Slow Food Braunschweiger Land und die Freunde des Botanischen Gartens riefen zu einer besonderen Pflanzaktion auf. In die Erde kam eine Art Urbraunkohl.
Dienstag, 23. Juni 2015. Das Wetter schlägt Kapriolen. Es schüttet wie aus Eimern. Auf dem Weg nach Braunschweig über die Wolfenbüttler Straße brausen unwirsch Wasserfontänen auf, wenn man schneller als 30 km/h fährt. Die Scheibenwischer kommen kaum gegen die Mengen an, die da aus dem trüben Junihimmel strömen. Genauso rasch, wie der Regen kam, ist er auch wieder verschwunden. Gott sei Dank. Denn um 14 Uhr treffen sich die Braunschweiger Slow Fooder und die Freunde des Botanischen Gartens zu einer Pflanzaktion im Botanischen Garten. Trotz der wechselhaften Aussichten sind gut zwanzig Menschen zusammengekommen. In einer Hecke prangt das Transparent der Genusshüter. Davor stehen kleine Pflänzchen, die darauf warten, ausgepflanzt zu werden. Die Stimmung ist gut. Ein Gärtner vom Botanischen Garten erklärt einigen Gästen den Bauerngarten. Der besteht seit 1985 und beherbergt Gewürzkräuter, Stauden, Sommerblumen und Gemüsesorten. Der Botanische Garten der Löwenstadt blickt auf 175 wechselvolle Jahre zurück.
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Die Wiederentdeckung des Braunkohls
Der Bauerngarten ist nach einem alten Plan aus der Zeit des Barock angelegt. Besucher des Botanischen Gartens, die mitten im städtischen Getriebe die ganze Vielfalt der Flora genießen können, erleben in diesem Areal, wie alte Gemüsesorten, etwa Steckrüben oder Puffbohnen, der Reife entgegenwachsen. Und nun kommt also auch gewissermaßen ein Urbraunkohl dazu. Im Braunschweiger Raum spricht man bekanntlich von Braunkohl und nicht von Grünkohl. Slow Food Braunschweiger Land hat die Altmärker Sorte mit einer natürlichen Braunfärbung wiederentdeckt und pflanzt sie seit 2008 an. Einmal im Jahr geht die gesamte Ernte an das große Braunkohlessen der Öffentlichen Versicherung. Für den Erhalt ist das zu wenig. Ginge es nach Heiner Schrobsdorff, der sich bei Slow Food die Kultivierung der ursprünglichen Sorte auf die Fahnen geschrieben hat, könnte der Kohl deshalb noch weitere Verbreitung finden.
Eine Option für die Gastronomie?
Während bereits die ersten Regentropfen wieder vom Himmel fallen, berichtet er vor der Pflanzaktion etwas über die gärtnerische Arbeit mit dieser Sorte. Im Mai habe er die Pflanzen ausgesät. Nun werden sie bis zum November wachsen und gedeihen. Die Pflanzen könne man ruhig überwintern lassen, erklärt Schrobsdorff. Im Frühjahr könne man dann zarte Kohlröschen ernten und ziehe sich somit seine eigenen Samen für die nächste Ernte vor. Slow Food sucht Hobbygärtner, die zur Verbreitung der Sorte beitragen. Auch für die regionale Gastronomie könnte der Altmärker Braunkohl eine Option sein, könnte man sich vorstellen. Immerhin ist durch die Aktivität von Slow Food eine regionale Spezialität vor dem Aussterben bewahrt worden, deren Geschmack, so Schrobsdorff, sich in der Verkostung als etwas rustikal, würziger gezeigt habe als die neuen Sorten. Ob das auf Dauer so sein wird, hängt von den Menschen in der Region ab.
Und die Bortfelder Rübe
So wie die Bortfelder Rübe. Die verdanken wir ebenfalls der Arbeit von Slow Food. Diese alte Sorte hat einen ganz eigenen Geschmack, wie die Besucher bei der Verkostung feststellen können. Astrid Oberthür, die sich um die Pressearbeit des Vereins kümmert, kommt mit dem Schälen gar nicht mehr nach. Sie verteilt kleine Probehäppchen. Die haben ein typisch rettichartiges, angenehm scharfes Aroma. Erinnern aber auch an Kohlrabi und Steckrübe. Ein kühles Wolters wäre passend dazu. Die Bortfelder Rübe kann man einfach so naschen oder als Rohkost verarbeiten. Sie eigne sich jedoch genauso für Eintöpfe, schwärmt Astrid Oberthür. Während es draußen schon wieder unfreundlich wird, genießen die Pflanzpioniere und die Freunde des Botanischen Gartens drinnen ein Tässchen Kaffee. Die hat man sich nach getaner Arbeit redlich verdient. Hier präsentiert sich Slow Food Braunschweiger Land.