Region. Das Bistum Hildesheim hat ein Konsortium aus mehreren unabhängigen Forschungseinrichtungen beauftragt, sexualisierte Gewalt im Verantwortungsbereich der Diözese aufzuarbeiten. Die Zielrichtung der neuen Studie wurde zwischen der Diözese und der Unabhängigen Aufarbeitungskommission Nord eng abgestimmt. Es ist nach zwei Studien in den Jahren 2017 und 2021 das dritte große Aufarbeitungsvorhaben im Bistum Hildesheim. Das berichtet die Bischöfliche Pressestelle in einer Pressemitteilung.
Das multidisziplinäre Forschungskonsortium besteht aus dem Institut für soziale Arbeit e. V. aus Münster, der zur Universitätsmedizin Rostock gehörenden Klinik für Psychiatrie, Neurologie, Psychosomatik und Psychotherapie im Kindes- und Jugendalter, dem juristischen Forschungszentrum SOCLES International Centre for Socio-Legal Studies gGmbH aus Heidelberg und dem zur Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg gehörenden Institut für Staatswissenschaft und Rechtsphilosophie.
Bisherige Erkenntnisse als Grundstein
Die neue Studie beginnt im April 2025 und wird auf den Erkenntnissen der bisherigen Aufarbeitungsvorhaben im Bistum Hildesheim aufbauen. Die Vorgängerstudien hatten sich in besonderer Weise mit der Amtszeit von Bischof Heinrich Maria Janssen (1957 bis 1982) befasst. Auch die kommende Studie wird sich zumindest teilweise noch einmal mit der Zeit Janssens auseinandersetzen.
Neu in den Blick kommen nun die Amtszeiten des Vorgängers von Bischof Janssen, Bischof Dr. Joseph Godehard Machens (1934 bis 1956), sowie in besonderer Weise die Amtszeiten der Bischöfe Dr. Josef Homeyer (1983 bis 2004), Norbert Trelle (2006 bis 2017) und Dr. Heiner Wilmer SCJ (seit 2018).
So arbeitet die Studie
Die neue Studie wird Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen, Pfarrgemeinden und Lebensläufen von Tatverdächtigen nachspüren, auch sollen Lebensgeschichten und Bewältigungsstrategien von Betroffenen und Co-Betroffenen aufgezeigt werden. Während der Studie soll eine Auswahl von Institutionen, Gemeinden und Personen exemplarisch und im Detail untersucht werden. Zur Methodik gehören die Auswertung vorliegender Untersuchungen und Quellen, Aktenanalysen, Fragebögen und Gespräche mit Betroffenen, Co-Betroffenen sowie Zeitzeuginnen und Zeitzeugen.
Für die Studiendauer wird eine Begleitgruppe gebildet. Sie soll die Studie inhaltlich begleiten, den Finanz- und Zeitrahmen im Blick behalten sowie die unabhängige Arbeit der Forschenden gewährleisten. Ebenso dient sie dem Informationsaustausch zwischen dem Forschungskonsortium, dem Bistum, der Unabhängigen Aufarbeitungskommission Nord und dem Betroffenenrat Nord.
Vorhaben als fortlaufende Dokumentation
Das Forschungsvorhaben richtet sich nach den wissenschaftlichen Standards der Deutschen Forschungsgesellschaft. Geplant ist, dass das Forschungskonsortium bereits während des Studienzeitraums Informationen zu bestimmten Aspekten oder Fragestellungen veröffentlicht, um das Vorhaben als fortlaufende Dokumentation zu gestalten. Auftraggeber des Aufarbeitungsvorhabens ist Dr. Heiner Wilmer SCJ als amtierender Bischof von Hildesheim.
Bischof Wilmer sagt: „Die Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt im Bistum Hildesheim hat für mich weiterhin allerhöchste Priorität. Deshalb bin ich allen Beteiligten, insbesondere auch der Unabhängigen Aufarbeitungskommission Nord und dem Betroffenenrat Nord, sehr dankbar, die in umfangreichen Abstimmungsprozessen und mit viel Detailarbeit dazu beigetragen haben, dieses komplexe Aufarbeitungsvorhaben an den Start zu bringen. Die Forschenden erhalten von uns alle verfügbaren Informationen und jede mögliche Unterstützung, um diese Studie zu realisieren.“
Schwerste Vorwürfe gegen den Bernwardshof
Nicole Sacha vom Betroffenenrat Nord betont: „Als Betroffenenrat Nord ist uns besonders wichtig, dass neben dem Aufdecken von persönlichem und institutionellem Versagen das Erleben der Betroffenen und Co-Betroffenen in der Studie von zentraler Bedeutung ist. Für sie sind der Missbrauch und seine Folgen tagtägliche Realität. Darauf, dass nun, 13 Jahre nachdem ein Betroffener aus unserem Gremium schwerste Vorwürfe gegen den Bernwardshof erhoben hat, nun auch die Kinderheime in `Tiefenbohrungen´ aufgearbeitet werden, haben wir größten Wert gelegt.“