Braunschweig/Lille. Als Fußballfan ist man Kummer gewohnt. Dass mir ausgerechnet Air France allerdings den Start in die EM versauen könnte, hatte ich nicht eingeplant. Ein Reisebericht:
Streik, Terror und Hooligans
Samstag, sechs Stunden vor Abflug. Noch schnell den Online Check-Inn durchführen und dann ab zum Flughafen. Doch irgendwie blockt der Server der Luftlinie Air France. Dann das entscheidende Pop-Up. Die Piloten streiken, der Flug ist gestrichen. Verzweifelt versuche ich an der Hotline jemanden zu erreichen. Nach einer Stunde dann endlich ein Dame. Leider planlos. Als Alternative wird ein Frühflug ab Berlin angeboten. So schnell komme ich da aber nicht hin. Alternativ bietet sie einen Flug an, der mich rund 30 Minuten des Spiels kosten würde. Ich lehne stinksauer ab.
Nach knappen zwei Stunden Schlaf bleibt nur noch eine Option: Ab ins Auto. Knapp sieben Stunden dauert die Fahrt. An der deutsch-belgischen Grenze wird massiv kontrolliert. Die Ausschreitungen in Marseille haben zumindest bei den deutschen Behörden etwas bewirkt. Mein Auto bleibt allerdings verschont. Der einsame Journalist erscheint wohl zu harmlos.
Das scheinen die Franzosen übrigens ähnlich zu sehen. Da wird selbst an der Grenze nicht kontrolliert. Erste Polizeiwagen stehen erst in Lille am Stadion. Da bin ich dann mit dem eigenen Auto schon fast am Abstellplatz des Mannschaftsbusses gelandet. So sehen also bei unseren Nachbarn die Sicherheitskontrollen aus. In Zeiten von erhöhter Terrorgefahr schon mehr als erstaunlich.
Rund um das Stadion ist die Stimmung ausgelassen. Deutsche und Ukrainer feiern gemeinsam, knipsen Erinnerungsfotos, tauschen Schals. Lediglich in der Innenstadt haben sich ein paar Hooligans ausgetobt. Eine nicht unerhebliche Zahl hat es wohl auch ins Stadion geschafft. "Deutschland Hooligans" hallt es mehrfach durch das Rund. Es bleibt aber auch weit nach Spielende ruhig.
Aus Braunschweig sind zu meiner Freude auch eine ganze Menge Leute anwesend. Trotz telefonischem Kontakt schaffen wir es im Stadion nicht ein gemeinsames Bier zu trinken. Das ist allerdings auch kaum möglich. Das alkoholfreie lehnt der Fußballfan ja grundsätzlich ab, wenn es dann auch noch 6,50 Euro (ohne Pfand) kostet erst recht. Ein Schokoriegel für 2 Euro oder ein Sandwich für 5 Euro toppen das ganze dann noch.
Stimmungstechnisch läuft es wie bei der Eintracht in dieser Saison. Das Spiel auf dem Rasen animiert nur wenige. Es bleibt bei vereinzelten Gesängen alle fünf Minuten. Für ein Auswärtsspiel der Nationalelf eher ungewöhnlich. Normalerweise ist nur bei den Eventveranstaltungen (auch Heimspiel genannt) Totentanz. Die Kulisse ist ansonsten beeindruckend. Knapp 50.000 passen angeblich in das "Stade de Mauroy". Nur im VIP-Bereich sind einige Plätze frei. Gut 30.000 deutsche verteilen sich über mehrere Ränge. Und auch 5000 Ukrainer haben sich auf die weite Reise begeben. Viele nächtigen in ihren Autos. Bei Hotelpreisen von 120 € pro Nacht auch kein Wunder. Das Stadion selbst sorgt übrigens für wenig Begeisterung. Ein Betonklotz in einem Vorort - absolut austauschbar. Dafür steht man quasi direkt am Spielfeld auf Augenhöhe mit den Spielern. Den französischen Steuerzahler hat das Projekt satte 280 Mio Euro gekostet.
Wer bei der Ticketvergabe leer ausgegangen ist muss übrigens nicht verzweifeln. Vor dem Stadion laufen dutzende Fans rum, die noch Tickets übrig haben. Die deutschen verkaufen diese auch zum normalen Preis, nahmen hier und da ein paar Euro mehr. Lediglich die Händler aus Nordafrika versuchen aus der EM ordentlich Kapital zu schlagen. Gut zehn Minuten vor Spielbeginn haben sie aber vermutlich auch eingesehen, dass bei dem hohen Angebot niemand den vierfachen Preis bezahlt.
Am Donnerstag geht es in Paris weiter. Für viele Fans ist die Partie richtungsweisend, schließlich steht bei Sieg oder Niederlage quasi fest ob Deutschland das Achtelfinale in Lille oder St. Etienne bestreiten wird. Vorher sind Buchungen von Hotels und Fliegern mit einem gewissen Risiko behaftet.