Region. Zum Jahreswechsel 2024/2025 hat sich die Stimmung der Unternehmen im Wirtschaftsraum Braunschweig-Wolfsburg zumindest ein Stück weit aus ihrem Tief gelöst – sie bleibt aber weiterhin stark angespannt. Nach wie vor wird die regionale Wirtschaft durch hohe Energie- und Arbeitskosten, erhebliche Steuerlasten und die ausufernde Bürokratie ausgebremst. Zudem lahmt die Nachfrage nach ihren Produkten im In- und Ausland. Folglich bleiben die Betriebe mit Investitionen zurückhaltend. Dies ergibt sich aus dem gemeinsamen Konjunkturbericht der IHK Braunschweig und der IHK Lüneburg-Wolfsburg (IHKLW) für das vierte Quartal 2024.
Demnach verzeichnete der IHK-Konjunkturklimaindikator zwar einen Anstieg um 15 Punkte auf einen aktuellen Wert von 79 – die durchaus merkliche Erhöhung ist aber vor dem Hintergrund eines ausgesprochen niedrigen Ausgangsniveaus zu betrachten. So war der Indikator im Vorquartal auf den zweitniedrigsten Stand seiner Historie gefallen. Lediglich im tiefsten Tal der Coronakrise lag er noch darunter.
Tristesse im Großhandel
Von der anhaltend schwachen Dynamik des Konjunkturgeschehens kann sich kein Wirtschaftsbereich frei machen. So liegen die sektoralen Konjunkturklimaindikatoren aller betrachteten Branchen immer noch deutlich unter dem neutralen Wert von 100. Tristesse herrscht weiterhin im Großhandel mit einem sektoralen Indikatorstand von 65. Kaum besser ist die Stimmung in der Industrie mit einem branchenbezogenen Indikatorwert von 72.
ür die Konjunkturumfrage im vierten Quartal 2024 haben zwischen Mitte Dezember und Anfang Januar ca. 290 Betriebe ihre aktuelle und künftige Geschäftslage eingeschätzt. Foto: IHK Braunschweig
Auch unter den Dienstleistern wird lediglich der eher bescheidene Wert von 89 erreicht. Und auch im Einzelhandel ist die Laune entsprechend dem sektoralen Indikatorstand von 91 nur durchwachsen. Immerhin konnten die Indikatorwerte bei allen genannten Branchen verglichen mit dem Vorquartal etwas Boden gutmachen.
Leicht verbesserte Lagebeurteilung
In der Gesamtschau beruht der Anstieg des IHK-Konjunkturklimaindikators auf zwei Faktoren: Zum einen auf den leicht verbesserten Lagebeurteilungen und zum anderen auf den nicht mehr ganz so düsteren Geschäftsprognosen. Derzeit bezeichnen 15 Prozent der befragten Betriebe ihre Geschäftslage als gut, 59 Prozent sehen sie zumindest als befriedigend an. Mehr als ein Viertel aller Unternehmen beurteilt seine Situation jedoch als schlecht. Der Saldo aus guten und schlechten Lagebewertungen beträgt -11 und kann damit erstmals seit einem Jahr wieder zulegen (Vorquartal: -18).
Gleichwohl sind die Aussichten der Unternehmen auf die Geschäftsentwicklung im neuen Jahr weiter von Skepsis geprägt. Aktuell rechnen immer noch 40 Prozent der befragten Unternehmen mit geschäftlichen Einbußen. Immerhin ist der Anteil der Betriebe, die meinen, ihr Geschäftsniveau halten zu können, mittlerweile auf die Hälfte angewachsen. An eine Aufhellung seiner Geschäftstätigkeit glaubt aber nur jedes zehnte Unternehmen. Die negativen Vorhersagen überwiegen damit zwar immer noch deutlich, der Blick nach vorn fällt aber nicht mehr so umfassend pessimistisch aus wie noch vor drei Monaten.
Die größten Sorgen
Welche Sorgen die regionale Wirtschaft derzeit umtreiben, verrät ein Blick auf die größten Risiken, die die Unternehmen für ihre künftige Geschäftsentwicklung sehen. Etwa jedem zweiten Betrieb bereitet der Fach- und Arbeitskräftemangel erhebliche Kopfzerbrechen. Mehr als die Hälfte befürchtet, dass die Entwicklung der Arbeitskosten die künftige Geschäftsentwicklung belasten wird. Auch die hohen Energie- und Rohstoffpreise stellen für sechs von zehn Unternehmen ein beträchtliches Problem dar. Zwei Drittel der Befragten sorgen sich um die Inlandsnachfrage. An allererster Stelle der Risiken werden aber die herrschenden wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen genannt. Drei Viertel der befragten Betriebe sehen darin ein erhebliches Risiko für ihre künftige Geschäftsentwicklung.
An diesen Punkt knüpft Dr. Florian Löbermann, Hauptgeschäftsführer der IHK Braunschweig, an und sagt: „Dass unsere heimischen Unternehmen die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen als Top-Risiko für ihre Tätigkeit betrachten, ist in höchstem Maße alarmierend. Eine wirtschaftspolitische Neuausrichtung wird aber erst nach den anstehenden Bundestagswahlen möglich sein. Immerhin bieten die Neuwahlen die Chance auf eine stabile Bundesregierung, die sich in ihren Zielen und deren Umsetzung wieder einig ist. Eine verlässliche Politik und eine klare Ausrichtung auf die Wirtschaft sind in der aktuellen Phase notwendige Grundlagen, damit unsere Unternehmen in die Zukunft investieren können. Angesichts der wirtschaftlichen Lage können wir uns keine lange Hängepartie leisten. Wir brauchen schnell Klarheit und einen Neustart in der Wirtschaftspolitik.“
Auflösung des Reformstaus
Ganz oben auf der Agenda steht aus Sicht beider IHKs die rasche und beherzte Auflösung des Reformstaus und die Schaffung international wettbewerbsfähiger Standortbedingungen in Deutschland. Denn: Obwohl die regionalen Unternehmen sowohl ihre aktuelle Geschäftslage als auch ihre Geschäftsentwicklung in den kommenden zwölf Monaten positiver einschätzen als noch im Herbst, hat sich das Investitionsklima weiter eingetrübt. Nur noch 22 Prozent planen eine Steigerung ihrer Investitionen, und wenn investiert wird, dann eher überwiegend in Ersatz- und nicht in Zukunftsinvestitionen.
Wenn Unternehmen sich in einer Zeit der Transformation hin zur Klimaneutralität, Künstlicher Intelligenz und zunehmender Digitalisierung gegen Investitionen entscheiden, offenbare dies das Misstrauen der Unternehmen in die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen, so IHKLW-Hauptgeschäftsführer Michael Zeinert. „Für mehr Investitionsbereitschaft brauchen die Unternehmen dringend spürbar niedrigere Energiepreise, eine investitionsfreundliche Unternehmenssteuerreform, die komplette Abschaffung des Solidaritätszuschlages und erhebliche bürokratische Entlastungen.”
Wirtschaftsstandorte abgehängt
Er sieht auch die neue EU-Kommission an der Reformfront gefordert. Sie müsse ihr Versprechen einlösen, die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern und die EU-Bürokratielasten um 25 Prozent zu reduzieren. Das gelte angesichts des Regierungswechsels in den USA und der neuen geopolitischen und geoökonomischen Rahmenbedingungen mehr denn je. „Es ist höchste Zeit, den EU-Bürokratieabbau zügig umzusetzen, damit die Wirtschaftsstandorte in der EU nicht von China und den USA abgehängt werden.“
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