Braunschweig. Bevor die 3. Liga Mitte Juli in den Spielbertrieb 2019/2020 startete, stellten wir die Gretchenfrage: Was kann und darf man von den Löwen in der neuen Spielzeit erwarten? Dazu fassten wir die Erkenntnisse des Sommers zusammen und wagten eine erste vorsichtige Prognose.
12 von 20 sehen die Löwen vorne
In der aktuellen Printausgabe des Sportmagazins "Kicker" nannten 12 von 20 Drittliga-Trainern Eintracht Braunschweig als einen Favoriten der Liga. Vor allem die zurückliegende Rückrunde habe die Übungsleiter zu diesem Rückschluss bewogen. Eintrachts neuer Cheftrainer Christian Flüthmann hielt sich im Rahmen dieser Umfrage naturgemäß ein wenig zurück: „Uerdingen, Duisburg und Rostock sind für mich die Favoriten“, sagte er dem Blatt und betonte dabei auch: „In der 3. Liga ist die Leistungsdichte aber noch enger als in der vergangenen Saison, sodass noch einige weitere Teams für den Aufstieg infrage kommen.“ Meint Coach Flüthmann damit auch seine Mannschaft?
Die stärkste 3. Liga aller Zeiten (schon wieder)
Es ist beinahe schon ein Floskel mit Wiederholungsanspruch: Erneut erwartet die Fans die stärkste 3. Liga aller Zeiten – zumindest, was die nackten Zahlen angeht. 3,09 Millionen Zuschauer sahen die Spiele in der vergangenen Saison live im Stadion und knackten damit erstmals seit Gründung der Liga die magische Marke von 3 Millionen. Dank der Rückkehr weiterer Traditionsclubs wie Magdeburg, Duisburg oder Mannheim dürfte diese Zahl in der kommenden Saison noch einmal übertroffen werden.
Das Zuschauerinteresse ist nach wie vor ungebrochen. Regional erfreulich: Mit in diesem Sommer verkauften 12.661 Dauerkarten belegt Eintracht Braunschweig schon jetzt den Spitzenplatz. Im Schnitt bewegten sich in der letzten Saison trotz der akuten Situation 18.047 (Liga-Schnitt: 8.132) an die Hamburger Straße – hinter dem 1. FC Kaiserslautern (21.315) ebenfalls der Topwert der Liga.
Für Eintracht Braunschweig und alle anderen Vereine der 3. Liga problematisch ist dagegen nach wie vor die fehlende finanzielle Strahlkraft der Liga, die nicht grundlos immer wieder als Pleite-Liga gescholten wird. Allein die Fernsehgelder helfen den Klubs wenig in Zeiten steigender Ausgaben. Bei im Schnitt 1,28 Millionen Euro in der vergangenen Saison decken die nicht einmal den nötigsten Bedarf der Vereine ab. Wie hilfreich wären da wohl knapp 12 Millionen Euro, die in der 2. Bundesliga locken?
Ein Kommen ...
Der wichtigste Personalwechsel ist der, von dem in und um Braunschweig niemand mehr reden mag: André Schubert verließ die Löwen nach einer sensationellen Rückrunde und der Rettung am letzten Spieltag wenig ruhmvoll in Richtung Kiel. Sein Co. wurde der Nachfolger: Christian Flüthmann hatte dabei an der Rettung mit Sicherheit einen entscheidenen Anteil, ist aber noch ein unbeschriebenes Blatt. Kann der 37-Jährige auch in der ersten Reihe bestehen?
Personell wurde der Kader im Sommer noch einmal auf einigen entscheidenden Positionen umgebaut. Acht Abgängen stehen sieben neue Gesichter gegenüber. Als Königstransfers darf man wohl ohne Übertreibung Martin Kobylanski (25/Preußen Münster) und Nick Proschwitz (32/SV Meppen) nennen, die vor allem in der Offensive für Belebung sorgen sollen. Auch die Rückkehr von Orhan Ademi (27/Würzburg) und die feste Verpflichtung von Leandro Putaro (22) von Arminia Bielefeld ergeben in diesem Zusammenhang Sinn, wie auch die Testspiele und 39 Tore in sechs Spielen gezeigt haben.
Immer wieder betonte Christian Flüthmann in der vierwöchigen Vorbereitung, dass vor allem die defensive Stabilität enorm wichtig sei. Lasse Schlüter (27/Energie Cottbus), Danilo Wiebe (25/Preußen Münster), Leihgabe Alfons Amadé (19/TSG Hoffenheim) und zuletzt Robin Ziegele (22/VfL Wolfsburg U23) deuten an, dass hierein Plan abgearbeitet wirdund auch Druck auf die etablierten Kräfte wie Robin Becker, Steffen Nkansah oder Niko Kijewski ausgeübt werden kann und soll. Konkurrenz belebt bekanntlich das Geschäft. Der ebenfalls in der Abwehr beheimatete Nick Otto (20) kehrte darüber hinaus nach einem halben Jahr Leihe und zehn Einsätzen in der Regionalliga Nord von der Reserve des FC St. Pauli zurück.

Königstransfers? Nick Proschwitz (re.) und Martin Kobylanski sind ein Versprechen in der Offensive. Foto: Agentur Hübner Foto: Agentur Hübner
... und Gehen
Verlassen haben die Löwen in diesem Sommer dagegen bisher acht Spieler, was auch der Gehaltsliste der Blau-Gelben zugute kommt. Jonas Thorsen (29/AC Horsens), Christoph Menz (30/Viktoria Berlin), Besfort Kolgeci (21/SF Lotte), Nils Rütten (23/vereinslos), Philipp Hofmann (26/KSC) und Mergim Fejzullahu (25/Saarbrücken) gingen. Onur Bulut (25) sucht derzeit noch einen neuen Verein, dürfte aber zeitnah der neunte Abgang werden.
Angreifer Suleiman Abdullahi (22) wurde nach dem Ende seiner Leihe von Bundesligaaufsteiger Union Berlin fest verpflichtet und spülte noch einmal kolpotierte 500.000 Euro Ablöse in die blau-gelben Kassen. Der gebürtige Braunschweiger und Super-Joker der Vorsaison, Julius Düker (23),wurde nach dem Ende seiner Leihe nicht weiter verpflichtet,läuft zukünftig für Meppen auf. Aktuell spielt Samuel Abifade (19) bei der U23 des VfL Wolfsburg vor. Er war in der abgelaufenen Rückrunde an Regionalliga-Absteiger Lupo Martini Wolfsburg ausgeliehen.

Neue Trainerbank: Cheftrainer Christian Flüthmann (li.) stehen mit Frank Eulberg (mi.) und Markus Unger (re.) zwei grundverschiedene Charaktäre zur Seite. Foto: Agentur Hübner
Erkenntnisse der Vorbereitung
Mit Bedacht steigerten Flüthmann und sein Trainerteam Markus Unger und Neuzgang Frank Eulberg die Intensität der Testspiele. Nach drei torreichen Begegnungen gegen die Amateurteams SV GW Calberlah (11:0), TSG Bad Harzburg (15:0) und den MTV Gifhorn (11:1) erreichte die Intensität beim vierten Test gegen die Reserve vom SV Werder Bremen (1:0) erstmals eine gewisse Wettbewerbstemperatur.
In den verbleibenden zwei Tests gegen die Bundesligisten Hertha BSC (1:4) und TSG Hoffenheim (0:3) kassierte Eintracht Braunschweig zwei Niederlagen, aus denen Trainer Christian Flüthmann vor dem Ligastart sicherlich einige Erkenntnisse ziehen konnte. „Unterm Strich war es ein deutliche Steigerung [...]und darauf können wir aufbauen“, sagte Flüthmann nach der Generalprobe gegen Hoffenheim. Und: „In der Woche wollen wir jetzt die Frische wieder reinbekommen und dann können wir das Spiel gegen Magdeburg positiv angehen.“
Die Euphorie scheint erneut entfacht beim Deutschen Meister von 1967. Es gibt einige Gründe, warum die Eintracht in der kommenden Saison eine andere Rolle als in der letzten spielen könnte. Und sei es nur, um zumindest nicht 12 Trainer der 3. Liga in Abrede zu stellen ...

Ungebrochenes Interesse bei den Fans: 12.661 verkaufte Dauerkarten sind Spitzenwert der 3.Liga. Foto: Agentur Hübner