Gegen die Angst vor Vereinsamung: Senioren schreiben Wünsche auf Stoffwimpel

Die 24 Wünsche der Senioren wurden auf Stoffwimpel geschrieben und an den Balkonen befestigt.

Die Wimpel wurden an den Balkonen aufgehängt.
Die Wimpel wurden an den Balkonen aufgehängt. | Foto: Rudolf Karliczek

Salzgitter. Am gestrigen Mittwoch fand eine gemeinsame Aktion des AWO-Seniorentreffs AWIRA, dem Seniorenheim GERAS und der TAG Wohnen statt. Das AWIRA Wohncafé hatte in Kooperation mit dem Geras-Heim, dass Garten an Garten zu der Senioren-Einrichtung liegt, 24 Wünsche von den Senioren auf Stoffwimpel schreiben lassen, wie es in einer Mitteilung der TAG Wohnen heißt.


„Mir fehlt die Umarmung von meinen Kindern und Enkeln.“ Oder: „Es machen plötzlich alle einen ganz großen Bogen um mich“, sind nur zwei Aussagen von älteren Menschen im Heim und in der TAG-Siedlung Fredenberg. „Das sind spontane und emotionale Sätze, die sehr bewegend sind“, stellt Stella Kaune, Ergotherapeutin im Geras Seniorenheim Fredenberg, fest. Die Leiterin des Seniorentreffs, Birgit Hülsenbeck, dazu: „Die praktische Umsetzung erfolgte in Wünsche, auf dreieckigen Fahnen geschrieben, die an den Balkonen des Seniorenheims als Wimpel aufgehängt wurden. Hintergrund ist, dass sinnbildlich auf diesem Weg die Hoffnungen und Wünsche vom Wind in die Welt getragen werden sollen. Alles geschieht im Glauben, dass die Botschaften dann auch in Erfüllung gehen.“

Weitere Botschaften auf den Wimpeln sind zum Beispiel auch "Wieder die Kinder umarmen", "Kontakt zur Außenwelt", "Gemeinsam essen", "Gemeinsam Spazierengehen", "Normalität soll wieder einkehren", "Gruppenangebote sollen wieder starten" oder auch "Freiheit für alle". Ganz interessant sei der Wunsch „Beerdigungen wieder feiern dürfen.“ Claudius Oleszak, TAG-Chef in Salzgitter: “Dahinter steckt eine tiefere Sehnsucht nach Normalität ganz anderer Art. Der Tod gehört zum Leben dazu und muss zwingend auch als Ritual im Rahmen der Normalität gepflegt werden dürfen.“

Bescheidene Wünsche



Alle Beteiligten wären sich einig gewesen: Hinter all dieser Wünsche und Hoffnungen stecke auch die Angst vor Vereinsamung. Selbst wenn allen bewusst sei, dass die verordneten kontaktbeschränkenden Maßnahmen der persönlichen Gesundheit dienen sollen, würden sie doch als sehr lebenseingreifend empfunden. Polizeikommissar Andrea Kelm, der sich die Botschaften vor Ort als zuständiger Quartiersbeamter bei der Präsentation ansehen gekommen war, habe dann auch kurz, aber treffend festgestellt: „Bei den Wünschen fällt mir auf, dass die der Seniorinnen und Senioren im Heim wesentlich bescheidener ausfallen als die der Besucherinnen und Besucher des Wohncafés.“ Kelm führt es letztlich darauf zurück, dass die Menschen im Heim sehr viel einschneidender Einschränkungen hinnehmen müssen, als die älteren Mieterinnen und Mieter, die noch selbstständig in ihren Wohnungen leben könnten.

Yvonne Beier, TAG-Managerin und als solche Kooperationspartnerin des AWIRA-Cafés vor Ort, bringe es auf den Punkt: „Man darf die Hoffnung nicht verlieren. Solche Aktionen haben für die Betroffenen auch eine sehr befreiende Wirkung. Man hat es aufgeschrieben, es wird von Dritten gelesen und – wer weiß – vielleicht trägt der Wind die vielen emotionalen Botschaften von Fredenberg in die Welt. Bessere Zeiten warten sicherlich irgendwo. Man darf in diesen Zeiten nicht auch noch die Hoffnung darauf verlieren“, fügt Beier nachdenklich hinzu.