Goslar. Die letzten LKW-Kolonnen schieben sich zum Schützenplatz. In luftiger Höhe wird gearbeitet, der Einlassbereich steht, die Zäune auch. Dieses Jahr wird alles anders - und dennoch fühlt es sich nach Schützenfest an, obwohl es "nur" ein sogenannter "mobiler Freizeitpark" ist. Ab Donnerstag steigt bis zum 25. Juli jeweils Donnerstags bis Sonntags von 14 bis 22 Uhr die Corona-Sonderausgabe eines Goslarer Klassikers mit Jaguarbahn, Breakdancer und Riesenrad. "Eine bittere Pille" müssen die Besucher und das Team um den Volksfestvereinsvorsitzenden Sven Schneider jedoch schlucken - Die Krake fehlt.
Das Kultfahrgeschäft habe erst am vergangenen Sonntag abgesagt, wie Schneider verärgert erzählt. Gleich die zweite Tradition die ausfällt. Sehr zu Schneiders Leidwesen - er selbst ist Inhaber einer Pyrotechnik-Firma - findet auch kein Feuerwerk statt. Der Grund für die Absage der Krake seien Personalprobleme, wie sie derzeit viele Schausteller hätten. Während der Pandemie ist das Personal abgewandert. Unklare Zukunftsaussichten machten Neueinstellungen schwierig. "Wir haben versucht Alternativen zu finden. Es gibt fünf oder sechs Fahrgeschäfte, die ähnlich sind. Wir haben über 70 Betriebe angesprochen", berichtet der 1. Vorsitzende des Vereins Goslarer Volksfest e.V. bei einem Pressetermin am heutigen Dienstag. Da jedoch 50 Städte deutschlandweit ähnliche Veranstaltungen ausrichten, sind fast alle Schausteller anderweitig beschäftigt. "Das wird von unserer Seite Konsequenzen haben. Der wusste das seit April", raunt Schneider. Die Lücke wird nun provisorisch geschlossen - auffällig ist sie trotzdem.
Von links: Sven Schneider, 1. Vors. Volksfest Goslar e.V., Marlon Ahrend, Junior-Chef der Schausteller von FTE Ahrend und Martin Müller, 2. Vors. Volksfest Goslar e.V. in einer Gondel des Riesenrades Mon Amour. Foto: Marvin König
Die Vorzeichen für ein "Schützenfest"-ähnliches Gebilde waren noch im Frühjahr sehr schlecht: Das beginnt schon beim Platz. Nach der Schneekatastrophe im Februar wurde Schnee aus der Innenstadt auf dem Osterfeld abgeladen. Die schweren Fahrzeuge beschädigten etliche Hydranten beim Umherschieben der meterhohen Schneeberge. Die Stadt Goslar habe alles rechtzeitig repariert und sogar den Boden begradigt. Nicht zuletzt erwähnt Schneider, dass man den Platz dieses Jahr sogar pachtfrei bekommen habe. Das kompensiert die mit 50.000 Euro um ein Fünftel höheren Kosten für Sicherheit und weitere Kosten für die 1,3 Kilometer lange Umzäunung aber nur teilweise. Zudem fehlen die Einnahmen durch Parkraumbewirtschaftung. Die Parkplätze sind in diesem Jahr kostenlos.
So läufts auf dem Corona-Volksfest
Das aufwendige und kostenintensive Hygienekonzept, sowie eine Genehmigung als mobiler Freizeitpark statt als "Schützenfest" lassen trotz der gewohnten Atmosphäre auf dem geschäftigen Schützenplatz vieles anders laufen als gewohnt. Es wird genau einen Eingang und einen Ausgang geben. Am Eingang auf der Schützenallee müssen Gäste ab einem Alter von drei Jahren an einer von vier Kassen einen "Chip" kaufen dort erfolgt auch eine Einlasskontrolle nach verbotenen Gegenständen, ähnlich wie bei einem Festival. Beim Anstehen muss grundsätzlich Maske getragen werden. Der Chip wird am Ausgang wieder abgegeben und dient neben der manuellen Erfassung als Zählwerkzeug. Begleitpersonen von Menschen mit Behinderungen werden zwar gezählt, aber kostenlos eingelassen.
Martin Müller, zweiter Vorsitzender des Vereins Volksfest Goslar, hat zudem noch eine "Ampel" auf der Homepage eingerichtet: "Ab 2.800 Besuchern springt die Ampel auf Orange, ab 3.100 Besuchern springt die Ampel auf Rot. Dann können Leute von weiter weg sehen, dass sich die Anfahrt aktuell nicht lohnt." Anders als zunächst vom Gesundheitsamt gefordert, muss bis zu einer Inzidenz von 10 im Landkreis Goslar kein Nachweis über Impfung, Genesung oder Schnelltest vorgezeigt werden.
Ohne Maske kein Einlass
Eine Maske muss auf das Gelände zwangsläufig mitgenommen werden. Schneider berichtet: "Wir haben die Auflage bekommen, dass wir Maskenbefreiungsatteste nicht anerkennen sollen". Hintergrund dieser eher ungewöhnlichen Auflage sei die Tatsache, dass zu viele Fake-Atteste im Umlauf seien. Eine Kontrolle auf Echtheit sei durch das Sicherheitspersonal vor Ort schlicht nicht möglich.
Pfeile auf dem Boden markieren die zulässige Laufrichtung. Die Fahrgeschäfte wurden zum Teil nach hinten versetzt, um mehr Platz zum Laufen zu bieten. Im Hintergrund die Jaguarbahn und die Achterbahn Crazy-Mouse. Foto: Marvin König
Auf dem Gelände selbst gibt es eine Einbahnstraßenregelung. Besucher können beliebig viele Runden drehen. Auf dem gesamten Gelände wird eine Maske "empfohlen", ist aber nur beim Betreten gastronomischer Angebote wie dem Bayern-Festzelt (diesmal Open-Air) oder der Hansekogge vorgeschrieben. Dort muss außerdem am Tisch zur Kontaktnachverfolgung eine Registrierung mit der Luca-App oder per Papier erfolgen. Speisen wie den Crêpes, Fischbrötchen oder Slush-Eis können auch im Laufen verzehrt werden. Stehenbleiben zum "gucken" ist erlaubt - es sollten sich nur keine größeren, stehenden Gruppen bilden. "Wir haben acht Streifen auf dem Gelände. Die werden auch auf die Einhaltung achten", merkt Schneider dazu an.
Die Fahrgeschäfte und die Preise
Die zahlreichen Schausteller auf dem Schützenplatz erheben ihre eigenen Eintrittspreise. Die meisten von ihnen hatten ihre letzten "Auftritte" auf den Weihnachtsmärkten 2019. Ob sich die gewaltigen finanziellen Lücken auch in den Fahrkartenpreisen niederschlagen wird, beantwortet Schneider mit: "Ich hoffe es wird so wie 2019. Ich habe da keine Informationen zu."
Das Riesenrad Mon Amour liefert dieses Jahr das Unternehmen FTE Ahrend - es ist ebenso groß wie der bekannte Wilhelm. Dieser steht allerdings in Hannover. Mon Amour stand im letzten Jahr übrigens auch beim "Sommerstadtvergnügen" in Braunschweig vor dem Rathaus. In der Zwischenzeit wurde es aber komplett überholt und neu bemalt. Foto: Marvin König
Im Booster drehen sich nicht nur die Fläche und die einzelnen Gondeln, die gesamte Platte erhebt sich gen Himmel. Foto: Marvin König
Zu den bereits vorgestellten Fahrgeschäften gesellen sich auch Klassiker wie der BreakDancer, der sich zum Zeitpunkt des Pressetermins aber noch im Aufbau befand. Ebenso noch nicht zu erkennen war die Geisterbahn. Neben dem Laufgeschäft "Remmi Demmi" befindet sich - erstmals in Goslar - der Chaos AIRPORT. Für die Kinder gibt es neben Schiffsschaukel und Kettenkarussell den Kinderwellenflieger, Babyflug, Fantasia, Trampoline, ein sogenanntes "Bodenkarussell" (hinter dem Begriff verbergen sich die klassischen Kinderkarussells, bei dem auf Lokomotiven, Feuerwehrautos, Pferden, Raumschiffen und Zügen gesessen werden kann).
Hinzu kommen Spielgeschäfte wie das Luftgewehrschießen und Pfeilwerfen, zwei Fischstände, etliche Süßwarenstände, und zwölf Markthändler.
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