Aktionstag am 9. Juni: Blöde Anmache ist kein Kompliment

Hierzu sind in Salzgitter zwei Aktionen geplant: Eine Kundgebung auf dem Rathausvorplatz sowie eine Autorinnenlesung in der Stadtbibliothek.

Symbolfoto.
Symbolfoto. | Foto: Pixabay

Salzgitter. Pfeif- oder Kussgeräusche, anhupende Autos im Vorbeifahren, aufdringliche Blicke, anzügliche Sprüche auf offener Straße. Dies sind Beispiele für Konfrontationen, die Frauen und Mädchen in Salzgitter im vergangenen Jahr aushalten mussten. Die älteste Mitte 50, die jüngste 10 Jahre. Dies teilt die Stadt in einer Pressemitteilung mit und macht auf einen Aktionstag am 9. Juni aufmerksam.



„All dies wird unter der scheinbar recht niedliche Bezeichnung 'Catcalling' zusammengefasst. Sie beschreibt das als lästig empfundene Geschrei von Katern. Darunter werden alle verschiedenen Arten der sexuellen Belästigung ohne Körperkontakt im öffentlichen Raum zusammengefasst, die überwiegend von Männer durchgeführt werden und sich überwiegend an (vor allem jüngere) Frauen richten“, erläutert Lara Duwe, Vorsitzende des Jugendparlaments.

„Es sorgt dafür, dass Frauen und Mädchen beginnen Bereiche im öffentlichen Raum zu meiden und sich nicht mehr unbefangen in der Öffentlichkeit bewegen“, so Duwe weiter. „Die Betroffenen in Salzgitter berichteten“, ergänzt Simone Semmler, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Salzgitter und Initiatorin des nationalen Anti-Catcall Tages #keinKompliment, „dass sie nun Umwege laufen, mehr Tage im Homeoffice verbringen, weil die Belästigungen auf dem Weg von und zur Arbeit stattfinden, abends nicht mehr allein das Haus verlassen und schlicht Angst haben.“ Dass das nicht hinnehmbar ist, da sind sich beide einig.

Es brauche eindeutige Gesetze


Diese aufgedrängte Form der Sexualität sei derzeit zwar noch kein eigener Straftatbestand beziehungsweise keine Ordnungswidrigkeit, aber es handele sich zweifellos um ausgeübte Form von Gewalt und müsste nach Artikel 40 Istanbul-Konvention auch in Deutschland geahndet werden.

„Wir brauchen Gesetze, damit dieses Verhalten als unzumutbarer Übergriff gebrandmarkt wird und irgendwann auch geahndet werden kann“, so Semmler. Um Sensibilität dafür zu schaffen, sollen die diversen Catcalling-Verhaltensweisen öffentlich gemacht werden, an den Orten, an denen Catcalling geschieht. Das haben sich verschiedene Akteurinnen, die Gleichstellungsbüros aus mehr als 50 Kommunen und Kreisen bundesweit, am 2. Aktionstag vorgenommen. Ein Jahr lang konnten Betroffene ihre Vorfälle melden, die an diesem Tag mit Kreide im öffentlichen Raum sichtbar gemacht werden. (Immer der 2. Freitag im Juni, bis die Gesetze geschaffen worden sind).

Hier in Salzgitter laden das Jugendparlament und die Gleichstellungsbeauftragte Salzgitters auf den Rathausvorplatz in Lebenstedt am Freitag, 9. Juni, ab 17 Uhr zu einer Kundgebung ein, die von Anlina Ludwig musikalisch begleitet wird.

Kein Kavaliersdelikt


„Catcalling ist Sexuelle Belästigung und somit #keinKompliment, denn es reduziert Betroffene auf ihre scheinbare sexuelle 'Verfügbarkeit'. Dagegen Stellung zu beziehen und ein Zeichen zu setzen ist wichtig und notwendig. So soll nicht nur die Sensibilität für das Thema erhöht werden, sondern auch Betroffene und Zeuginnen und Zeugen sollen in ihrer Zivilcourage gestärkt werden“, erläutert Semmler weiter.

Denn es tröstet es wenig, dass Betroffene damit nicht allein sind: 44 Prozent der Frauen, aber auch 32 Prozent der Männer erleben in Deutschland Situationen, in denen sexistische Zeichen und Übergriffe an sie adressiert sind. „Der gutmeinende Hinweis mancher Männer 'Nimm’s doch als Kompliment', führt nicht weiter, denn sexuelle Belästigung ist nun einmal #keinKompliment“, so Simone Semmler, „Es ist nicht hinnehmbar, dass die Frauen und Mädchen in dieser Stadt und bundesweit sich wir Freiwild behandelt fühlen.“

Autorinnenlesung in der Stadtbibliothek Lebenstedt


Im Anschluss an die Kundgebung ist eine Autorinnenlesung in der Stadtbibliothek Lebenstedt geplant: Am Freitag, 9. Juni, um 18 Uhr liest die Autorin, Aktivistin und Kulturwissenschaftlerin Hannah Klümper aus ihren Buch „Catcalls – auch Worte sind Belästigung“.

Die Lesung wird in die Stadtbibliothek Lebenstedt und online übertragen. Der Zugangslink wird zeitnah unter www.Salzgitter.de/keinkompliment zu finden sein.

Zum Buch:
»Geiler Arsch!« oder »Du hast ja gar keine Titten!« sind nur zwei von unendlich vielen dummen Sprüchen, die sich Mädchen, Frauen und diversgeschlechtliche Menschen in Deutschland und aller Welt ständig anhören müssen. Einfach so, öffentlich. Die Leute gucken, ein paar schütteln den Kopf, keiner sagt was. Catcalling nennt man das. Oft bleibt bei den Betroffenen ein Gefühl von Scham, Schuld und Angst zurück: Hab ich was falsch gemacht? War es nur ein Kompliment? Wie kann ich mich wehren? Die Chalk-Back-Bewegung hat eine klare Antwort: nicht mehr schweigen oder wegschauen! Weltweit gibt es über 280 Gruppen, 119 davon in Deutschland. Aktivist:innen schreiben die Catcalls mit Kreide auf die Straße – genau dort, wo sie passiert sind, und machen sie auch auf Instagram sichtbar.


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