Braunschweig. Auf der Torwartposition hatte die Braunschweiger Eintracht in der Vergangenheit die wenigsten Probleme. Fast alle Torhüter entwickelten sich zu Publikumslieblingen. Einer dieser ehemaligen Löwen wurde von den Fans liebevoll nur „Stucki“ genannt – die ehemalige Nummer 1 Thorsten Stuckmann.
"Einfach nur geil!"
Auch fast 20 Jahre später stellt sich Thorsten Stuckmann nicht die Frage, was wäre gewesen wenn? Wenn sein Eigentor im Aufstiegsspiel am 4. Juni 2005 gegen Arminia Bielefeld II dem Verein den Aufstieg gekostet hätte? Denn zum Glück kam alles anders. Vorne fielen drei Tore und hinten bügelte Stuckmann mit Glanzparaden seinen Fehler wieder aus. Der Rest ist Geschichte.
Dass es ausgerechnet an diesem Tag zu einem Fehler kommen könnte, hatte „Stucki“ bereits vor dem Spiel im Gefühl: „Sollten Bilder von mir im Spielertunnel existieren, dann lohnt sich ein genauer Blick auf mein Gesicht. Ich war brutal angespannt, wirklich nervös, weil ich wusste, welche Last auf unseren Schultern lag. Die Flanke war eine Allerweltsflanke, jedoch habe ich den zweiten vor dem ersten Schritt gemacht. Im Kopf habe ich schon überlegt, wie ich den Ball fange und weiterleite. Naja, zum Glück ist alles gutgegangen. Auch wenn es merkwürdig klingt, nach dem Fehler war die Anspannung weg, An das Spiel selbst erinnere ich mich nicht mehr so gut, da ich mit Adrenalin vollgepumpt war. Ich erinnere mich lediglich daran, dass Michael Krüger in der Halbzeitpause das Champions-League-Finale FC Liverpool gegen den AC Mailand angesprochen hatte. Liverpool gewann die Partie noch, obwohl sie zur Halbzeit 0:3 zurücklagen“, erinnert sich der ehemalige Schlussmann.

Blick in den Spielertunnel: Wusste Stuckmann, dass ihm gegen Bielefeld II ein Fehler unterläuft? Foto: Agentur Hübner/Archiv
Präsent sind für ihn hingegen die Bilder nach dem Abpfiff: „Ich hatte Gänsehaut, weil so viel Balast abgefallen war. Nur konnte ich nicht lange für mich alleine sein. Alexander Kunze kam auf mich zugelaufen und hinter ihm her eine Horde von Eintracht-Fans. Es gibt keine Worte, die die Gefühlswelt beschreiben würden, außer vielleicht, dass es geil war, einfach nur geil! Man hat gespürt, wie wichtig dieser Sieg für die ganze Region war“, erklärt Stuckmann.
Die Stunden und Tage nach der Partie würde er auch nicht als Party beschreiben: „Das war eine Eskalation. Ich glaube, ich war in den Tagen mehr wach, als, dass ich Schlaf gefunden habe. Ich möchte auch mit dem Gerücht aufräumen, Torsten Sümnich wäre häufig im Marstall gewesen. Völliger Quatsch! Der hat in dem Laden gewohnt. Ich habe später in sportlich viel besseren Mannschaften gespielt, aber der Zusammenhalt in der Aufstiegsmannschaft war überragend. Wir haben in der Freizeit wirklich viel gemeinsam unternommen und es gab auch keinen, der sich ausgeschlossen hat. Die Truppe war der Beweis, nicht die sportlich beste Mannschaft steigt auf, sondern die Truppe, die wirklich füreinander auf dem Platz da ist. Selbst die Einwechselspieler haben in jedem Spiel Gas gegeben“, blickt Stuckmann gerne auf die Aufstiegssaison 2004/2005 zurück.
"Kein Konkurrent sondern Freund!"
Wer prägte ihn während seiner Zeit in Braunschweig am meisten? Michael Krüger, Torwarttrainer Uwe Hain oder doch sein Konkurrent Alexander Kunze? „Für mich war Alex kein Konkurrent, sondern ein Freund. Er hat so viel für mich gemacht, unfassbar! Man konnte schon damals sehen, dass er irgendwann ein guter Torwarttrainer wird. Uwe Hain war eben Uwe Hain. Bei ihm hat man Branko Zebec–Schule gesehen, aber er war kein schlechter. Mit Daniel Graf habe ich mich immer über die Versprecher und Floskeln von Michael Krüger lustig gemacht. Menschlich war Krüger eine absolut ehrliche Haut. Sportlich war er ein harter Hund, er hatte einen klaren Plan und den hat er im Training durchgezogen. Wolfgang Loos und Michael Krüger haben perfekt nach Braunschweig gepasst“, so Stuckmann, der mit seiner Art ebenfalls perfekt zur Eintracht passte.
Warum er so schnell zum Publikumsliebling aufstieg kann er sich selbst nicht erklären, doch hat er eine Vermutung: „Mir war immer wichtig, den Fans auf Augenhöhe zu begegnen. Ich wollte nie, dass der Eindruck entsteht, ich interessiere mich nicht für die Fans. Wir werden an diesem Wochenende in der Bundesliga sehen, was den Fußball auszeichnet und was wirklich fehlen wird – nämlich die Fans. Eintracht wird von den Fans geliebt und gelebt. Wir Spieler verschwinden nach ein paar Jahren wieder, aber die Fans bleiben ein Leben lang blau-gelb. Man spricht ja gerne von der gelb-schwarzen Wand in Dortmund, aber die Eintracht braucht sich nicht verstecken. Wenn die Wand loslegt, dann müssen sich die Gegner fürchten. Jedoch solltest du als Profi auf dem Feld etwas zurückgegeben, denn die Fans gehen in jedes Heimspiel mit einer Vorleistung“, betont der 39-Jährige, der für die Eintracht alle möglichen Pflichtspiele absolvierte und keine Spielminute verpasste.
Wahrscheinlich wegen der ausgewogenen Ernährung und der Regeneration? „Regeneriert haben wir uns alle gut, mit der Ernährung ist es erst im Laufe der Karriere besser geworden. Bei den Auswärtsfahrten gab es abends im Hotelzimmer auch mal Haribo oder Chips. Da wir gut informiert waren, wussten wir über Wiege-Termine bescheid und haben uns dementsprechend ernährt. Statt Nutella stand dann Tage zuvor Rohkost auf dem Speiseplan“, erzählt Stucki schmunzelnd.
"Das Wort 'Wettbewerbsnachteil' fällt zurecht!"
Während an diesem Wochenende in der ersten und zweiten Bundesliga der Ball wieder rollen wird, steht es noch in den Sternen, ob es wirklich in der dritten Liga zum sogenannten „Re-Start“ kommt. Thorsten Stuckmann, der als Teambetreuer für die Spielergewerkschaft VDV arbeitet, hat so seine Zweifel und Bedenken: „Mittlerweile kann ich das Hygienekonzept der DFL auswendig. Ich bin sehr skeptisch, ob in der 3. Liga, wirklich Partien angepfiffen werden. Die Bedingungen, die der DFB fordert, sind von einigen Teams nur sehr schwer und mit großen finanziellen und zeitlichen Aufwand umsetzbar. Zudem sind einige Mannschaften schon wieder im Mannschaftstraining, wohingegen andere Teams noch auf ihren Trainingsauftakt warten. Das Wort 'Wettbewerbsnachteil' fällt zurecht. Ich möchte nicht in der Haut derer stecken müssen, die die Entscheidung treffen: Re-Start oder Abbruch“, so der 1,99 Meter große Ex-Torhüter.
"Man kann Antwerpen nicht vorwerfen, dass ihm Herzblut fehlt"
Für den in die Kritik geratenen Marco Antwerpen will Stuckmann eine Lanze brechen: „Ich kenne Marco seit Jahren. Man kann ihm alles vorwerfen, aber nicht, dass ihm Herzblut fehlt und, dass er keinen Plan hat. Allgemein muss die Eintracht aufpassen, sich nicht zum Chaos-Verein zu entwickeln. Die Entlassung von Christian Flüthmann war für mich total überflüssig. Da hätte ich mir mehr Geduld gewünscht. Man kann nicht erwarten, dass alles sofort läuft. Ich würde mir für die Zukunft wünschen, dass sich alle zu einer Einheit formen: Fans, Trainer, Mannschaft. Es tut mir weh zu sehen, dass die Eintracht in der 3. Liga rumdümpelt“, so Stuckmann abschließend.

Elfmeterkiller: Matthias Lehmann vom TSV 1860 kam nicht an Stuckmann vorbei. Foto: Agentur Hübner/Archiv
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