Salzgitter. Dass der Klimawandel immer wieder für neue Arten in heimischen Gefilden sorgt, ist für Walter Wimmer, Leiter des Regionalen Naturschutzes und der Betriebsstelle Süd des Niedersächsischen Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) in Braunschweig, nichts Neues. Er beobachtet und dokumentiert derartige Veränderungen in Flora und Fauna bereits seit Jahrzehnten. Deshalb fiel ihm die etwa dreieinhalb Zentimeter lange Raupe, die er westlich von Salzgitter-Bad an einem Eichenstamm fand, sofort auf. "Die typische Färbung und die kurzen Haare kennzeichnen das Tier als Spanische Flagge, und die kam hier bisher gar nicht vor", weiß der Biologe. Dr. Alexander Pelzer, als Referent im landesweiten Naturschutz des NLWKN unter anderem auch für Schmetterlinge zuständig, bestätigt die Besonderheit des Funds: "Soweit wir wissen, ist das der erste Fortpflanzungsnachweis in Niedersachsen außerhalb des Wesertals." Im Land ist der Falter bisher nur von dort bekannt. Seinetwegen gab es 2018 sogar schon einen runden Tisch im niedersächsischen Umweltministerium. Dies berichtet der NLWKN in einer Pressemitteilung.
Denn die Spanische Flagge, auch Russischer Bär genannt, ist im Anhang II der FFH-Richtlinie, die Richtlinie zur Erhaltung von Fauna, Flora und Habitaten der EU, enthalten. Das heißt, der Schutz des Tieres ist eine europaweite Verpflichtung. Da der Falter in Niedersachsen bislang nur in einem winzigen Verbreitungsgebiet, den Weserklippen bei Polle, nachgewiesen wurde, ist er hierzulande eine Art mit höchster Priorität für Erhaltungs- und Entwicklungsmaßnahmen. Seine Verbreitung erstreckt sich von der Iberischen Halbinsel bis nach Kleinasien und Russland. Insgesamt besiedelt er verschiedene Biotope. Auch die Nahrungspflanzen der Raupen sind vielfältig.
Nur warm möchte er es haben. So verwundert es nicht, dass der auffällige Falter in den vergangenen sehr warmen Jahren immer wieder am Harzrand und in dessen Vorland beobachtet wurde, auch schon in Salzgitter. Vermutlich kamen die Tiere aus Sachsen-Anhalt, wo die Art im und am Harz vorkommt. "Bisher sind wir davon ausgegangen, dass es einzelne Tiere waren, die neue Gebiete erkundeten", erklärt Wimmer. "Nun dürfen wir aber vermuten, dass es auch an anderen Orten, an denen in den vergangenen Jahren Falter gesehen wurden, schon Nachwuchs geben kann." Ob es sich hierbei bereits um eine dauerhafte Arealerweiterung handelt oder nur um eine vorübergehende Folge der warmen Jahre, bleibt vorerst offen. "Die nächsten Jahre werden uns das zeigen", fasst Alexander Pelzer die Situation zusammen. Für Naturschützer bleibt es auf jeden Fall spannend.
mehr News aus Salzgitter