Braunschweig. Ein Beiname genügt und fast jeder Blau-Gelbe weiß sofort, um wen es sich handelt. Schon die eindrucksvollen Zahlen von 74 Toren in 260 Partien sprechen für das frühere Braunschweiger Idol. Wenn ein ehemaliger Spieler den Titel „Kult-Stürmer“ verdient hat dann Bernd Buchheister!
"Eintracht ist ein Theaterstück."
Eigentlich müsste Bernd Buchheister aufgrund der Corona-Krise zu Hause bleiben, doch das kann er seinen Hunden nicht antun. Seit 1993 ist der 57-Jährige in Hamburg ansässig und arbeitet als sogenannter Dog-Walker und Tiertrainer. „Ich war schon immer sehr Tier affin. Ein Job im Fußballbereich hätte mich überhaupt nicht gereizt. Ich muss auch sagen, dass ich so gut wie kein Fußball im TV schaue. Mit meiner Arbeit habe ich eine Leidenschaft gefunden, die mich total erfüllt“, erklärt Buchheister.
Dabei war seine große Leidenschaft vor gut 40 Jahren noch eine ganz andere: „Ohja! Es war eine andere Zeit. Ein anderes Leben“ schießt es da dem 57-Jährigen aus dem Mund. Es ist der Startschuss für ein Gespräch, das einen kleinen Einblick in das frühere Leben des Mannes gewährt, der von den Braunschweigern geliebt, gehasst und verehrt wurde.
An den ersten Kontakt mit seiner Eintracht kann sich 'Buche' noch sehr gut erinnern: „Ich muss gestehen, mich hat die Eintracht als Kind nur interessiert, weil ich dort Flaschen sammeln konnte, um damit mein Taschengeld aufzubessern. Erst als ich älter wurde habe ich den Mythos Eintracht verstanden. Den Verein in Worten zu erklären ist verdammt schwierig und trotzdem versuche ich es: Eintracht ist ein Theaterstück. Alles wird dir geboten, Hoffnung, Verzweiflung, Erfolg. Vor allem ist Eintracht Liebe. Wenn du dein hartverdientes Geld – obwohl du alles damit machen könntest – diesem Verein gibst, damit er leben kann, dann ist das Liebe“, betont Buchheister.

Neu bei den Löwen im Sommer 1985: Jörg Hoßbach, Lutz Fischer, Bernd Buchheister und Trainer Willibert Kremer (vlnr.). Foto: Agentur Hübner/Archiv
"Das Hobby zum Beruf machen"
Doch was liebten die Menschen an einem Spieler, der nie Nationalspieler war, der nie Bundesligaspieler war und doch in Braunschweig eine besondere Stellung einnahm? Vielleicht weil 'Buche' ein Spiegelbild des normalen Braunschweiger Bürgers war: Nie abgehoben, nie nachtragend, aber jemand der das Leben und den Fußball liebte. „Eintracht war und ist mein Verein. Ich komme vom Dorf, für mich war es das Größte, als ich beim BTSV unterschreiben durfte. Man sagt ja immer: 'Das Hobby zum Beruf machen' und das war in der Tat so. Mein erster Vertrag beinhaltete 3.500 DM brutto. Bei Volkswagen habe ich mehr verdient, aber ich wusste, diese Chance bekomme ich nur einmal. Welche Ausstrahlung ich für den Verein und besonders als Person hatte, wurde mir erst viel später bewusst“, reflektiert Buchheister.
Gleich in der ersten Spielzeit spielte sich der „junge Bengel aus Rautheim“ in die Herzen der Zuschauer – damals noch mit kurzen Haaren. Am Ende standen 8 Tore in 34 Spielen zu Buche. Mit der Zeit wuchsen die Haare und der Mythos entstand. Zum Mythos Buche Buchheister gehörte auch sein erstes Auto – ein blaues Erdbeerkörbchen, ein VW Golf Cabriolet.
'Bacardi-Bernd' und das Sommerloch
Doch Hand aufs Herz, stört es einen nicht, wenn man nur als 'Bacardi-Bernd' oder dem 'Mann aus dem Atlantis' angesprochen wird und bei einigen Fans in Erinnerung bleibt? „Wenn, muss man schon bei der Wahrheit bleiben: Ich war nicht nur der Mann aus dem Atlantis, sondern auch der Mann aus dem Offshore. Wir kannten den damaligen Geschäftsführer gut und dieser hat uns häufig sonntags aufgemacht, damit wir unsere Privatpartys feiern konnten. Mein Auftreten passte vielleicht nicht nach Braunschweig. Lange Haare, großes Selbstvertrauen, nie um einen Spruch verlegen. Ich liebte das Nachtleben. Ich könnte sagen, das Leben ist zu kurz, um es nicht auszutesten und zu genießen. Als meine Eltern meinen Namen in der Zeitung gelesen hatten – und es ging nicht um Fußball – ist meine Mutter fast in Ohnmacht gefallen. Sie war wohl davon ausgegangen, dass ich ein ganz schüchterner Mann bin“, sagt Buchheister augenzwinkernd.
Und wie ist der Name 'Bacardi-Bernd' entstanden? „Im Sommer hatte die Sportbild ein Sommerloch und druckte im Innenteil ein Bild von mir und einer Bacardi-Flasche mit den Worten ab: „Zwei die sich mögen“. Wie es sich für die Bild-Zeitung gehört, haben sie eine braune Bacardi-Flasche abgedruckt, dabei habe ich nur den weißen getrunken. Ende der Geschichte war: Ich habe sie verklagt und Recht bekommen. Jahre später teilte mir der damalige Redakteur mit: Sie hätten eingeplant, dass sie verklagt werden und haben die Geschichte nur platziert, um mehr Aufmerksamkeit zu bekommen.“
Obwohl Buchheister selber über seinen Ruf lachen kann, stört ihn die Tatsache, dass er als absoluter Partygänger und Alkohol-Profi dargestellt wurde: „Dass Braunschweig ein Dorf ist hat auch seine Schattenseiten. Ein Gerücht in die Welt gesetzt und es ist nicht mehr aufzuhalten. Klar, bin ich feiern gegangen und manchmal auch, wenn es unpassend war. Aber ich habe nie zu Hause Alkohol getrunken und außer Bacardi-Cola kam mir auch keine andere Spirituose ins Glas. Zudem war ich nicht jedes Wochenende auf der Piste und bestimmt nicht vor den Spielen oder unterhalb der Woche. Dafür war ich zu sehr Fußballprofi. Manchmal sollte man nicht über Personen urteilen, die man nicht kennt“, betont ein leicht ernster Bernd Buchheister.
Jägerschnitzel mit Pommes vor den Spielen
Trotz oder gerade wegen der Eskapaden liebten ihn die Braunschweiger und er erreichte Kultstatus. Dabei war Buchheister ein begnadeter Fußballer. Eigenschaften wie: robust, schnell, wendig und gefährlich im Abschluss sorgten dafür, dass er in 260 Partien 74 Tore erzielte. Seine wohl wichtigsten Treffer erzielte er im Spiel gegen den FC Schalke 04 in der Spielzeit 89/90. Ein lupenreiner Hattrick sorgte dafür, dass seine Eintracht auf die Siegerstraße kam. Am Ende stand es 5:1 aus Sicht des BTSV.
Besonders die Jahre unter Trainer Uwe Reinders sieht er als seine erfolgreichsten Jahre an: „Menschlich war Uwe überragend. Nur von Trainingssteuerung und Intensität hatte er keine Ahnung, im Nachhinein kann man ihm aber keinen Vorwurf machen, er wusste es nicht besser. Jedoch hat er uns kaputt trainiert. Wenn das nicht passiert wäre, wären wir in die Bundesliga aufgestiegen, da bin ich mir sicher“, betont der ehemalige Angreifer.
Neben dem zu hartem Training war wohl auch die Ernährung ein Schwachpunkt: „Ich kann mich gut daran erinnern, dass wir vor den Spielen Jägerschnitzel mit Pommes gegessen haben. Einmal die Woche gab es auch Currywurst oder Pizza. Wenn du dich gut ernährt hast, hast du Wasser dazu getrunken“, lacht die Stürmer-Legende, die heute komplett verändert lebt: „Die Haare sind ab. Ich verzichte zum größten Teil auf Fleisch, esse viel Gemüse und trinke auch viel Wasser.“
Eine Veränderung hätte ihm – wie er selbst zugibt – auch damals gut getan. Doch Bernd Buchheister entschied sich immer wieder für Eintracht Braunschweig und gegen einen Wechsel: „Nach unserem ersten Abstieg hätte ich gehen sollen. Jedoch wollte ich die Eintracht nicht im Stich lassen. Ich habe zu schlechteren Konditionen verlängert, damit es der Eintracht besser geht“, sagt Buchheister.
Nicht mal ein Strauss Blumen zum Abschied
Damals gab es das Gerücht, dass der Karlsruher SC den Eintracht-Stürmer verpflichten wollte. „Das ist kein Gerücht! Auch Düsseldorf und Stuttgart wollten mich holen. Das Angebot vom KSC war konkret. 360.000 Mark Grundgehalt hätte ich bekommen. Der KSC wollte 800.000 Mark Ablöse zahlen, Eintracht verlangte eine Million und ließ auch nicht mit sich reden – der Wechsel scheiterte“, erinnert sich Buchheister.
Doch wie im richtigen Leben kann die Liebe auch schmerzhaft sein, wenn man über Jahre alles gibt und dann keine Dankbarkeit bekommt: „Das ich damals nicht wechseln durfte ist eine Sache und es ist mühsam darüber zu diskutieren, weil ich schlechte Laune davon bekomme. Jedoch die Art und Weise, wie der Verein mit mir nach meinem Abschied umgegangen ist, war einfach enttäuschend. Klar, ich habe am Ende die Entscheidungen immer selber getroffen und wenn einer Schuld hat, dann ich selbst. Aber nach all den Jahren, keinen Blumenstrauß, keine Dankesworte, nicht mal, als ich mit dem SV Lurup in Braunschweig war. Für mich ist Harald Tenzer stellvertretend für die damalige Vereinsführung eine menschliche Enttäuschung“, erzählt Buchheister.
Doch der Groll richtet sich nur gegen einzelne Personen nicht jedoch gegen Eintracht Braunschweig: „Diese Liebe wird niemals vergehen. Im VIP-Bereich habe ich gehört, hängen zwei Fotos von mir. Der Junge aus Rautheim, neben Nationalspielern und deutschen Meister – unfassbar. Ich hoffe die Fans vergessen mich nicht und ich bin ihnen in guter Erinnerung geblieben.“ Wieso sollte man auch eine der schillerndsten Figuren, die jemals für Eintracht Braunschweig auflief vergessen?
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