Selbstmordversuche von Kindern um 400 Prozent gestiegen

Verantwortliche einer bundesweiten Studie sehen im Lockdown eine mögliche Ursache. Auch in unserer Region gibt es alarmierende Zahlen.

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Symbolbild. | Foto: Pixabay

Region. Dass vor allem auch Kinder unter der Pandemie leiden, ist nicht neu. Neben einer Beeinträchtigung des Bildungsangebotes, sind es vor allem die stark eingeschränkten sozialen Kontakte, die gerade in dieser Phase des Lebens zu schaffen machen. Wissenschaftler der Essener Uniklinik haben nun in einer noch nicht veröffentlichten Studie Erschreckendes festgestellt. So ist die Anzahl der Selbstmordversuche von Kindern in der Phase des zweiten Lockdowns in Deutschland sprunghaft angestiegen. Auch aus unserer Region gibt es alarmierende Zahlen.



Professor Christoph Dohna-Schwake, Leiter der Kinder-Intensivstation der Essener Uniklinik, stellte die Ergebnisse der Studie vorab im Videointerview mit der Westfälischen Rundschau vor. Demnach mussten bundesweit bis zu 500 Kinder nach Suizidversuchen zwischen März und Ende Mai 2021 auf Intensivstationen behandelt werden. Dies sei ein Anstieg von rund 400 Prozent zu Vor-Corona-Zeiten. Die Forscher werteten Daten von 27 deutschen Kinder-Intensivstationen aus.

Soziale Isolation belastet weiter


Nach Einschätzung von Dohna-Schwake sei der lange Lockdown, der bereits im November 2020 begann, durchaus eine mögliche Ursache für den erheblichen Anstieg der Zahlen. Kinder, die schon zuvor unter Depressionen oder Angststörungen gelitten hätten, seien durch die mit dem Lockdown verbundene soziale Isolation weiter belastet worden. Gegen solche psychischen Erkrankungen seien soziale Kontakte außerhalb sozialer Medien besonders wichtig, so der Mediziner.


Für unsere Region gibt es keine vergleichbaren Zahlen. Die angefragten Städtischen Kliniken in Braunschweig, Peine, Wolfenbüttel und Wolfsburg führen hierzu keine Statistiken. Zudem würden viele Suizidversuche auch nicht unbedingt mit einer Noftfallversorgung einhergehen, wie Sarah Weil-Pütsch vom Klinikum Peine zu bedenken gibt. Wie auch andere Pressesprecher verwies man auf das AWO Psychatriezentrum Königslutter im Landkreis Helmstedt als möglichen Ansprechpartner.

Stationäre Aufnahme von Kindern verdoppelt


Zwar werden auch hier keine statistischen Daten über Suizidversuche von Kindern und Jugendlichen vor der Aufnahme geführt, erschreckende Zahlen liefert man dennoch. So habe sich die Aufnahme von Kindern mit der Diagnose "Schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome" zwischen 2018 und 2021 verdoppelt.

Waren es 2018 noch 106, stieg die Zahl 2019 auf 143, 2020 auf 184 und im letzten Jahr auf 212. Nach Aussage der Chefärztin der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Dr. Gabriele Grabowski, könne man davon ausgehen, dass nahezu alle stationären Aufnahmen auf der beschützten Station für Jugendliche, die mit dieser Diagnose aufgenommen werden, nach einem Suizidversuch erfolgen. Man betone aber, dass dies keine Statistik zu vorausgegangenen Suizidversuchen und damit lediglich eine Einschätzung aus der klinischen Praxis sei. Insofern könne diese Einschätzung nicht mit Studienergebnissen verglichen werden.

Auch über den Einfluss von Corona sagen diese Zahlen wenig aus, da der Anstieg bereits vor der Pandemie zu verzeichnen war.


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