Salzgitter. Das am heutigen Freitag veröffentlichte Bundeslagebild „Häusliche Gewalt 2024“ des Bundeskriminalamtes erschüttert und alarmiert: die Gewalt gegen Frauen hat erneut zugenommen, auch in Salzgitter. Das geht aus einer Mitteilung der Stadt hervor.
Die kommunale Gleichstellungsbeauftragte Simone Semmler sagt dazu: „Auch in Salzgitter sind die Zahlen gestiegen, Gleichzeitig kann dies aber auch einen positiven Aspekt beinhalten: Die Betroffenen werden in ihrer Situation wahr und ernst genommen und was früher vielleicht als „privater Streit“ abgetan worden wäre, wird jetzt als das behandelt was es ist: Gewalt."
Gewalt gegen Frauen muss gesellschaftlich sichtbarer und geächtet werden
Das Bundeslagebild mache das systemische Ausmaß von Gewalt gegen Frauen – mit einem besonderen Fokus auf Partnerschaftsgewalt – einmal mehr deutlich. Die Ursache von Gewalt gegen Mädchen und Frauen liege, wie auch die Istanbul-Konvention aufzeigt, in einem ungleichen Machtverhältnis zwischen Frauen und Männern und traditionellen Rollenbildern. Das habe vielfältige Auswirkungen - unter anderem finanzielle Abhängigkeiten von Frauen gegenüber Partnern, die ein Lösen aus von Gewalt belasteten Beziehungen stark erschwert.
Mädchen und Frauen müssen endlich umfassend und nachhaltig vor Gewalt geschützt werden. Präventionsangebote müssen gezielt bei Jungen und Männern ansetzen.
519 Fälle in Salzgitter
„In Salzgitter wurden 519 Frauen Opfer häuslicher Gewalt damit sich das ändert, brauchen wir neben Schutz und Prävention besonders auch die vielen Männer, die respektvoll und gleichberechtigt mit Frauen umgehen, als Verbündete. Auch und gerade diese Männer dürfen nicht wegsehen. Es gibt so viele von diesen Männern, gerade sie könnten die Vorbilder für andere sein, die wir brauchen um diese Gesellschaft nachhaltig zu verändern.“ So Semmler. Gewalt gegen Frauen koste nicht nur die Betroffene Freiheit und Lebensqualität und im schlimmsten Fall das Leben, sondern sie koste den Staat jedes Jahr Milliarden Euro an Steuergeld.
Partnerschaftsgewalt ist Männergewalt
Geschlechtsspezifische Gewalt werde überproportional von Männern ausgeübt, insbesondere von Partnern oder Ex-Partnern. In Trennungs-oder Scheidungssituationen seien Frauen besonders gefährdet. Gewalttätiges Verhalten gegenüber Mädchen und Frauen werde zunehmend vielfach akzeptiert und als normal empfunden, zu diesem erschreckenden Ergebnis komme die Mitte-Studie 2024/2025 der Friedrich-Ebert-Stiftung. Schnelles Handeln sei geboten. Man brauche dringend geschlechtsspezifische Präventionsarbeit mit Jungen bereits im Kita-Alter und im Bereich der Schule. Und man brauche einen Ausbau der Täterarbeit, um Gewalt vorzubeugen und zu bekämpfen.
Istanbul- Konvention verpflichtet
Die Istanbul-Konvention verpflichtet Deutschland seit 2018, Mädchen und Frauen umfassend gegen Gewalt zu unterstützen und präventiv zu schützen. Sie muss endlich konsequent umgesetzt und mit ausreichenden Geldern hinterlegt werden, unter anderem für Schutzplätze, Beratungsstellen und insbesondere auch für den Bereich Prävention, wie die Täterarbeit. Hier ist Salzgitter auf einem guten Weg, der Aktionsplan zur Istanbul-Konvention wird Schritt für Schritt angegangen: Durch Ratsbeschluss wird aktuell eine Lösung für die fehlenden Frauenhausplätze gesucht und auch die Täterberatung bekommt einen Zuschuss der Stadt.
Nach der Verabschiedung des Gewalthilfegesetzes durch die ehemaligen Bundesregierung Anfang dieses Jahres muss es nun auf Länderebenen umfassend umgesetzt werden, damit eine tatsächliche Verbesserung im Zugang zu Schutz und Unterstützung für Gewalt betroffene Frauen – unabhängig ihres Wohnorts – Realität wird. Angesichts der dramatischen Zahlen muss unverzüglich gehandelt werden.
Das fordern die Gleichstellungsbeauftragten
Eine umfassende und intersektionale Umsetzung des Gewalthilfegesetzes auf den Landesebenen (einschließlich der Täterarbeit). Eine Anpassung des Asyl-und Aufenthaltsgesetzes für einen gleichberechtigten Zugang zu Schutz und Beratung für geflüchtete Frauen
Eine zeitnahe und vollumfängliche Umsetzung der 47 „Handlungsempfehlungen zur Prävention geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt“ mit ausreichender Bereitstellung von Geld und Personal, Anpassung des Rechtsrahmens im Bereich Sorge-und Umgangsrecht an die Vorgaben der Istanbul-Konvention: Häusliche Gewalt muss endlich angemessen bei Entscheidungen zu Sorge-und Umgangsrechten berücksichtigt und Kinder ausreichend vor Gewalt geschützt werden und eine Novellierung des Rechtsrahmens im Bereich digitale Gewalt: Erweiterung der Straftatbestände, um Betroffene von digitaler Gewalt umfassender zu schützen.

