Gestern Eintracht, heute: Dennis Brinkmann - der gefallene Kapitano

Teil 4 unserer Serie über ehemalige Fußballhelden von Eintracht Braunschweig.

von Henrik Stadnischenko


Nebulös: Im März 2010 war Löwenkapitän Dennis Brinkmann von heute auf morgen weg.
Nebulös: Im März 2010 war Löwenkapitän Dennis Brinkmann von heute auf morgen weg. | Foto: Frank Vollmer/Archiv

Braunschweig. Über fünf Jahre gehörte Dennis Brinkmann zu den Leistungsträgern bei Eintracht Braunschweig, jedoch endete seine Zeit in der Löwenstadt abrupt. Gegenüber regionalsport.de sprach der ehemalige Mittelfeldspieler über seinen schmerzhaften Abschied, seine glückliche Zeit in Braunschweig und warum er stolz war, die Kapitänsbinde getragen zu haben.

"Laut, emotional, leicht schmutzig aber extrem herzlich und familiär."


Man merkt im Gespräch sofort, dass es Dennis Brinkmann nicht leicht fällt über seinen fragwürdigen Abgang zu sprechen und er lieber über die schönen Momente in Braunschweig reden möchte. Und als er anfängt über alte erfolgreiche Zeiten zu sprechen, merkt man wie sich die Stimme erhebt und der Dennis Brinkmann hervorkommt, den man als Spieler in bester Erinnerung hat – Anführer, Kämpfer, Kapitän.

„Die Eintracht ist schon ein geiler Verein. Laut, emotional, leicht schmutzig aber extrem herzlich und familiär. Wir sind damals aus Aachen gekommen und da war die Messlatte schon sehr hoch, aber Braunschweig ist eine Stadt mit besonderem Flair und Charme. Wir haben im östlichen Ringgebiet gewohnt und man hatte nicht das Gefühl, dass man mitten in einer Stadt lebt.

Und über den Weihnachtsmarkt brauchen wir nicht sprechen, für mich gehört er zu den schönsten in ganz Deutschland“, so Brinkmann, der auch gleich eine schöne Anekdote aus seiner Anfangszeit bei der Eintracht erzählt: „Zu Anfang wurde ich kritisch beäugt und es hieß nur, der feine Herr aus Aachen kommt (Brinkmann spielte mit der Alemannia im UEFA-Cup und stand im DFB-Pokal-Finale 2004, d.Red). Insbesondere Patrick Bick hatte sich Sorgen um seinen Stammplatz gemacht und hat im Training sehr hart an der Grenze zum Erlaubten gespielt. Irgendwann hat es mir gereicht, ich habe meine Fähigkeiten ausgepackt und es ging ein wenig härter im Training zur Sache. Ich glaube nach einer Trainingseinheit musste er auch das darauffolgende Spiel aussetzen. Danach sind wir aber die besten Freunde geworden und haben heute immer noch hervorragenden Kontakt“, so Brinkmann lachend, der mittlerweile wieder in seiner Heimatstadt Essen lebt.

19. Dezember 2009 gegen Borussia Dortmund II.
19. Dezember 2009 gegen Borussia Dortmund II. Foto: Frank Vollmer/Archiv


Mit der Zeit steigerte sich die Beliebtheit von Brinkmann in der Kabine, seine Rolle als Leistungsträger füllte er vollstens aus und wurde Kapitän. Holger Wehlage sprach später mal davon, dass Brinkmann sich sehr um seine Mitspieler gekümmert hätte, indem er zum Beispiel mittags mit den neuen Spielern Essen gegangen sei oder Mannschaftsabende organisiert hätte. Zudem habe er sich schützend vor andere Spieler gestellt, wenn es mal nicht so gut lief. „Für mich waren diese Dinge selbstverständlich. Ich wusste aus eigener Erfahrung wie es ist, wenn du alleine in eine fremde Stadt kommst und keinen kennst. Zudem waren wir alle nicht die größten Fußballer und mussten dementsprechend über den Teamgedanken kommen", so Brinkmann.

"Das schönste Kompliment eines Eintracht-Fans."


"Wenn jedoch einer an dieser Stelle aber gelobt werden sollte, dann Bussi Skolik. Ich kenne keinen, der die Eintracht mehr im Herzen trägt wie er. Egal was du brauchtest, Bussi hat es besorgt. Du brauchtest eine Person zum Reden - Bussi war da. Bussi ist für mich eine Seele von Mensch“, so Brinkmann, den es noch heute mit Stolz erfüllt, dass er für die Eintracht als Kapitän auslaufen durfte. „Man braucht nicht Bundesliga zu spielen, um zu erleben, was in deinem Körper passiert, wenn du eine Wand hinter dir stehen hast. Automatisch geht die Brust raus. Ich will die heutigen Spieler nicht kritisieren, aber die heutige Generation ist mir ein wenig zu mimosenhaft geworden. Anstatt wertzuschätzen was es bedeutet, wenn 15 bis 20.000 Fans ins Stadion kommen, heult man auf gut Deutsch rum, wenn man mal ausgepfiffen wird. In dem Augenblick, wo wir ausgepfiffen wurden, war unser Antrieb, jetzt zeigen wir es euch richtig. Wir fighten und kämpfen und dann sind Fans und Mannschaft eine unschlagbare Einheit, ansonsten wären solche Spiele wie gegen Dortmund nicht möglich gewesen“, so der heute 41-Jährige, von dem wir wissen wollen, was das schönste Kompliment eines Eintracht-Fans an ihn gerichtet war.

„Nach dem Spiel gegen Magdeburg, in dem ich auch getroffen hatte, sprach mich ein Fan am Zaun an und sagte: 'Dennis du kommst zwar nicht aus Braunschweig, aber du bist ein echter Braunschweiger. Ich hoffe du bleibst noch lange und wirst zu einer echten Eintracht-Legende' “, so Brinkmann, der leise für sich hinsagt. „Leider ist es nicht so gekommen.“ Und Brinkmann ahnt, welche Frage jetzt kommen muss. 'Dennis was ist genau in den letzten März-Tagen im Jahr 2010 passiert, dass es zu so einem unglücklichen Abgang kommen musste?'.

2016 für knapp ein Jahr Trainer der Wuppertaler U19.
2016 für knapp ein Jahr Trainer der Wuppertaler U19. Foto: privat


Nebulöser Abgang im Frühjahr 2010


Man spürt, dass er froh ist, dass ihm jemand diese Frage stellt. „Vor dem Heidenheim-Spiel wurde in der Kabine der Kader für dieses Auswärtsspiel aufgehangen. Ich stand nicht im Kader. Es hatte zuvor keiner mit mir darüber gesprochen. Von den Co-Trainern erhielt ich nur die Antwort: 'Torsten hat so entschieden, sprich bitte mit Torsten'. Das Problem war, der weilte zu der Zeit auf einem Lehrgang und war nicht erreichbar“, erklärt Brinkmann.

Statt mit einem erlaubten 18er-Kader trat die Eintracht, damals mit nur einem 17er-Kader und ohne Dennis Brinkmann, die Reise nach Süddeutschland an. Bitter für Brinkmann, schließlich waren Lieberknecht und Brinkmann als Spieler eng befreundet. „Es ist logisch, dass das Spieler/Trainer-Verhältnis nicht zu harmonisch sein darf. Doch nach all den Jahren, die wir zusammen erlebt haben, hätte ich mir ein wenig Ehrlichkeit gewünscht“, so der ehemalige Eintracht-Kapitän.

Was keiner weiß, Brinkmann galt es Fürsprecher von Torsten Lieberknecht. „Es gab nach dem Rücktritt von Benno Möhlmann Stimmen im Verein, die Torsten die Aufgabe nicht zugetrauten und stattdessen einen erfahrenen Trainer holen wollten. Ich habe aber hinter Torsten gestanden und den Verantwortlichen gesagt: 'Wenn uns jemand retten kann dann Torsten'. Wenn man sich anschaut was er in Braunschweig erreicht hat, war es die richtige Entscheidung“, so Brinkmann.

Es folgte das Heimspiel gegen Wuppertal. Wieder stand Brinkmann nicht im Kader und ihm platzte der Kragen. „Torsten wollte nicht mit mir reden, die Co-Trainer sagten mir bloß: 'Der Cheftrainer hat so entschieden'. Torsten ließ sich auch von keiner anderen Meinung überzeugen, selbst als der komplette Mannschaftsrat dafür plädierte mich wieder in den Spieltagskader aufzunehmen. Daraufhin bin ich zu Marc Arnold gegangen, der mir nur sagte: 'Dennis du kannst so gut trainieren, wie du willst, du schaffst es nicht in den Kader. Es hat keine sportlichen Gründe.' Das hat mich so schockiert, dass ich in der Kabine verkündet habe, dass ich unter diesen Voraussetzungen kein Kapitän mehr sein kann und auch im Mannschaftsrat nicht mehr bleiben kann. Ich habe bis heute nicht erfahren, welches persönliches Problem Torsten mit mir hat oder hatte", so Brinkmann.

„Gestört ist noch nett ausgedrückt."


"Aus heutiger Sicht waren meine Fehler, dass ich während der Zeit geschwiegen und mich zu schnell abservieren lassen habe, aber ich wollte Schaden von der Mannschaft abwenden und einfach nur Fußball spielen“, betont Brinkmann, der anschließend zur TuS Koblenz wechselte. Das Gerücht, er wäre gegen die jungen Spieler ausfallend und beleidigend geworden und infolgedessen aus dem Kader geflogen, traf ihn besonders. „Wenn ich so ein schrecklicher Mensch gewesen wäre, wäre dann die komplette Eintracht-Mannschaft und ich sage komplett, beim Auswärtsspiel in Koblenz auf mich zugekommen und hätte mich herzlich begrüßt?“, fragt der 41-Jährige rhetorisch.

Sein Verhältnis mit Torsten Lieberknecht gilt seitdem als gestört. „Gestört ist noch nett ausgedrückt. Ich bin menschlich von ihm so enttäuscht worden, dies ist nicht wiedergutzumachen. Krass ausgedrückt, wenn er mir die Hand reichen würde, ich würde sie nicht annehmen,“ klare Worte vom Ex-Löwen. Gegen die Eintracht hegt er hingegen keinen Groll. „Die Fans haben mich immer fantastisch unterstützt, warum sollte ich da jeglichen Groll hegen? Ich wäre der Letzte, der der Eintracht Misserfolg wünschen würde. Auch wenn der Abschied bescheiden war, nimmt mir keiner die tollen und schönen Momente. Wie heißt es so schön in Braunschweig, einmal Löwe, immer Löwe.“

Gestörtes Verhältnis: Von heute auf morgen ließ Trainer Torsten Lieberknecht (li.) seinen Kapitän fallen.
Gestörtes Verhältnis: Von heute auf morgen ließ Trainer Torsten Lieberknecht (li.) seinen Kapitän fallen. Foto: imago/Hübner



Teil 3: Jan Tauer



Teil 2: Marco Grimm



Teil 1: Michél Dinzey

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