Frankfurt.Der Kompromiss, den DFB-Präsident Grindel vor dem Außerordentlichen Bundestag des Verbands ausgehandelt hat, ist ein fauler Kompromiss. Denn mit der neuen Regelung haben sich lediglich die starken Lobbys erneut durchgesetzt und minimal nachgegeben, meint unser Kolumnist Till Oliver Becker.
Ein fauler Kompromiss
Die dickste Kuh ist bereits vom Eis, wenn heute in Frankfurt der Außerordentliche DFB-Bundestag stattfindet. Nach schwierigen Gesprächen einigten sich Präsident Reinhard Grindel und die 21 Landesverbände gestern Abend doch noch auf einen Kompromiss in der Causa Regionalliga.
Die Forderung des Amateurlagers, dass jeder der Meister dieser Ligen auch aufsteigt, wird nicht erfüllt. Es soll zwar ab der Spielzeit 2018/19 (als zweijährige Übergangslösung) vier anstatt bisher drei Aufsteiger geben, allerdings bleibt es bei fünf Regionalligen (West, Südwest, Bayern, Nord, Nordost). Der Meister aus Südwest – diese Liga ist bisher regelmäßig mit sogar zwei Vertretern in der Relegation gescheitert - steigt direkt auf. Ebenfalls ohne Umschweife hoch geht es für zwei weitere Meister. Im ersten Jahr des Provisoriums sind das der Erstplatzierte aus der Regionalliga Nordost, der andere wird zwischen dem Norden, Bayern und dem Westen ausgelost. Der vierte Aufstiegsplatz wird per Relegation zwischen den beiden verbleibenden Meistern ausgespielt. In der Saison 2019/20 erhalten die beiden Ligen der Relegationsteilnehmer dann einen einen festen Aufstiegsplatz, die Relegation spielen dann die Meister der im Vorjahr direkt aufgestiegenen Ligen. Was danach kommt? Mit diesem Kompromiss hat Grindel erst einmal Zeit gewonnen.
Und es ist ein fauler Kompromiss, der da in Frankfurt ausgehandelt wurde. Denn letztendlich haben sich durch das Beibehalten der fünf Staffeln die auf Wahrung ihrer Privilegien fixierten Verbände aus dem Süden und Westen im wesentlichen doch wieder durchgesetzt. Der Südwesten wird jetzt deutlich bevorzugt. Die Hauptargumentation ist dabei die gleiche, mit der bereits von 1994 bis 2000 Norden und Nordosten über den Löffel barbiert wurden und sich einen Aufstiegsplatz in die Zweite Bundesliga teilen mussten, während Westen und Süden direkte Aufsteiger stellten. Damals wie heute heißt es: Im Westen und Süden gäbe es doch so viel mehr Vereine, dem müsse doch Rechnung getragen werden.
Die Lobby dieser Verbände ist derart stark im DFB, dass dieses Argument das einzige ist, das zählen darf. Die übergroße Fläche des Nordens, die Historie des Ostens, die ganz offensichtlich fehlende Parität – alles unwichtig. Dabei ist allein schon die seit mittlerweile über 20 Jahren andauernde Benachteiligung des Fußball-Ostens eine schreiende Ungerechtigkeit. Denn, das Hauptargument pro Westen und Süden ist nichts anderes als ein Schlag ins Gesicht des Ostens. Schließlich wird die Region bestraft für den Umstand, dass während der DDR-Zeit Vereinsstrukturen wie in der Bundesrepublik kaum bis gar nicht entstehen konnten – es entsprach schlicht nicht dem staatlichen Ideal einer sozialistischen Gesellschaft, dass zivilgesellschaftliche Vereine am oberen Spielbetrieb teilnahmen. Stattdessen starteten überwiegend Betriebssportgruppen und Armeesportklubs in diesen Ligen.
Die Folge dieser Diskriminierung kann man heute ganz einfach ablesen: in der ersten Bundesliga spielt kein einziger gewachsener Ostverein, in der zweiten Liga sind es mit Union Berlin, Dynamo Dresden und Erzgebirge Aue nur drei. Das ist nicht einmal mehr die Hälfte dessen, was dem Osten zugestanden worden war, als die DDR-Oberliga nach der Spielzeit 1990/91 abgewickelt wurde. Damals waren mit Hansa Rostock und Dynamo Dresden immerhin zwei der 14 Erstligisten der Bundesliga zugeordnet worden, sechs Teams (Rot-Weiß Erfurt, HFC Chemie, Chemnitzer FC, Carl Zeiss Jena, Lok Leipzig und Stahl Brandenburg) landeten in der damals zweigeteilten zweiten Liga.
Es wäre an der Zeit, dass sich der DFB endlich ehrlich macht und diese Benachteiligung beendet. Das könnte er, indem er dem Fußball-Osten eine von vier gleichwertigen Regionalligen zugesteht. Die anderen drei wären Süden (mit Bayern, Baden-Württemberg, Saarland sowie Hessen oder Rheinland-Pfalz), Westen (NRW sowie Hessen oder Rheinland-Pfalz) und Norden (Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Bremen und Hamburg). Vier Ligen – vier Meister – vier Aufsteiger.
Kritiker dieses Ansatzes sagen: Wenn von fünf auf vier Ligen reduziert wird, müssen ein Fünftel der Regionalligisten absteigen. Das ist richtig, aber kein valides Argument. Denn solche Szenarien gab es schon häufiger – höherklassig zuletzt bei der Zusammenlegung der Regionalligen Nord und Süd zur eingleisigen Dritten Liga. Außerdem könnte sich der Verband auch hier endlich einmal ehrlich machen und die Zweitvertretungen der Bundesligisten aus den de facto Profiligen auf vierter Ebene verbannen. Einige dieser Bundesligisten verzichten bereits freiwillig auf eine U21 oder U23.Man könnte dann also endlich die oft diskutierte Nachwuchsrunde aus der Taufe heben – und übrig blieben ausreichend erste Mannschaften für vier Regionalligen. Manchmal kann eine faire Lösung wirklich so einfach sein. Vorausgesetzt, die Mitglieder des Deutschen Fußball-Bunds verstehen sich endlich als Solidar- und Schicksalsgemeinschaft und stellen ihre Lobbyinteressen hinten an.
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Dies ist einKommentar von Till Oliver Becker. Die Meinung des Autors entspricht nicht zwingend der Meinung unserer Redaktion.
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