Sinsheim/Braunschweig. Ermin Bičakčić war stets eine Identifikationsfigur für die Fans der Braunschweiger Eintracht. Was hat sich im Leben des sympathischen Defensivspielers getan seit seinem Wechsel zur TSG in Hoffenheim? RegionalSport.de hat sich mit Bičakčić unterhalten und nicht nur festgestellt: Eisen-Ermin bleibt Eisen-Ermin.
"Ein fantastischer Junge"
"Ich habe schon immer gesagt, Braunschweig und Hoffenheim sind einfach zwei Paar Schuhe", zieht Ermin Bičakčić gar nicht erst den Vergleich in Betracht. Seit dem Sommer des vergangenen Jahres ist der gebürtige Bosnier nun also als Fußballprofi bei der TSG Hoffenheim unter Vertrag. Am Telefon landen wir thematisch aber sehr schnell bei seinem vorherigen Verein Eintracht Braunschweig. Hier war "Eisen-Ermin" – wie ihn Torsten Lieberknecht einst taufte – eine Identifiaktionsfigur, eines der Gesichter des Aufschwungs der letzten Jahre. "Fakt ist", so Ermin, "dass Braunschweig eine Top-Adresse und Anlaufstation für junge Spieler ist. Welches Vertrauen und welche Chance man dort bekommt, sich als junger Spieler weiterzuentwickeln, das ist Wahnsinn." Er selbst nutzte diese Chance. Als sich Stamm-Innenverteidiger Matthias Henn 2013 das Kreuzband riss, war der Neuzugang vom VfB Stuttgart zur Stelle. Schnell wurde Bičakčić Stammspieler und noch mehr. "Er hat sich hier bei uns diesen entscheidenden Schliff geholt als Bundesligaspieler", erinnert sich Trainer Lieberknecht und weiter: "Er ist zum Nationalspieler geworden und er ist vor allen Dingen für Eintracht Braunschweig bei der Weltmeisterschaft anwesend gewesen. Das haben wir ja auch nicht so oft."
"Er ist zum Nationalspieler geworden und er ist vor allen Dingen für Eintracht Braunschweig bei der Weltmeisterschaft anwesend gewesen. Das haben wir ja auch nicht so oft." - Torsten Lieberknecht
TSG als Gesamtpaket die richtige Adresse
Doch auch der 'Eisen-Ermin' konnte den Abstieg aus der Bundesliga nicht verhindern. Im Sommer 2014 rief die TSG. "Mit dem Abstieg war es so, dass ich auf jeden Fall einen Schritt weiterkommen wollte, mich weiterentwickeln wollte. Und da musst du eben auf dem höchsten Niveau spielen", begründet Bičakčić den Vereinswechsel. "Die TSG hat sich über die Jahre in der Bundesliga bewiesen und ist da gut gefahren. Das war für mich am Ende des Tages als Gesamtpaket die richtige Adresse, bei der ich gesagt habe: Dort kann ich mich weiterentwickeln und genau die Ziele anstreben und erreichen, die ich mir vorgenommen habe." Die Fans haben ihm diesen Wechsel nie wirklich übel genommen, warum auch? Nicht nur Torsten Lieberknecht bezeichnet den mittlwerweile 25-Jährigen als "fantastischen" Jungen. In Hoffenheim ist der sympathische Fußballprofi der geblieben, der er irgenwie schon immer war. Er selbst beschreibt das wie folgt:
'Eisen-Ermin' ist 'Eisen Ermin' – das kann man nicht ändern. Ich kann mir die Haare morgen blond färben oder schwarz. Aber die Grundfarbe bleibt immer. Warum sollte der Eisen-Ermin nicht mehr der Eisen-Ermin bleiben?
Natürlich hat der Mann mit der Rückennummer 4 noch immer einen sehr guten Kontakt in die Löwenstadt. "Da ist noch ein sehr enger Draht zu den Jungs", sagt er und schmunzelt: "Natürlich gebe ich nicht jeden Tag Report ab, wie das vielleicht bei der Ehefrau der Fall ist". Verheiratet sei man eben noch nicht, aber mit dem Ur-Braunschweiger Marc Pfitzner plant der Ex-Löwe sogar die Urlaube zusammen. Ermin Bičakčić ist auch sportlich bei der Eintracht im Bilde: "Torsten ist immer für Ideen gut. Das war auch zu der Zeit als ich da war", hat er beobachtet. Ihn freut, dass Eintracht Braunschweig unbeirrt weiter seinen Weg geht und sich nicht davon abbringen lässt. "Die Grundtugenden sind definitiv geblieben und das zeichnet diese Mannschaft mit ihren Fans aus", so Bičakčić, der seinen "BTSV-Jungs" an dieser Stelle nur das Beste wünscht und liebe Grüße in die Löwenstadt ausrichten lässt.

Ritual: Vor jedem Spiel mit Musik in den Ohren über den Rasen schreiten, "um der Ermin zu sein, der ich bin." Foto: frank Vollmer
"Eier haben"
In Sinsheim stellte sich Ermin Bičakčić im Sommer 2014 dem Konkurrenzkampf und wurde in seiner ersten Saison als Stammspieler mit 24 Einsätzen in der Bundesliga belohnt. "Es war durchaus so, dass ich mich da schnell eingelebt habe", berichtet der Defensivspieler, der aus der Gegend stammt und auch die Familie in der Nähe weiß. "Das war so ein bisschen die Rückkehr in die alte Heimat. Innerhalb der Mannschaft wurde ich auch gut aufgenommen." Am Ende der Spielzeit 14/15 landete Hoffenheim auf Platz 8 und verpasste nur knapp die Europa League. In der aktuellen Saison lief es dann plötzlich nicht mehr so gut für das Team. Derzeit ist man sogar Tabellenletzter. Vor einigen Wochen dann der geschäftsübliche Trainerwechsel. Markus Gisdol musste gehen, der erfahrene Huub Stevens kam. Den neuen Trainer beschreibt Ermin am ehesten mit der Begrifflichkeit der 'alten Schule': "Stevens hat eine klare Linie, eine klare Vorstellung. Und die bringt er durch", hat Bičakčić bei dem 62-jährigen beobachtet. Das Umsetzen auf dem Trainingsplatz sei natürlich anfangs etwas neues gewesen, doch die Marschroute sei ganz klar vorgegeben: Die Mannschaft müsse die Situation geschlossen angehen. "Aber auch jeder Einzelne muss Charakter und Eier zeigen und seinen Mann stehen", bringt es Ermin Bičakčić auf den Punkt. Er sei da durchaus ein Typ, der aufgrund seiner Mentalität und seines Naturells damit kein Problem habe.
Ein ernstes Thema
Bei einem bestimmten Gesprächsthema wird Ermin Bičakčić kurz ernst: Als Flüchtlinge kamen er und die Familie einst selbst über Wien nach Deutschland. "Es sind brutale Parallelen. Man findet sich irgendwo auch in der ganzen Sache wieder", entfährt es ihm. "Man fühlt mit den Leuten einfach mit." Es berühre emotional sehr und er hoffe, dass "das Ganze positiv verläuft oder man das auf jeden Fall in den Griff bekommt". So sei es bei den Menschenmassen sicherlich nicht möglich, jedem zu 100% zu helfen, "Aber allein die Bemühungen, den Menschen das Gefühl zu geben: 'Wir sind da für Euch, wir helfen euch', kann enormes bewirken bei den Leuten", sagt Ermin und ergänzt: "Ich denke das ist ein Ansatz, über den man sich Gedanken machen sollte."
Sportliche Ziele
Ermin Bičakčić hat schon vieles erreicht in seinen jungen Jahren. Worin sieht er da eigentlich noch die persönlichen Ziele? "Ich bin jetzt 25 und ich denke jetzt mit Ende 20 ans Karriereende – Spaß beiseite", lacht er. Er könne noch jede Menge lernen. Aber man müsse sich auch mal bewusst werden, was man schon erreicht hat und "auch mal in den Spiegel schauen und stolz auf sich sein können", erwidert er. Doch seien Stillstand und Ruhestand immer auch ein Rückschritt. Er wolle sich weiterentwickeln. "Da ist auf jeden Fall einiges noch möglich. Von daher denke ich, dass da auf jeden Fall immer Ziele gesetzt werden müssen." Und was heißt das konkret für die nähere Zukunft? "Das große Ziel muss lauten: Mit Hoffenheim die Liga zu packen. Jeder andere Gedanke wäre nicht richtig und der falsche Weg."
Das ganze Interview mit Ermin Bicakcic
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