Braunschweig. Für viele Spieler war Eintracht Braunschweig ein Sprungbrett. Von hier aus stiegen Akteure zum Bundesligaspieler auf oder wurden in Laufe ihrer Karriere zur Legende im Verein. Es gibt aber auch Profis, für welche die Station Eintracht Braunschweig nicht so erfolgreich verlief und die Braunschweig dennoch in positiver Erinnerung behalten, weil die Station der Startschuss für ein neues Leben war. So wie im Fall von Fabian Bröcker.
Es existiert dieses eine Foto: Die Neuzugänge Kumbela, Kruppke und Nastase stehen zusammen. Bei der vierten Person fragt man sich als Betrachter, wie und warum sich ein Fan mit auf das Bild geschlichen hat. Dabei handelt es sich doch um Fabian Bröcker. Dass sich viele an den Innenverteidiger kaum mehr erinnern können, sagt einiges über seine Spielzeit in Braunschweig aus und trotzdem kann der Ex-Profi ein Vorbild für jeden Fußballprofi sein.
"Der Profifußball ist ein Drecksgeschäft!"
Doch alles der Reihe nach: Wir schreiben die Saison 2007/2008. Die Qualifikation für die eingleisige 3. Liga scheint gefährdet und so entscheidet sich der damalige Trainer Benno Möhlmann, in der Winterpause nachzurüsten. Unter anderem mit der Verpflichtung von Fabian Bröcker. Der damals 25-Jährige erhält nach einem Probetraining einen Vertrag bis zum Saisonende. Von dem Abwehrmann hält Möhlmann eine Menge. Gut drei Jahre zuvor galt Bröcker als interessantes Talent, schaffte es mehrmals in den Bundesligakader des HSV und trainierte häufiger bei den Profis mit. Spielpraxis erhielt er aber nur bei der Zweitvertretung der Rothosen in der Regionalliga Nord, bei denen er immerhin unumstrittener Stammspieler war.
Nun hofft Möhlmann, in dem gebürtigen Schleswig-Holsteiner den richtigen Konkurrenten zu Valentin Nastase gefunden zu haben. „Für mich war Braunschweig der richtige Verein zur richtigen Zeit. Bei Benno Möhlmann hatte ich auch das Gefühl, das könnte passen. Er hat mir klar und fair vermittelt, welche Chancen ich auf Spielzeit habe. Obwohl es keine leichte Aufgabe war, herrschte innerhalb des Teams eine gute, positive Stimmung, dafür sorgte der Trainer schon. Privat war die Zeit in Braunschweig dahingehend schön, weil unser Sohn in der Löwenstadt geboren wurde. Wir sind also weiterhin mit den Blau-Gelben verbunden“, erzählt der heute 36-Jährige.
Die fehlende Spielpraxis wurde dem damals 25-Jährigen in den ersten Spielen der Rückrunde zum Verhängnis, er musste vorlieb mit einem Bankplatz nehmen. Gegen Werder Bremen II kam aber die Stunde, besser gesagt, kamen die 45 Minuten von Fabian Bröcker. Zur Halbzeit musste Matthias Henn verletzungsbedingt runter und Bröcker fügte sich nahtlos in das Team ein. Die nächsten drei Partien durfte der Abwehrspieler über die kompletten 90 Minuten ran. Doch dann kam es, wie es kommen musste: Ein harmloser Zweikampf im Training, die Folge war eine Sprunggelenksverletzung.
Während seine Mannschaft, um die Qualifikation für die dritte Liga spielte, musste sich Bröcker in der Reha rumschlagen. Keine schöne Zeit: „Wir waren eine eingeschworene Truppe. Selbst wenn ich nicht gespielt habe, hat man den anderen die Siege zu 100 Prozent gegönnt. Das war auch ein Grund, warum ich nach vorne geschaut habe und mich nicht durch die Verletzung runterziehen ließ. Ich wollte so schnell, wie möglich zurück auf den Platz und mithelfen, die Qualifikation zu schaffen“, blickt Bröcker zurück.
Von einem seiner Mitspieler war der Ex-HSVer besonders angetan, obwohl der ein direkter Konkurrent war: „Im Profifußball wird häufig nur auf die Schwächen der anderen geschaut und dann immer in die Kerbe reingehauen. So war ich aber nie. Für mich war Valentin Nastase einer der besten Spieler in der damaligen Mannschaft. Er hatte einen Spielaufbau, den hatte kein Spieler in der dritten Liga. Zudem besaß er am Ball eine unfassbare Ruhe. Man merkte, dass er bereits Erfahrungen auf sehr hohem Niveau gesammelt hatte. Von ihm habe ich versucht, selbst mit 25 Jahren etwas abzuschauen“, betont der ehemalige Innenverteidiger.

Dennis Kruppke, Valentin Nastase und Domi Kumbela erkennt jeder Eintracht-Fan sofort. Aber wer ist das da ganz links? Foto: Agentur Hübner/Archiv
"Lieberknecht hatte im Bereich Menschlichkeit seine Schwächen"
Mit einer Person kam Fabian Bröcker dagegen in Braunschweig überhaupt gar nicht zurecht. Und das war Torsten Lieberknecht. Man könnte jetzt meinen, der Ex-Löwe ist immer noch enttäuscht, dass er in der Saisonendphase keine Chance bekommen hat und von der Tribüne aus mit anschauen musste, wie seine Teamkameraden den Klassenerhalt sicherten. Doch Nachtreten ist es wahrlich nicht. „Sportlich hat Torsten Lieberknecht alles richtig gemacht. Was er über die Jahre in Braunschweig aufgebaut hat, davor kann man nur den Hut ziehen. Jedoch besaß der Trainer im Bereich Menschlichkeit seine Schwächen. Wir hatten gar kein Verhältnis. Ich habe kein Problem, wenn mir ein Trainer sagt: 'Fabian es reicht nicht für das Wochenende' oder mir konkrete Tipps gibt, wie ich mich verbessern kann. Bei Benno Möhlmann war das so der Fall. Bei Torsten Lieberknecht war es leider nicht so. Ich will nicht übertreiben, aber wir haben vielleicht über die gesamte Zeit fünf Sätze gewechselt. Ich finde, ein erfolgreicher Trainer sollte auch im Bereich Menschenführung professionell auftreten und versuchen, mit allen Spielern ein ordentliches Verhältnis zu pflegen“, betont Bröcker.
Nach der Qualifikation für die neue, eingleisige 3. Liga lief der Vertrag des Innenverteidigers aus und wurde nicht verlängert. Doch was macht man als Profi, der zwei Kinder und eine Frau zu ernähren hat? Noch einmal in eine fremde Stadt ziehen, mit der Gefahr, wieder keinen Stammplatz zu bekommen? Bröcker entschied sich, seine Profikarriere an den Nagel zu hängen und legte den Fokus auf das Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Hochschule Wismar.
Das Leben nach dem Fußball
Nebenbei blieb er aber dem Fußball treu und spielte für den Oberligisten Anker Wismar. Jedoch nicht als Innenverteidiger, sondern in einer offensiveren Position und das mit deutlichem Erfolg: 113 Tore in 211 Spielen. Doch wieso entschied sich der Ex-Löwe für ein erneutes Studium, schließlich hatte er bereits während seiner aktiven Karriere Sportmanagement studiert?
„Jeder Fußballprofi hat die romantische Vorstellung, nach seiner Karriere den Übergang zum Sportdirektor oder Cheftrainer zu schaffen. Jedoch ist der Weg extrem schwer und meistens nur über ein entsprechendes Netzwerk möglich. Der Profifußball ist, salopp gesagt, ein Drecksgeschäft. Ich habe mich für meine Familie entschieden, um Verantwortung zu übernehmen und bin einen anderen, einen aus meiner Sicht sehr ordentlichen Weg gegangen“, sagt Bröcker, der aber nicht grundsätzlich davon abrät Sportmanagement zu studieren. „Wenn es da draußen Menschen gibt, die sagen, das ist mein Traum, dann lebt gefälligst euren Traum. Ich kann jedem Profi auch nur ans Herz legen, nebenbei noch ein Studium anzufangen oder sich ein zweites Standbein aufzubauen. In der dritten Liga wird zwar gutes Geld verdient, aber ausgesorgt hat man noch lange nicht. Man weiß auch nicht, ob und wann dich nicht eine schwere Verletzung zum Aufhören zwingt“, macht der 36-Jährige deutlich.
Seit mehreren Jahren arbeitet Bröcker als Geschäftsführer, seit Anfang 2020 für ein mittelständisches Unternehmen, welches seinen Schwerpunkt im Bereich der industriellen Reinigungsanlagen hat. „Es gibt sicherlich erfolgreichere Fußball-Karrieren als meine, aber egal, wie ausweglos die Situation erscheint, man sollte immer positiv nach vorne schauen, in Lösungen denken“, sagt der 36-Jährige. Es wirkt so als würde Bröcker den Weg als Fußballprofi nicht nochmal gehen wollen. Dem ist nicht so. „Natürlich würde ich den gleichen Weg nehmen, am besten mit dem Wissen von heute, um den einen oder anderen Fehler nicht zu wiederholen. Aber auch Fehler können einen weiter bringen und ohne den Profifußball hätte ich die positiv-verrückten Eintracht-Fans nicht kennengelernt. Es gibt so einen abgedroschen Spruch, der aber passt: Beschwert euch nicht, über das was ihr nicht besitzt, sondern seid dankbar für das was ihr habt.“
Teil 17: Thomas Pfannkuch
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