Braunschweig. Christian Flüthmann ist seit Sommer Cheftrainer von Eintracht Braunschweig. Und doch ist er immer noch ein unbeschriebenes Blatt. Gemeinsam mit dem 37-Jährigen wagte regionalSport.de eine Reise in dessen Vergangenheit. Lesen Sie im ersten Teil unserer Serie, wie er die ersten Schritte an der Seitenlinie wagte, was König Zufall damit zu tun hatte und warum Lars Ricken ihn schon früh unbedingt nach Dortmund holen wollte.
Wenn das Telefon dreimal klingelt
Am vergangenen Samstag kam es an der Carrow Road im ostenglischen Norwich zum Aufeinandertreffen von Daniel Farke und Frank Lampard. Eintracht-Trainer Christian Flüthmann hat zu beiden Trainern eine persönliche Verbindung. Farke war 18 Monate lang sein Chef, bevor Flüthmann im vergangenen November nach Braunschweig wechselte. Mit dem zweiten, noch mehr nach der großen Fußballbühne klingenden Namen, macht er derzeit seinen Fußball-Lehrer auf der Insel.
Bereut der 37-Jährige seinen Schritt zurück nach Deutschland da nicht in stillen Momenten? „Diese Frage wird mir oft gestellt“, lächelt Christian Flüthmann und betont: „Es gibt keine Sekunde, wo ich irgendwas bereue. Ganz im Gegenteil! Für mich persönlich hat es einen höheren Stellenwert, Cheftrainer bei so einem Verein wie Eintracht Braunschweig in der 3.Liga zu sein, als in der Premier League als Co-Trainer zu arbeiten. Außerdem bin ich jemand, der immer zu seinen Entscheidungen steht.“
Man soll ihn jetzt nicht falsch verstehen, England war genau der richtige Schritt. „Den würde ich niemals rückgängig machen wollen“, betont der, den bis vor wenigen Monaten selbst Kenner der Fußballszene noch nicht auf dem Zettel hatten. Dabei ist Christian Flüthmann ein hervorragendes Beispiel dafür, dass man auch heutzutage mit guter Arbeit und Prinzipientreue sehr wohl noch etwas erreichen kann. Immerhin sorgt der Cheftrainer-Novize mit seinem torhungrigen Löwenrudel derzeit für Furore in der 3. Liga.

Seit diesem Sommer Cheftrainer bei Eintracht Braunschweig und doch ein unbeschriebenes Blatt: Christian Flüthmann. Foto: Agentur Hübner
Ein Trainer von der Pike auf
Am 7. Mai 1982 in der Universitätsstadt Münster geboren, war Christian Flüthmann keine Weltkarriere als Spieler vergönnt. Der Flügelspieler des TSV Victoria Clarholz bevorzugte das offensive Spiel, hat aber schnell gemerkt, dass er damit nicht sein BWL-Studium finanzieren konnte. „Das war ein bisschen Taschengeld, aber bis nach oben hat es nicht gereicht“, erinnert er sich. Dabei lernte er schon früh, Verantwortung zu übernehmen.
„Nachdem ich bei Victoria alle Jugendmannschaften trainiert hatte, kam das Angebot für die U19“, so Flüthmann. „Da war ich 22 und nur drei Jahre älter als die Spieler.“ Es funktionierte: „Nach zwei Jahren stand ich als Co-Trainer der ersten Mannschaft in der Westfalenliga mit an der Seitenlinie. Das war auch ein bisschen kurios, weil alle meine Freunde dort gespielt haben.“ Der Weg von ganz unten - sozusagen von der Pike auf - charakterisiert Flüthmann bis heute und bildet die Grundlage für all das, was er als Trainer und Mensch anderen mitgeben möchte.
Doch zunächst einmal klingelte im Spätherbst 2007 das Telefon bei den Flüthmanns in Bielefeld. Am anderen Ende der Leitung war der DSC. „Ich absolvierte zu dieser Zeit gemeinsam mit dem damaligen U23-Coach der Arminia einen Trainerlehrgang, so kam der Kontakt zustande“, erinnert sich Flüthmann heute. Die Arminia, damals noch Bundesligist, war eine neue Dimension für den gerade 25-Jährigen. Neben der eigenen Werbeagentur, die er kurz zuvor gegründet hatte, nahm Christian Flüthmann zusätzlich eine Aufgabe im Nachwuchsleistungszentrum auf der Alm an. Dort sammelte er erste Meriten im professonell organisierten Nachwuchsfußball.
2011 klingelte erneut das Telefon. Wieder steckte König Zufall dahinter, als der VfL Osnabrück anfragte. „Wir haben einen Spieler aus Osnabrück verpflichtet, der eine Saison von mir trainiert wurde.“ Der hat seinem alten Verein offenbar ein äußerst positives Feedback vom neuen Übungsleiter überliefert. „So kam ich als Trainer in die U17-Bundesliga“.

Jugendtrainer in Osnabrück mit erblondeten Haaren. Foto: privat
Lars Ricken holt Flüthmann zum BVB
Es war der nächste Schritt in der Trainerlaufbahn und wieder ein komplett neues Terreain mit den längeren Anreisen und den Hotelübernachtungen. Schnell ging Christian Flüthmann auch in dieser Herausforderung auf. „Die zweite Saison haben wir richtig gut gespielt.“ Und plötzlich hatte er Lars Ricken am Ohr. Die Champions League-Legende von 1997 und jetziger Chef des Dortmunder Nachwuchses rief aus einem bestimmten Grund an: „Kannst du dir vorstellen, bei uns was zu machen“, so der ungefähre Wortlaut. Angedacht war eine Stelle als Co-Trainer bei der U19 an der Seite von Marc-Patrick Meister.
Flüthmann fuhr also zum Laktattest nach Dortmund. Dort kam erneut Lars Ricken auf ihn zu: “Christian, kannst du dir auch vorstellen, die U16 als Cheftrainer zu übernehmen?“ Der Trainer des jüngeren B-Junioren-Jahrgangs war überraschend in die Türkei gewechselt. „Klar kann ich mir das vorstellen“, entfuhr es Flüthmann, der die darauffolgenden vier Jahre im NLZ bei Borussia Dortmund verbrachte und dort auch von Jürgen Klopp und Thomas Tuchel lernte. „Das war der Moment, in dem ich meine Selbstständigkeit aufgegeben habe und meinen Lebensunterhalt komplett mit Fußball verdienen konnte“, erinnert sich Flüthmann.
Es ist schon irgendwie bezeichnend, dass die Anfragen auch in den folgenden Jahren immer zu Christian Flüthmann kamen und nicht andersrum. Vermutlich liegt es auch nur daran, dass Christian Flüthmann vieles richtig gemacht hat in gewissen Dingen. Von der Bezirksliga-Jugend in die Nachwuchs-Bundesliga in fünf Jahren – ein Lebenslauf als komplette Ausbildung für die Dinge, die da noch kommen.
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Lesen Sie in Teil 2, wie Christian Flüthmann als Co-Trainer zu Norwich City kam und was für ihn das Besondere an der englischen Fußballkultur ist.
https://regionalsport.de/gestatten-fluethmann-teil-2-das-abenteuer-norwich-city/
https://regionalsport.de/gestatten-fluethmann-teil-3-das-wunder-von-braunschweig/
https://regionalsport.de/gestatten-fluethmann-teil-4-die-24-prinzipien/