Gestern Eintracht, heute: Bernd Eigner, der knallharte Abräumer

Teil 15 unserer Serie über ehemalige Fußballhelden von Eintracht Braunschweig.

von Henrik Stadnischenko


Bernd Eigner eilte der Ruf des knallharten Verteidigers voraus.
Bernd Eigner eilte der Ruf des knallharten Verteidigers voraus. | Foto: imago/Rust

Braunschweig. Fragt man die Fans von Eintracht Braunschweig nach ihren Aufstiegshelden von 2002, fallen sofort Namen wie Weetendorf, Zimmermann oder Teixeira. Mindestens genauso wichtig war jemand, der hinten den Laden dicht gehalten hat – Bernd Eigner.

"Wir haben keine Kneipe in Braunschweig ausgelassen!"


In der Aufstiegssaison 2001/2002 galt Bernd Eigner als Inbegriff des knallharten Verteidigers. Nicht umsonst eilte ihm der Ruf voraus: „Eher zieht der Gegner zurück als Bernd Eigner“. Trotz seiner sehr robusten Spielweise agierte Eigner nie unsportlich und sah in der gesamten Saison "nur" sechs gelbe Karten.

Doch nicht nur wegen seiner Spielweise ist er den Fans in guter Erinnerung geblieben, sondern wegen seines entscheidenden Führungstreffers gegen Holstein Kiel im viertletzten Spiel der Saison: „Ich glaube, das war der zweitwichtigste Kopfball während meiner Zeit in Braunschweig. Das Spiel war sehr verfahren und wir mussten gewinnen, um den Rückstand auf den damaligen Zweiten Essen wettzumachen. Die wichtigste Aktion war jedoch meine Kopfball-Verlängerung auf Thomas Piorunek gegen Wattenscheid. Vor allem die Bilder nach dem Spiel vergesse ich nicht mehr. Torsten Sümnich, Dirk Weetendorf, Frank Edmond und meine Wenigkeit haben keine Kneipe in Braunschweig ausgelassen. Ich würde sagen, ich kannte danach wirklich jede."

"Geprägt von ganz feinen Menschen"


Der besagte Abend begann schon feucht-fröhlich. Bevor sich die Löwen in die Kneipenszene stürzen konnten, mussten sie mit der Straßenbahn in die Stadt, weil sie schon ein paar Bierchen gehabt hatten. "Also haben wir in der Bahn mit den Fans angestoßen und Fangesänge angestimmt. Auch die Aufstiegsfeier mit den Sponsoren war unglaublich. Die gesamte Mannschaft ist in Raupenform in das VIP-Zelt einmarschiert. Der Höhepunkt war jedoch die Feier auf dem Rathausbalkon. Man konnte die Straßenschilder gar nicht mehr erkennen, weil überall Fans saßen. Nicht nur die Spieler waren damals echte Typen auch der Betreuerstab war geprägt von ganz feinen Menschen – Jumbo Weisheit, Henryk Matros, Werner Kranz und natürlich Bussi“, erzählt Eigner freudestrahlend.

Besonders aus dem Schwärmen über die Eintracht-Fans kommt er nicht mehr raus: „Eintracht Braunschweig ist für mich gelebte Tradition. Eintracht zieht dich in den Bann und lässt dich nicht mehr los. Der Spruch „einmal Löwe immer Löwe“ ist für mich kein Spruch, sondern pure Identifikation und Leidenschaft. Der Aufstieg hat damals gezeigt, wie sehr die Fans zu ihrem Verein halten und was der Verein ihnen bedeutet. Man konnte förmlich spüren, wie sehr die Zuschauer nach dem Erfolg geletzt hatten, nach den zuvor mageren Jahren“, blickt Eigner zurück.

Jähes Ende in Braunschweig


Während die Aufstiegsfeier positive Erinnerungen hervorruft, sorgt der 15. Januar 2003 für gemischte Gefühle. Im Training zog sich der heute 47-Jährige einen Kapselanriss und eine Bänderzehrung zu. Eigentlich keine allzu komplizierte Verletzung, doch Eigner wollte seiner Mannschaft, die im Abstiegskampf steckte, unbedingt helfen und entschied sich frühzeitig wieder ins Training einzusteigen – zu früh! Die alte Verletzung brach wieder auf und Eigner kam im Laufe der Saison nicht mehr an seine Leistungsstärke ran. Die Folge: Sein auslaufender Vertrag wurde nicht verlängert.

„In dem Augenblick, wo mir der Verein mitgeteilt hat, dass mein Vertrag wird nicht verlängert, ist für mich eine Welt zusammengebrochen, einfach weil der Verein nicht irgendein Verein oder ein Job war. Für mich stand mehr dahinter. Ich habe auch sehr gerne für den FC St. Pauli gespielt und mich mit den Fans identifiziert. Jedoch war die Verbundenheit zu Eintracht noch intensiver und einzigartig. Man kann das schlecht beschreiben, aber Eintracht Braunschweig und das Umfeld haben eine eigene Mentalität. Ich habe in Braunschweig auch meine Frau kennengelernt und ich bin mir sicher, wenn diese Verletzung nicht aufgetreten wäre, hätte ich noch einige Jahre für die Eintracht gespielt“, ist sich die ehemalige Nummer 3 sicher.

"Hier ging es nie darum, schön Fußball zu spielen, sondern Fußball zu arbeiten."


Dass Bernd Eigner von den Fans in Braunschweig überhaupt angenommen wurde ist keine Selbstverständlichkeit – der Abwehrrecke kam ausgerechnet vom Rivalen aus der niedersächsischen Landeshauptstadt: „Der damalige Trainer Reinhold Fanz kannte mich aus meiner Zeit bei Hannover. Ich habe keine Skepsis gegenüber meiner Person gespürt. Selbst, wenn da welche gewesen wäre, wusste ich, ich kann die Fans nur mit Leistung und Leidenschaft überzeugen. Meine Art Fußball zu spielen hat, glaube ich, gut nach Braunschweig gepasst. Hier ging es nie darum, schön Fußball zu spielen, sondern Fußball zu arbeiten. Meine Stärken hatte ich im Zweikampfverhalten und im Kopfballspiel. Manchmal konnte ich einen Ball auch halbwegs gerade spielen“, sagt Bernd Eigner schmunzelnd.

Während der Abwehrspieler vier Jahre in Braunschweig unter Vertrag stand waren die Spielzeiten zuvor von Leihen oder kurzzeitigen Intermezzos geprägt. Dementsprechend kann er verstehen, dass es für Leihspieler schwierig ist eine Bindung zum Verein aufzubauen oder gar eine Identifikation zu schaffen: „Leihspieler sind ein heikles Thema in Sachen Identifikation. Die Jungs, und das kann man ihnen nicht vorwerfen, sind rein auf das Sportliche konzentriert. Die interessiert es zu Beginn überhaupt nicht, für welchen Verein sie spielen, weil sie in einem Jahr wahrscheinlich wieder weg sind. An diesem Punkt müssten die Vereine angreifen und Fanabende organisieren. Ich spreche aus eigener Erfahrung. Als neuer Spieler ist dir vieles nicht bewusst, du denkst dir: Traditionsverein schön und gut, große Fanlandschaft schön und gut. Interessiert mich aber nicht, ich will einfach nur kicken."

Dabei weiß Bernd Eigner heute auch um die Bedeutung der Fans, was einen anderen Aspekt angeht: "Zu meiner aktiven Zeit war es extrem wichtig, an diesen Fanveranstaltungen teilgenommen zu haben. In den Gesprächen mit den Fans kriegt man erst wirklich ein Gespür dafür, dass der Verein für die Zuschauer etwas Besonderes ist. Ich würde sagen eine Wohlfühloase. Ich nehme die Spieler aber auch in den Schutz. Wenn es keine Möglichkeit für die Spieler gibt, einen direkten Austausch zu bekommen, wie sollen sie dann die Werte des jeweiligen Vereins verstehen und übernehmen? Zu meiner Zeit hat der Verein das super gehändelt."

"Zeugwart" Peter Vollmann


So habe es regelmäßige Veranstaltungen gegeben. "Manchmal wurde es lauter, manchmal gab es Lob. Aber immer mit dem Ziel einen Austausch und Bindung zu schaffen“, betont Bernd Eigner, der zum Abschluss noch eine schöne Anekdote erzählt: „Wir hatten ein Auswärtsspiel und kamen am Hotel an. Trainer Peter Vollmann vergaß etwas im Bus und musste nochmal rein. In der Zwischenzeit sprach die Hotelchefin Bussi Skolik an, wahrscheinlich, weil sie vermutete, er wäre unser Trainer, und zeigte ihm das komplette Hotel. Als die beiden wiederkamen, meinte Bussi nur: 'Wichtig ist jetzt noch zu wissen, wo die Waschräume sind, damit der Zeugwart sich vorbereiten kann' und zeigte dabei auf Peter Vollmann. Das Spiel haben wir selbstverständlich dank der feingebügelten Trikots gewonnen“, lacht Eigner.

Eintracht Braunschweig 2002/2003 (hi.v.li.): Henryk Matros, Markus Küpper, Jacob Thomas, Sven Schuchardt, Thomas Ridder, Rudi Istenic, Adama Niang, Torsten Sümnich, Jürgen Rische, Christian Skolik, Mitte: Peter Vollmann, Jürgen Weisheit, Dirk Weetendorf, Janosch Dziwior, Stefan Pientak, Thomas Piorunek, Jan Schanda, Abdoul Thiam, Bernd Eigner, Holger Karp, Daniel Teixeira, Dr. Stumm, Mehlhorn, Peter Zanter, vorn: Markus Osthoff, Sascha Hörster, Tibor Nadj, Alexander Kunze, Alexander Ogrinc, Jan Spoelder, Alessandro da Silva, Lars Fuchs, Michel Mazingu Dinzey
Eintracht Braunschweig 2002/2003 (hi.v.li.): Henryk Matros, Markus Küpper, Jacob Thomas, Sven Schuchardt, Thomas Ridder, Rudi Istenic, Adama Niang, Torsten Sümnich, Jürgen Rische, Christian Skolik, Mitte: Peter Vollmann, Jürgen Weisheit, Dirk Weetendorf, Janosch Dziwior, Stefan Pientak, Thomas Piorunek, Jan Schanda, Abdoul Thiam, Bernd Eigner, Holger Karp, Daniel Teixeira, Dr. Stumm, Mehlhorn, Peter Zanter, vorn: Markus Osthoff, Sascha Hörster, Tibor Nadj, Alexander Kunze, Alexander Ogrinc, Jan Spoelder, Alessandro da Silva, Lars Fuchs, Michel Mazingu Dinzey Foto: imago/Rust


Teil 14: Valentin Nastase


Teil 13: Uwe Zimmermann


Teil 12: Thorsten Kohn


Teil 11: Kingsley Onuegbu


Teil 10: Leo Maric


Teil 9: Daniel Teixeira


Teil 8: Marjan Petkovic


Teil 7: Dirk Weetendorf


Teil 6: Frank Edmond


Teil 5: Ahmet Kuru


Teil 4: Dennis Brinkmann


Teil 3: Jan Tauer


Teil 2: Marco Grimm


Teil 1: Michél Dinzey


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