Braunschweig. Die Braunschweiger Eintracht war sein Leben: Mit ihr erlebte er den Höhepunkt in Form der Deutschen Meisterschaft 1967, aber auch den absoluten Tiefpunkt in Form der Niederlage gegen Juventus Turin. Peter Kaack gehörte schon zu den Fan-Lieblingen, als an Ronnie Worm, Bernd Buchheister oder Mirko Boland noch nicht zu denken war. Im Gespräch mit regionalSport.de hatte die 67er-Legende dermaßen viel aus seinem aufregenden Leben zu berichten, dass dies ein Zweiteiler wurde.
"Die Braunschweiger waren mir von Beginn an sympathischer."
Zu seiner aktiven Zeit titelte eine Zeitung über den gebürtigen Schleswig-Holsteiner „vom Bauernhof in die Bundesliga“. Am 28. April 1941 in Groß Kummerfeld im Kreis Bad Segeberg geboren, zog es Kaack schnell zum Fußball. Mit seinem Bruder spielte er zwischen Kühen und Pferden mit dem runden Leder, bevor es ihn zum größeren VfR Neumünster zog. In der damaligen Oberliga Nord sorgte er mit jungen Jahren für Furore, mit dem Ergebnis, dass schnell Angebote von verschiedensten Vereinen auf dem Tisch lagen. Fast alle großen norddeutschen Vereine wollten den Vorstopper für sich gewinnen.
Dass Peter Kaack sich für Eintracht Braunschwieg entschied, hat indirekt mit dem guten Frühstück einiger Braunschweiger-Spieler zu tun. Bei einem Lehrgang der Junioren-Nationalmannschaft traf Kaack auf die Eintracht-Spieler Klaus Gerwien, Jürgen Moll und Lothar Ulsaß. „Wir saßen beim Frühstück zusammen, unterhielten uns prächtig, zudem gaben sie mir etwas von ihrem Essen ab. Die anderen Westdeutschen waren mir zu großkotzig und dachten: 'Was will der Bauer aus Schleswig-Holstein hier?' Die Braunschweiger waren mir von Beginn an sympathischer. Eintracht spielte damals um den Aufstieg in die Bundesliga. Ich meinte flapsig: 'Jungs, wenn ihr aufsteigt, denkt an mich, dann komme ich nach Braunschweig'“, erinnert sich der heute 78-Jährige.
Eintracht Braunschweig qualifizierte sich in der Saison 1962/63 für die damals neugegründete Bundesliga und Peter Kaack fand schließlich den Weg an die Oker. Mit dabei seine damalige Freundin und spätere Frau, Sieglinde, ohne die Kaack wahrscheinlich gar nicht so erfolgreich geworden wäre. Denn „Lindi“, wie Peter Kaack sie liebevoll nennt, unterstützte ihn in seiner schwersten Zeit – bei der Bundeswehr. „Ich hatte Blasen an den Füßen, meine Frau hat die Schuhe immer zum Schuster gebracht, sodass ich halbwegs drin laufen konnte. Zudem hat sie mich häufiger nach den Manövern oder Lehrgängen abgeholt“, betont der ehemalige Abwehrspieler.

Training im ersten Bundesliga-Jahr 1963. Peter Kaack (Bildmitte) verstand sich prächtig mit den anderen Löwen. Foto: Alke Moll/privat
"Peter Kaack ist Soldat und kein Fußballprofi!"
Wer jetzt denkt, die Bundeswehrzeit war vor seiner Station bei der Eintracht, der irrt gewaltig. Zehn Tage nachdem er seinen Vertrag in der Löwenstadt unterschrieb, wurde Kaack eingezogen. Eineinhalb Jahre konnte er nur unregelmäßig mit seinen Mannschaftskameraden trainieren und trotzdem war er bei den Punktspielen mit dabei. „Vor dem ersten Spiel gegen Kaiserslautern, fuhr der Mannschaftsbus vor unsere Kaserne und Trainer Helmuth Johannsen wollte mich abholen. Mein damaliger Vorgesetzter meinte nur: 'Peter Kaack ist Soldat und kein Fußballprofi. Es kommt überhaupt nicht in Frage, dass er jetzt die Kaserne verlässt'. Irgendwer teilte ihm dann mit, dass die Gefahr zu groß wäre, dass es zu einer Meldung in der Zeitung kommt und es besser wäre, mich gehen zu lassen. Also durfte ich gehen“, schmunzelt Kaack.
Vollkommen auf das Profitum konnte sich der Abwehrspieler erst einstellen, nachdem er die Einladung zur Bundeswehr-Nationalmannschaft erhielt: „Der damalige Trainer fragte mich, wie häufig ich trainiere. Ich antwortete ihm, sehr unregelmäßig, weil ich meinen Dienst verrichten muss. Der Trainer war sehr überrascht, da der Großteil der 'Nationalspieler' ganz normal am Training ihrer Mannschaften teilnehmen durften. Es folgte kurze Zeit später ein Anruf in der Kaserne. Danach war ich Heimschläfer, bekam Essensgeld und hatte jeden Tag ab 14 Uhr frei, um kein Eintracht-Training zu verpassen“, erklärt Kaack. Das Leben eines damaligen Fußballprofis war im Vergleich zu heute deutlich anders. „Wir bekamen vom Verein einen VW-Käfer gestellt, eine kleine Wohnung und ein kleines Taschengeld. Mein Monatsgeld habe ich mir als Industriekaufmann verdient. Vormittags bin ich ganz normal meiner Arbeit nachgegangen und nachmittags habe ich trainiert. Es war zwar stressig, trotzdem hat es viel Spaß gemacht und es gab keinen sportlichen und medialen Druck, wie es die heutigen Profis haben“, erinnert sich Kaack.

Das allererste Bundesliga-Heimspiel am 31. August 1963 gegen Preußen Münster gewannen die Löwen mit 1:0. Peter Kaack (4.v.r.) war an diesem 2. Spieltag dabei. Foto: Alke Moll/privat
Kein Gegentreffer im Meisterjahr mit Peter Kaack im Tor
Doch wie kann man sich ein Training unter Helmuth Johannsen vorstellen? „Erstmal war der Trainer eine Führungspersönlichkeit. Wir haben ihn immer mit Herr Johannsen angesprochen. Manchmal rutschte auch ein 'Ey Trainer' raus, aber es war ein distanziertes Verhältnis. Johannsen legte damals schon sehr viel Wert auf spielerische und athletische Komponenten. Wir mussten Torschusstraining mit Kurzpassspiel machen, sind Huckepack gelaufen und er hat uns über die Aschebahn geschickt, bis wir die Aschebahn nicht mehr sehen konnten. Der Trainer entschied zwar immer, welche Schuhe getragen wurden, im Sommer durften wir aber sogar Barfuß trainieren“, erinnert sich der Abwehrspieler gerne zurück.
Das Gerücht, dass Peter Kaack im Vergleich zu Horst Wolter der bessere Torhüter war, hält sich hartnäckig. Als wir ihn damit konfrontieren, muss Kaack laut lachen: „Nein, nein. Luffe war schon der deutlich bessere Torwart. Aber es stimmt, wenn ich im Tor stand, haben wir kein Gegentor kassiert.“ Drei Mal war dies in der Meistersaison der Fall, immer dann wenn Horst Wolter verletzungsbedingt runter vom Feld musste. An eines dieser Spiele erinnert sich Peter Kaack noch gut. „Wir spielten in Duisburg, als Horst mit einem Gegenspieler zusammenrauschte und eine Platzwunde davon trug. Sie brachten ihn ins Krankenhaus, nähten ihn, wir spielten derweil mit zehn Spielern weiter. Gegen Ende des Spiels kehrte Horst wieder zurück, kassierte eine Minute später das 0:1 und wir verloren die Partie. Im Bus wurde Johannsen angegangen mit den Worten: 'Trainer, warum haben Sie Peter nicht im Tor gelassen. Mit ihm hätten wir gewonnen' “, erklärt der der heute in Kiel lebende Kaack amüsiert.
"Die Meisterschaft haben wir als Kollektiv geholt."
Trotz der Niederlage schaffte die Eintracht in der besagten Spielzeit eines der größten Wunder in der Geschichte des deutschen Fußballs. Für Peter Kaack war der Zusammenhalt innerhalb der Mannschaft der Schlüssel zur Meisterschaft: „Es gibt nicht den Spieler der Saison. Jeder Spieler war überragend. Die Meisterschaft haben wir als Kollektiv geholt. Wir waren wirkliche Freunde und deshalb bin ich traurig, dass einige von uns nicht mehr leben. Nach dem Training haben wir viel unternommen. Unsere Frauen haben sich gut verstanden. Wenn wir nicht so eine homogene Truppe gewesen wären, hätten wir sicherlich nicht die Meisterschaft geholt. Auf jeder Auswärtsfahrt haben wir gesungen. Der Trainer durfte im Bus auch erst seine Ansprache halten, nachdem wir zu Ende gesungen hatten“, sagt der Meisterspieler schmunzelnd.
Ab welchem Augenblick war dem Abwehrrecken eigentlich bewusst, es kann zu etwas Großem reichen? „Nach dem Spiel bei Rot-Weiss Essen war uns zum ersten Mal klar, die Meisterschaft ist greifbar nah. Zuvor war die Tabelle zu eng, da hätte immer etwas passieren können. Auf der Rückfahrt aus Essen haben uns tausende Fans mit einem Hupkonzert begleitet. Viel von der Rückfahrt bekam ich nicht mit, weil ich schlafen wollte. Ich hatte mir vor dem Essen-Spiel im Training den Nacken ausgerenkt und spielte mit Halskrause. Gegen Nürnberg war ich aber wieder topfit“, so Kaack augenzwinkernd, dem man die Freude über die damalige Meisterschaft noch heute anmerkt.
„Uns reichte selbst eine knappe Niederlage. Wir wollten den Zuschauern aber etwas bieten und haben den 1. FC Nürnberg gefühlt aus dem Stadion geschossen. Heute undenkbar: Nach der Partie gab es eine kleine Meisterschaftsfeier in der Stadthalle und die Nürnberger waren geschlossen mit dabei“, berichtet der Ex-Löwe. Die Siegesfeier auf dem Rathausbalkon ist in seinen Erinnerungen noch sehr präsent: „Wir standen gefühlt eine Stunde oben auf dem Balkon und mussten uns Lobhymnen von den Stadtvertretern anhören, ohne ein Glas Bier in der Hand. Das war wirklich schlimm. Beim Auto-Corso durch die Stadt ging es nur schrittweise voran. Das Menschenmeer habe ich noch heute vor den Augen“, erinnert sich Kaack.

Abflug des Meisters von Hamburg aus: Nach dem Titel unternahmen die Löwen eine Promo-Tour durch die Staaten. Foto: Alke Moll/privat
Peter Kaack der Torero
Für jeden anderen Meister wäre es wahrscheinlich direkt in die Sonne gegangen. Für die Meistermannschaft ging es auch in den Urlaub, wenn auch indirekt. „Einen Tag nach der Meisterfeier sind wir nach Amerika geflogen. Der Verein brauchte Geld und so mussten wir jeden Tag ran. Wir sind durch die gesamten USA gereist und auch durch Teile von Südamerika. Die Zuschauer wollten auch nur die Meistermannschaft sehen, Ersatzspieler waren gar nicht gefragt und blieben in Braunschweig. Wahrscheinlich haben die Jungs mehr gefeiert als wir“, sagt Kaack lachend, der von sich behaupten kann Stierkämpfer gewesen zu sein. „Bei der besagten Reise waren wir auf in einer Stierkampf-Arena eingeladen. Ein Mexikaner teilte uns mit, er hätte einen Jungstier, dieser müsste angelernt werden und wer von uns Lust hätte. Die ganze Mannschaft sagte geschlossen: 'Das soll Peter machen, der kommt doch vom Bauernhof.' Also stand ich da mit dem roten Tuch und wedelte vor mich hin“, blickt Peter Kaack immer noch amüsiert zurück.
Insgesamt 325 Partien absolvierte der Ex-Profi für die Braunschweiger Eintracht und steht damit auf Rang 4 der BTSV-Rekordspieler. Kaack galt zwar als knallharter Verteidiger, jedoch hatte er den Ruf als fairer Sportsmann, denn in seiner gesamten Karriere kassierte er keine einzige Verwarnung. Was dies für Auswirkungen im Nachhinein hatte lesen Sie morgen im zweiten Teil dieses Artikels ...
Teil 20: Peter Kaack Teil 2
Teil 19: Bernd Buchheister
Teil 18: Fabian Bröcker
Teil 17: Thomas Pfannkuch
Teil 16: Sven Boy
Teil 15: Bernd Eigner
Teil 14: Valentin Nastase
Teil 13: Uwe Zimmermann
Teil 12: Thorsten Kohn
Teil 11: Kingsley Onuegbu
Teil 10: Leo Maric
Teil 9: Daniel Teixeira
Teil 8: Marjan Petkovic
Teil 7: Dirk Weetendorf
Teil 6: Frank Edmond
Teil 5: Ahmet Kuru
Teil 4: Dennis Brinkmann
Teil 3: Jan Tauer
Teil 2: Marco Grimm
Teil 1: Michél Dinzey