Software-Update abgelehnt: Umstrittene Blitzer bleiben unverändert in Betrieb

Bürger fordern die Abschaltung oder Umrüstung der Blitzer vom Typ TraffiStar S350. Trotz eines Urteils des Landesverfassungsgerichtes im Saarland sind sechs Blitzer dieses Typs in Salzgitter weiterhin in Betrieb.

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Der Salzgitteraner Hartmut Zelt neben einem Traffistar S350-Blitzer. Er hält die von den Geräten durchgeführten Messungen für nicht verfassungskonform.
Der Salzgitteraner Hartmut Zelt neben einem Traffistar S350-Blitzer. Er hält die von den Geräten durchgeführten Messungen für nicht verfassungskonform. | Foto: Rudolf Karliczek

Salzgitter. Der Salzgitteraner Hartmut Zelt und der Ex-Salzgitteraner Bernd Jenkner kämpfen seit Jahren gegen die Blitzer des Modells TraffiStar S350 der Firma Jenoptik. Das Verfassungsgericht im Saarland beurteilte die Messungen der Geräte ohne Speicherung der Rohmessdaten im Juli 2019 als nicht rechtskonform. Allerdings nur im Saarland. Im Dezember 2020 bestätigte das Bundesverfassungsgericht, dass vermeintliche Verkehrssünder Einsicht in die Rohmessdaten erhalten müssen. Das versprochene Softwareupdate ist jedoch noch immer nicht erfolgt - die Blitzer sind weiterhin unverändert in Betrieb. Wie ist das möglich?


"Man hat keine Möglichkeit, sich gegen die Messungen dieser Geräte zu verteidigen. Und das ist nicht mit dem Grundgesetz in Einklang zu bringen. Die Stadt Salzgitter weigert sich, die Geräte nachzurüsten", erklärt der Salzgitteraner Hartmut Zelt im Gespräch mit regionalHeute.de. Er erklärt weiter: "Ich fordere die Durchführung der angekündigten Softwareaktualisierung. Bis dahin müssen alle Blitzer dieses Herstellers außer Betrieb gesetzt werden."


In Salzgitter sind insgesamt sechs Geschwindigkeitsmessanlagen dieses Typs im Einsatz. Vier stationäre in Lebenstedt und Calbecht, sowie zwei semi-stationäre Anlagen. Sie alle sorgen weiterhin dafür, dass Bußgeldbescheide in die Häuser jener flattern, die die Tempolimits vor Ort überschreiten. Das Messverfahren, so die Kritiker, lasse sich ohne Speicherung der Rohmessdaten nicht überprüfen. Vielfach berief sich der Hersteller darauf, dass das Urteil zur Herausgabe dieser Daten nur das Saarland berührt. Dies ist jetzt - so die Kritiker - mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes nichtig.

Die Sache mit den "Rohmessdaten"


Der Hersteller Jenoptik kündigte im August 2019 ein Softwareupdate an, das die geforderten Daten nach der Messung künftig nicht mehr verwirft, sondern zur späteren Einsicht speichert. Bei den viel zitierten Rohmessdaten handelt es sich um die digitalisierten Auswertungen der Sensordaten, die abschließend zur Berechnung der Geschwindigkeit eines im Messbereich befindlichen Fahrzeugs führen. Aus eben diesem Grund hält Martin Rehm, Fachberater beim Bundesverband Verkehrssicherheitstechnik e.V. die Rohmessdaten für überhaupt nicht geeignet, um die Validität der Messung zu überprüfen: "Durch die Verwendung von 'Rohmessdaten wird lediglich ein Vergleich des Gerätes mit sich selbst ermöglicht; ein Nachrechnen anhand von 'Rohmessdaten' kann demzufolge niemals zu dem abschließenden Ergebnis führen, dass eine bestimmte Messung korrekt erfolgte, beziehungsweise ein angezeigter Messwert dem richtigen Zielfahrzeug zugeordnet wurde." Grund sei, dass diese Daten lediglich die digitalisierte Form der Messschritte davor seien, eine Nachvollziehbarkeit bei Fehlern in diesen Schritten entsprechend nicht gegeben sei.



Nichtsdestotrotz liegt ein eindeutiges Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vor, an das sich die Hersteller eigentlich halten müssten. Jenoptik kündigte im August 2019 ein Softwareupdate an. Auch Eric Neiseke, Stadtverwaltungsmitarbeiter in Salzgitter, kündigte im August 2019 in öffentlicher Sitzung eine Nachrüstung an. Wie der Fachdienst Bürgerservice und Ordnung der Stadt Salzgitter auf Anfrage von regionalHeute.de erklärt, sei das angekündigte Softwareupdate "noch nicht erfolgt". Die Geschwindigkeitsmessungen seien aber weiterhin rechtmäßig, wie die Stadt Salzgitter betont.

PTB lehnt Softwareupdate ab


Der Hersteller Jenoptik erklärt in einer Antwort auf eine Anfrage unserer Redaktion, dass man ein entsprechendes Softwareupdate tatsächlich entwickelt habe: "Für die Zulassung einer damals neu entwickelten Software erreichte uns leider die Absage der Physikalisch-technischen Bundesanstalt (PTB) mit dem Hinweis, dass die Zurverfügungstellung von Rohmessdaten, aus denen ein Geschwindigkeitswert abgeleitet werden kann, weder der Mess- und Eichverordnung noch der aktuellen PTB-Anforderung 12.05 entspricht. Diese Feststellung gilt für alle Messsysteme, die in Deutschland für amtliche Geschwindigkeitsmessungen eingesetzt werden." Dementsprechend sei aus Sicht von Jenoptik keine Software-Weiterentwicklung in diese Richtung erforderlich, eine Zulassung der PTB als nationalem Metrologieinstitut liege schließlich weiterhin vor. Außer im Saarland hätten alle Oberlandesgerichte diese Auffassung bestätigt. Doch was ist denn jetzt mit dem Bundesverfassungsgericht?

Freigabe nur, falls vorhanden


Die Antwort darauf liefert die Stadt Salzgitter unter Berufung auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes: "Klargestellt wurde vom Bundesverfassungsgericht, dass der Zugang zu bestimmten Informationen - wie den Rohmessdaten - die in der Bußgeldakte nicht enthalten, aber an anderer Stelle vorhanden sind, sicherzustellen ist", so der Fachdienst Bürgerservice und Ordnung. "Das Gerät TraffiStar S350 der Firma Jenoptik speichert softwarebedingt die Rohmessdaten überhaupt nicht. Wenn ein von der PTB zugelassenes Messgerät solche sogenannten Rohmessdaten softwarebedingt nicht liefert, liegen diese Informationen der Bußgeldstelle auch nicht vor und können demzufolge weder Bestandteil der Verfahrensakte werden, noch außerhalb der Verfahrensakte vorliegen." Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes ziele nicht darauf ab, Geschwindigkeitsmessgeräten, die keine Rohmessdaten speichern und liefern, die Verfassungskonformität abzusprechen. "Es wird lediglich gefordert, dass, wenn derartige Daten vorhanden, aber nicht Bestandteil der Bußgeldakte sind, diese im Einzelfall zur Verfügung gestellt werden müssen", so das abschließende Fazit des Fachdienstes.


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