Salzgitter. Am neuen Wasserstoffcampus Salzgitter starten gleich drei Projekte zur Nutzung von Wasserstoff. Dabei geht es um den Einsatz von Wasserstofftechnologien in Fertigungsprozessen, die Entwicklung von Stahltanks für Transport und Lagerung des Energieträgers sowie einen Innovationsverbund zum Aufbau eines Wasserstoffclusters für Salzgitter. Niedersachsen unterstützt die Projekte mit insgesamt 4,7 Millionen Euro aus dem Strukturhilfeprogramm des Landes für Salzgitter. Dies teilt das Niedersächsische Ministerium für Bundes- und Europaangelegenheiten und Regionale Entwicklung mit.
Am gestrigen Dienstag stellten Vertreter aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft in einer Videokonferenz die neuen Projekte vor: Niedersachsens Ministerin für Bundes- und Europaangelegenheiten, Birgit Honé, habe dabei von einem „echten Meilenstein“ für Salzgitter gesprochen. „Nach einem Jahr umfassender konzeptioneller und strategischer Planungen ist dies nun der Einstieg in die operative Arbeit“, sagte die Ministerin. Doch dies sei nur ein Anfang: „Die nächsten Projekte befinden sich bereits in der Vorbereitung“, kündigte Honé an. Dabei solle es um Sektorenkopplung, Mobilität und die Versorgung der Region mit grünem Wasserstoff gehen. Honé: „Wir wollen Niedersachsen zukunftsfest aufstellen. Deshalb ist uns an ganzheitlichen Projekten mit einer möglichst langen Wertschöpfungskette vor Ort gelegen. Salzgitter zeigt, wie das gelingen kann.“
Das sind die Projekte
Projekt „Innovationsverbund Wasserstoffcampus Salzgitter“
Das Projekt ziele auf die Ausgestaltung, kontinuierliche Entwicklung und Professionalisierung des Innovationsverbundes Wasserstoffcampus Salzgitter inklusive seiner Infrastruktur und seiner Angebote ab. Dies beinhalte auch die formelle Gründung des Wasserstoffcampus als rechtliche Einheit. Neben einer engen Vernetzung aller Akteure und Aktivitäten des Wasserstoffcampus gewährleiste das Projekt insbesondere den Wissens- und Technologietransfer von Erkenntnissen in die Industrie, Wissenschaft, Politik und Gesellschaft – zum Beispiel durch Qualifizierungsprogramme, Publikationen und anfassbare, interaktive Demonstratoren auf dem Gelände des Campus. Das Projekt bilde gleichzeitig die Klammer über alle weiteren Teilprojekte, die im Rahmen des Innovationsverbundes durchgeführt beziehungsweise künftig initiiert werden sollen. Das Projekt stelle außerdem die Weichen für einen dauerhaften Betrieb des Campus, unter anderem durch die anvisierte Einwerbung weiterer Fördermittel (Landes-, Bundes-, Europaebene) sowie durch die Entwicklung von Geschäftsmodellen, die kontinuierliche Einnahmen für den Campus ermöglichen sollen (zum Beispiel Beratung, Qualifizierung, Zertifizierung). Das Projekt ermögliche schließlich eine professionelle Öffentlichkeitsarbeit, sodass die Marke „Wasserstoffcampus Salzgitter“ als nationaler Leuchtturm im Bereich der Wasserstofftechnologien sichtbar sei und der Campus mittelfristig zu einem integralen Teil der deutschen Wasserstoffwirtschaft werden könne.
Teilprojekt „Fabriktransformation zur Dekarbonisierung der Wertschöpfung mit H2“
Der Einsatz von Wasserstofftechnologien im Fabriksystem sei ein wichtiger Baustein für die Dekarbonisierung der Industrie. Voraussetzung dafür sei ein detailliertes Verständnis der gesamten Wasserstoffwertschöpfungskette – von der Energieerzeugung über die Wasserstofferzeugung bis hin zur Anwendung in der Fabrik (zum Beispiel als Prozessmedium, Brennstoff, Treibstoff). Im Projekt solle eine allgemeine Planungssystematik zur Transformation bestehender Fabriken mit Wasserstoff entwickelt werden. Ein digitales Abbild der Fabrik solle dabei die Bewertung unterschiedlicher Gestaltungsszenarien erlauben, sodass Investitionen in Wasserstofftechnologien im Vorfeld ökonomisch wie ökologisch abgesichert werden. Die Integration von Wasserstofftechnologien im Fabriksystem werde dann am Beispiel der Robert Bosch Elektronik GmbH in Salzgitter real erprobt. Das Vorgehen solle leicht auf unterschiedliche Fabriken und Branchen übertragbar sein, beispielsweise auf weitere produzierende Unternehmen in der Region Salzgitter.
Teilprojekt „Oberflächenbehandlung zur Reduzierung der Wasserstoffdiffusion in Stahltanks“
Heute verbreitete Wasserstofftanks für mobile Anwendungen würden aus Faserverbundwerkstoffen hergestellt werden. Aufgrund der schlechten Ökobilanz von Faserverbundmaterialien (hoher Energieeinsatz in der Produktion, geringe Recyclebarkeit) versprechen mobile Wasserstofftanks aus hochfesten, recyclingfähigen Stählen ein großes Marktpotential. Eine Herausforderung für die Realisierung sei dabei die mögliche Wasserstoffversprödung höchstfester Stähle. Das Teilprojekt nehme sich dieser Herausforderung an. Zur Reduzierung der Wasserstoffdiffusion in Stahl werde ein gezieltes Oberflächendesign angestrebt. Das Fraunhofer Institut für Schicht- und Oberflächentechnik IST fokussiere sich dabei auf die Identifikation, Prüfung und Bewertung potenzieller Oberflächenbehandlungen. Dabei würden mechanische, physikalische und metallurgische Eigenschaften untersucht, um die Oberfläche gezielt zu verbessern. Die Salzgitter Mannesmann Forschung (SZMF) untersuche insbesondere die Wechselwirkungen zwischen dem Grundwerkstoff Stahl und dessen Oberfläche. Dafür werde eine Druckpermeationskammer aufgebaut, um ein Prüfverfahren zur Messung der Wasserstoffdurchdringung in Festkörpern zu etablieren.
Stimmen zu den Projekten
Salzgitters Oberbürgermeister Frank Klingebiel habe den Campus als „Leuchtturmprojekt für den industriellen Aufbruch in ein klimaschonendes Zeitalter“ bezeichnet, in dem Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Verwaltung Hand in Hand am Thema Wasserstoff arbeiteten. „Es ist unser gemeinsames Ziel, dass neue Arbeitsplätze entstehen und der Wirtschaftsstandort Salzgitter langfristig gesichert und gestärkt wird“, sagte Klingebiel.
Der Leiter des Fraunhofer-Instituts für Schicht- und Oberflächentechnik IST, Prof. Dr. Christoph Herrmann, sehe im Austausch eine große Stärke: „Im Wasserstoffcampus Salzgitter bündeln die Partner ihre Kompetenzen, um die industrielle Wasserstoffnutzung zu demonstrieren und marktfähige Lösungen für eine Dekarbonisierung zu entwickeln. Das Fraunhofer IST bringt insbesondere seine Expertise in der Entwicklung von Materialien und Prozessen für Elektrolyseure, Wasserstoffspeicher und Brennstoffzellen sowie in der ganzheitlichen Bewertung ein“, sagte Herrmann.
Die Bündnispartner verbinde eine enorme Motivation, sagte der Geschäftsführer der Robert Bosch Elektronik GmbH Salzgitter, Michael Gensicke. „Uns alle vereint die Handlungsbereitschaft in der Transformation hin zu einem CO2-neutralen Industriestandort. Ich erlebe, dass alle beteiligten Partner wertvolles Know-How einbringen und gewillt sind voranzugehen“, sagte Gensicke. Er sprach von einer „exzellenten Allianz“: „In der Region verbinden wir schlagkräftige Industrie mit innovativer Forschung“, sagte er. Zwar sei die Bosch-Gruppe bereits seit 2020 weltweit CO2-neutral, gleichwohl suche man nach Wegen zu noch mehr Effektivität: „Deshalb werden wir im Werk Salzgitter als Teilprojekt des Wasserstoff- Campus eine Art Blaupause zur Transformation einer mittelständischen Fabrik hin zur CO2- Neutralität entwickeln. Damit starten wir bereits jetzt“, sagte er.
Dr.-Ing Benedikt Ritterbach, Geschäftsführer Salzgitter Mannesmann Forschung GmbH, zeigte sich erfreut über die Förderung des gemeinsamen Projekts mit dem Fraunhofer-Institut für Schicht- und Oberflächentechnik IST: „Ziel unseres Projektes ist die Entwicklung einer Oberflächenbehandlung zur Reduzierung der Wasserstoffdiffusion in Stahltanks. Wasserstoff spielt eine zentrale Rolle bei der Dekarbonisierung der Industrie und in unserem Innovationsprojekt ‘SALCOS Salzgitter Low CO2-Steelmaking‘ für eine klimafreundliche Stahlerzeugung. Die sichere Produktion, Speicherung, Weiterleitung und Verwendung von Wasserstoff sind deshalb mitentscheidend für das Gelingen von Klimaschutz und Energiewende. Wir verfügen über eine jahrzehntelange Expertise zur Wechselwirkung von Stahl und Wasserstoff.“
Die Landesbeauftragte für regionale Landesentwicklung Braunschweig, Dr. Ulrike Witt, sieht in dem Campus einen Gewinn für die gesamte Region: „Eine Wasserstoffregion kann nur im Verbund aller Wasserstoffprojekte und Partner entstehen“, sagte Witt. Es gehe darum, Wertschöpfungsketten abzubilden und Synergien zu ermöglichen. „Daher will ich mich gerne auch weiterhin gemeinsam mit dem Projektbüro Südostniedersachsen für dieses wichtige Thema der Regionalentwicklung einsetzen“, erklärte sie abschließend.
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