Frühjahr auf dem Schlossplatz rechnet die Polizei mit mehreren hundert Teilnehmern. | Foto: Alexander Dontscheff

Braunschweig. Am 25. Oktober kam es in Berlin bei einer Demonstration mit rund 2.000 Menschen gegen die Corona-Maßnahmen zu massiven Verstößen gegen die Auflagen zum Infektionsschutz. Die Polizei untersagte den Demonstrationszug schließlich. Ein Wolfenbütteler Bürger hatte nun einen Flyer der Bewegung "Querdenken 53 - Braunschweig" im Briefkasten, der am 31. Oktober um 12:30 Uhr zu einer Demonstration vom Schlossplatz aus durch die Braunschweiger Innenstadt aufruft. Auch in Braunschweig landeten ähnliche Flugzettel in Briefkästen. Über die Ziele der Demonstration sagt der Flyer wenig aus. Er beruft sich jedoch auf die mit 98,6 Prozent aus Sicht der Ausrichter "mangelhafte" Zuverlässigkeit der zum Nachweis des Coronavirus verwendeten PCR-Tests. Was ist dran?



Mit dabei ist auch das Who-is-Who der deutschen Anti-Corona-Bewegung. So verspricht der Flyer beispielsweise eine Videoschalte mit Bodo Schiffmann, Gründer der Bewegung "Widerstand2020", die sich explizit gegen die Corona-Maßnahmen der Regierung richtet. Dabei begnügt Schiffmann sich nicht mit einer wissenschaftlichen Aufarbeitung möglicher falsch-positiver Corona-Testergebnisse, die der Flyer ja als Hauptargument für angebrachte Skepsis an den Corona-Zahlen des RKI anführt. Auf einer Demonstration erklärte er einmal, dass die Bilder möglicher Corona-Toter in Italien, die in Särgen von der Armee abtransportiert worden sind, wahlweise inszeniert oder auf ein Schiffsunglück in Lampedusa zurückzuführen seien.


Wie falsch sind PCR-Tests?


Die Angaben auf dem Flyer stimmen. Die Genauigkeit der zum Nachweis des Coronavirus verwendeten PCR-Tests liegt bei 98,6 Prozent. Dies ergab eine Untersuchung der medizinischen Fachgesellschaft Instand e.V. Diese Fehlerquote würde unter 1.000.000 Abstrichen zu rund 14.000 Fehlern führen. Tatsächlich werden in einer Woche in Deutschland derzeit rund eine Million Corona-Tests durchgeführt. Heißt das also, dass etwa 2.000 Neuinfektionen pro Tag falsch sind?

Dieser Flyer landete in einem Wolfenbütteler Briefkasten.
Dieser Flyer landete in einem Wolfenbütteler Briefkasten. Foto: Privat



Richtig ist, dass es nicht "den einen" PCR-Test gibt. Die Abstriche der Corona-Verdächtigen werden in Labore eingeschickt. Diese werten die Proben dann mit Tests von verschiedenen Herstellern aus, die jeweils unterschiedliche Gensequenzen in der vorhandenen Probe nachweisen. Die verschiedenen Gensequenzen lassen sich unterschiedlich genau nachweisen, im Falle eines positiven Testergebnisses wird deshalb nach Empfehlung des RKI noch auf eine weitere Gensequenz getestet, um das Ergebnis abzusichern. Dieses Vorgehen nennt sich "Dual-Target" und soll bei unklaren Ergebnissen Sicherheit liefern. Aufgrund dieses Verfahrens lasse sich die Fehlerquote falsch-positiver Tests auf 0,01 Prozent reduzieren, wie Hendrik Borucki, Leiter des Laborverbundes Bioscientia dem Rechercheverbund "Correctiv" erklärte. Weiterhin spiele die sogenannte "Vortestwahrscheinlichkeit" eine Rolle, die im Grunde besagt, dass millionenfache Reihentestungen bei ausschließlich gesunden Menschen die Zahl falsch-positiver aufgrund der Fehlerwahrscheinlichkeit unnötig erhöhen, wenn kein medizinischer Anhaltspunkt für eine Testung besteht. Bei der Zunahme der Fallzahlen müsste richtigerweise jedoch auch die Wahrscheinlichkeit falsch-negativer Testergebnisse in Betracht gezogen werden, die nach Ansicht von Experten deutlich höher liegt.

Wer sind die "Querdenker" in Braunschweig und Umgebung?


Leitsatz der Bewegung "Querdenken-35" seien laut Website die "ersten 20 Artikel unserer Verfassung". Die Hauptforderung der Querdenker sei die Aufhebung der Einschränkungen durch die Corona-Verordnung. Man distanziere sich sowohl von Links- als auch Rechtsextremismus, von jeglicher Gewalt und stehe auf dem Boden der demokratischen Grundordnung. Diese Statements scheinen auch notwendig angesichts der immer wieder auftauchenden Reichsflaggen in den Corona-Demonstrationszügen der Querdenker wie beispielsweise in Berlin.

Die Website verlinkt jedoch auch auf Gruppen im Kurznachrichtendienst "Telegram", in denen die Mitglieder für jedermann mit einer Handynummer einsehbar Informationen austauschen. Während einige Nachrichten aufgrund der "gewaltfreien Grundsätze" gelöscht sind, fallen insbesondere die Reaktionen der Corona-Gegner aus dem Braunschweiger Land zur Corona-Infektion des Bundesgesundheitsministers Jens Spahn auf. "Jetzt wird's lustig", so der erste Kommentar eines Mitglieds. "Spahn Corona? Ich hätte eher auf HIV getippt", schreibt jemand anderes. Spott und Häme durchziehen den Chat. Ein weiteres Mitglied schreibt: "Ich finde, dass er vor ein Gericht gestellt werden sollte (...) das Strafmaß, für das ich plädieren würde, ist lebenslanger Freiheitsentzug." Tricks und Kniffe zur Maskenbefreiung werden ausgetauscht, nachweisliche Falschnachrichten toter Kinder geteilt, die angeblich aufgrund ihrer Maske gestorben seien. Viel diskutiert werden auch Flashmobs, bei denen sich Gruppen von Menschen gesammelt die Maske in Bussen und Bahnen abnehmen und natürlich die Legitimität des Doktortitels vom Charité-Virologen Christian Drosten. Man distanziert sich jedoch, anders als in anderen Ortsgruppen, recht deutlich vom Verschwörungstheoretiker Attila Hildmann. Über alledem schwebt jedoch der psychologische Effekt des "Bestätigungsfehlers" - man teilt nur Nachrichten, die die eigene Position bestätigen. Ein gutes Beispiel liefert hier die "Modellrechnung", die Bundeskanzlerin Angela Merkel Ende September aufstellte. Sie hielt 19.200 Neuinfektionen pro Tag bis Jahresende möglich. Eine "Luftnummer", wie der Fernsehsender N-TV in einem Kommentar titelte, der ebenfalls in der Gruppe geteilt wurde. Sicherlich beruhte ihre vereinfachte Modellrechnung auf Extremwerten. Die Zahl der tatsächlichen gemeldeten Neuinfektionen überholte das Merkel-Szenario jedoch bereits Anfang Oktober - um das Doppelte.

Mehrere hundert Teilnehmer erwartet


Auf Anfrage von regionalHeute.de, ob Braunschweig nun ähnlich wie in Berlin mit hunderten Menschen dicht an dicht rechnen muss, äußert sich die Polizei Braunschweig zurückhaltend. Die Polizei gewährleiste das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit und sei hierfür mit einem "angemessenen Kräfteaufgebot" vor Ort, so Polizeisprecher Dirk Oppermann. Vor dem Hintergrund der Corona-Situation komme den einzuhaltenden Bedingungen zum Gesundheitsschutz aller Teilnehmenden, aber auch der Allgemeinheit, ein besonderer Stellenwert zu. Oppermann kündigt an, dass die Polizei die Einhaltung der von der Versammlungsbehörde verfügten Auflagen und Beschränkungen sicherstellen werden. Man rechne mit mehreren hundert Teilnehmern.

Gegenkundgebung bereits angekündigt


Unter dem Motto "Gerade denken, für die Gesundheit und das Leben! Gegen Verschwörungstheorien und Nazis" hat das Bündnis gegen Rechts Braunschweig für den 31. Oktober eine Kundgebung auf dem Fritz-Bauer-Platz angemeldet. Hintergrund der Demonstration seien die Erfahrungen mit bisherigen Veranstaltungen der Bewegung, dass diese auch ein "Anziehungspunkt für Antisemiten, Reichsbürger und Neonazis" sei und dort "Infektionsschutzregeln bewusst missachtet" werden, was die Gesundheit aller gefährde.


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