RTL-II-Doku: An Respektlosigkeit nicht zu überbieten

von Nick Wenkel


Die RTL-II-Doku „Hartz und Herzlich" wird weder den Protagonisten, noch der Stadt Salzgitter gerecht. Foto: Alexander Panknin/
Die RTL-II-Doku „Hartz und Herzlich" wird weder den Protagonisten, noch der Stadt Salzgitter gerecht. Foto: Alexander Panknin/ | Foto: Alexander Panknin

Am vergangenen Dienstag startete die dreiteilige Salzgitter-Doku „Hartz und Herzlich" bei RTL II. Die Sozialreportage hatte dabei besonders Lebenstedt im Fokus und zeigte Personen, die bereits zahlreiche Schicksalsschläge im Leben hinnehmen mussten. Was diese „Doku" allerdings wirklich zeigt, ist an Oberflächlichkeit und Respektlosigkeit nicht mehr zu überbieten.


Dass RTL II nicht die erste Anlaufstelle für anspruchsvollere Reportagen und Dokumentationen ist, sollte überwiegend bekannt sein. Immer wieder werden sozialschwache Menschen mit verhältnismäßig geringen Vergütungen gelockt und in einem Licht dargestellt, das niemandem gerecht wird. Nicht nur den Protagonisten der Reportage wird dabei mit Respektlosigkeit entgegnet, sondern die Dokumentationen stellenhäufig auch den jeweiligen Drehort schlechter dar, als er eigentlich ist. Jüngstes Opfer: Die Stadt Salzgitter. In der damaligen Pressemitteilung beschrieb RTL II die Sendung wie folgt:„Die Arbeitslosenquote in der niedersächsischen Stadt Salzgitter liegt bei 9,4 Prozent. Viele der Betroffenen prägen den Stadtteil Lebenstedt. Vier Monate waren Kamerateams vor Ort und begleiteten Anwohner von Anfang 2018 bis in den Frühsommer. Das Leben der Hartz-IV-Empfänger vor Ort ist hart und verlangt viele Entbehrungen. Trotzdem kämpfen sich die Menschen zurück“.

Berlin anhand von Neukölln erklären


Nach so einer Beschreibung ist klar, in welche Richtung sich die Dokumentation bewegen wird. Aber was hier an einseitiger Berichterstattung abgeliefert wird, schadet letztlich nicht nur den Protagonisten, sondern vor allem auch der ohnehin schon mit Vorurteilen behafteten Stadt Salzgitter, insbesondere Lebenstedt. „Viele der Betroffenen prägen den Stadtteil Lebenstedt", schreibtder Fernsehsender in der offiziellen Synopsis und suggeriert damit etwas, was im Endeffekt so einfach nicht stimmt. Denn Lebenstedt hat deutlich mehr zu bieten, als die Abfallsäcke und Schornsteine der Salzgitter AG, die in der Reportage alle zwei Minuten über den Bildschirm flimmern. Vier Monate habe man die Doku gedreht, schreibt der Sender in der Beschreibung. Da muss die Frage gestattet sein, in welchem Umkreis sich die Kameramänner in dieser Zeit bewegten. 50 Meter? 100 Meter? Mehr dürften es wohl nicht gewesen sein. Man stelle sich mal vor, das Drehteam hätte vier Monate in Neukölln verbracht und so versucht Berlin zu erklären. Neukölln kann man natürlich nicht mit Lebenstedt vergleichen und jeder, der was anderes behauptet, war noch nie in Neukölln. Im jeweiligen Verhältnis ist es allerdings durchaus vergleichbar.

Vier Personen prägen kein Stadtbild


Mit seinen 31 Stadtteilen hatSalzgitter letztlich viel mehr zu bieten, als die RTL-II-Doku zeigt, insbesondere Lebenstedt. Man nehme beispielsweise die Innenstadt, in der es ein attraktiveres Angebot gibt, als in so manch anderen Städten der Region. Lebenstedt ist nicht nur Stahlofen. Dem Drehteam von RTL hätte sicherlich auch ein Ausflug an den Salzgittersee nicht geschadet. Mit dem Café del Lago und der Promenade ein schönes Bild, das einen netten Kontrast zu den gelben Säcken und dem Sperrmüll gebracht hätte. Letztlich wünscht man sich als Salzgitteraner nämlichkeine verherrlichende, sondern einefaire Berichterstattung, in der durchaus auch andere Seiten hätten gezeigt werden können. Es bringt nichts, alles schön zu reden. Dass es in einer Stadt, in der so viele Kulturen aufeinandertreffen, manchmal kracht, gehört eben dazu. Klar sind das Schattenseiten, die niemand sehen möchte. Doch diese hat man auch in jeder anderen größeren Stadt. Das friedliche Zusammenleben an den rund 360 anderen Tagen im Jahr, ist jedoch das, was die Stadt prägt und nicht vier Personen, die in einer RTL-II-Doku möglichst schlecht dargestellt werden. Dass die Dialoge in der Reportage so auch wirklich abliefen, wage ich ebenfalls zu bezweifeln.

Skrupellose Interviews


Wie respektlos die Reporter bekannter Fernsehsender in ihren Recherchen nämlichvorgehen, habe ich kürzlich selbst am Jägerweg erfahren dürfen. Wie hier versucht wurde, einemFamilienvater, dessen Tochter wenige Stunden vor dem Interview mit einem Kopfschuss auf offener Straße umgebracht wurde, Worte und Sätze in den Mund zu legen, bestätigt alles, was man sich unter diesen skrupellosen Reportagen vorstellt. Klar ist aber auch: Eine solche Doku ist nur die Spitze des Eisbergs.

Liebes RTL-II-Team, hier ein Vorschlag


Sollte RTL II nochmal eine Dokumentation in Salzgitter planen und sich dann entschließen, nicht nur in einem Umkreis von 200 Meter zudrehen, lade ich sie gerne auf eine Shopping-Tour durch die Innenstadt ein. Danach können wir einen Döner bei Altan Kebap essen gehen und auf ein Eis beim Café del Lago am Salzgittersee anhalten. Vielleicht lässt sich ja auch ein Besuch im Rathaus einrichten, wo engagierte Politiker sicher gerne erläutern, wiesich dieStadt in den kommenden Jahren noch positiver entwickeln wird.


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