Sinsheim/Braunschweig. Das war es. Schluss, aus, vorbei. Eintracht Braunschweig konnte die Steilvorlagen der Mitbewerber im Schneckenrennen um Platz 16 nicht nutzen und verlor in Hoffenheim 1:3. Tränen flossen, die fassungslosen, leeren Gesichter der Spieler sahen einen Block voller trotziger Gesänge, der bis zum Ende noch irgendwie auf das Fußballwunder gehofft hatte. Und dann kam Nele.
Warum wir wiederkommen
Nun standen sie da, die Löwen, wo sie auf anderem Platz – in einer ähnlichen Plastikarena – ein Jahr zuvor noch überschwänglich die Rückkehr in die Bundesliga gefeiert hatten (mehr hier) und mussten irgendwie durch diese für sie ungewohnte Situation. Jan Hochscheidt, in der 88. Spielminute Schütze des einzigen Tores für die Eintracht, kletterte über die Bande, drückte sein Trikot einem tieftraurigen Fan in die Hand.
Auch die anderen Spieler entledigten sich ihrer Leibchen, übersprangen damit für den Moment diese seltsame Gefühlslage, ein Absteiger zu sein. Norman Theuerkauf reichte einem kleinen Jungen seine Schuhe. Gleich daneben standen Jan Henrik Dommnich, seine Frau Katrin und Töchterchen Nele. "Wir hatten schon einen Polizisten gefragt, ob der uns helfen kann", erzählt der Eintracht-Fan. Nele hatte in der Stadt zwei blau-gelbe Rosen geschenkt bekommen. "Guck mal, Papa: Eintracht-Farben blau und gelb", hatte sie gesagt und: "Die schenk ich nachher Domi Kumbela und Torsten Lieberknecht." Die Blumen nahm die junge Familie mit ins Stadion. 90 bangende Minuten lang lagen sie dort unter den Sitzschalen. Dann war Eintracht abgestiegen.
Der Rosentausch
Die Mannschaft kam vor den Block, aber nicht nah genug für einen Blumentausch. Norman Theuerkauf reagierte auf die Anfrage der Dommnichs. Der Mittelfeldspieler hob den kleinen Fratz über die Bande. Die Vierjährige flitzte sofort los. Sie wusste genau, wo sie hin wollte. Begleitet wurde sie von tosendem Beifall der blau-gelben Masse, die immer noch sang und trotzig war, in der Hand die gelbe und die blaue Rose. Einige Spieler beugten sich hinab zu ihr, redeten auf sie ein. Die blaue Rose gab das Mädchen Kumbela, dann flitzte sie wieder los, auf TorstenLieberknecht zu. Der 42-Jährige, selbst dreifacher Familienvater, nahm das kleine Mädchen auf den Arm, hob sie auf Augenhöhe und nahm die Rose entgegen. Das Bild, was sich nun ergab, wird von Dauer sein. Kurz redete der Trainer mit Nele, bevor er sie sanft wieder auf den Boden entließ. Nele flitzte zurück zu ihren Eltern in den Block.
Diese Fans
Länger als eine Viertelstunde dauerte das Schauspiel vor dem Gästeblock nun schon an und man fragte sich, wer hier eigentlich gerade abgestiegen war. Diese Braunschweiger Fans hinterließen – wie über die gesamte Saison hinweg – einen bleibenden positiven Eindruck. Diese Fans, die in den vorangegangenen fünf Jahren neues Selbstvertrauen, gar eine neue Identität erhalten hatten blieben im Gedächtnis. Denn sie haben gelitten, mitgefiebert, gefeiert, gesungen, getrunken, gelacht, geweint. Und sie peitschten ihr Team immer wieder nach vorne. Die Fans, die Herz haben, spontan sind und eine Menge Humor haben. Sie sind echt. So wie die kleine Familie Dommnich. Diese Fans kommen wieder, die Eintracht aus Braunschweig kommt wieder. Dieser Verein atmet, ist organisch, lebt und das alles ohne die Millionen eines Mäzen. Bundesliga, es wird keine 28 Jahr dauern, bis du uns wieder hast. Ihr werdet schon sehen.