Justin Eilers: „Ich will einfach wieder Spaß am Fußball haben!“

von Frank Vollmer


Auf und ab eines Fußball-Profis: Justin Eilers kennt beide Seiten. Fotos: imago/Vollmer/Hetzschold
Auf und ab eines Fußball-Profis: Justin Eilers kennt beide Seiten. Fotos: imago/Vollmer/Hetzschold | Foto: imago/Vollmer

Braunschweig. Traumjob Fußballer! Nur die Wenigsten kennen die Schattenseiten. Der gebürtige Braunschweiger Justin Eilers war ganz oben und fiel tief. Im Gespräch mit regionalSport.de berichtet der Offensivspieler – unter anderem für Eintracht Braunschweig, Dynamo Dresden und Werder Bremen am Ball – wie schnell man mit etwas Verletzungspech in einen Teufelskreis geraten kann und wie er persönlich Kraft aus seiner derzeitigen Situation zieht.

Die Verabredung zum Gespräch stand bereits vor der Urlaubszeit. Es ist wohl der entscheidende Grund, warum Justin Eilers sich in dieser für ihn so schwierigen Zeit überhaupt mit mir, einem Vertreter der Presse, trifft. Vor Wochenfrist hatte die Nachricht die Runde gemacht, dass der gebürtige Braunschweiger Privatinsolvenz angemeldet habe. Kurz darauf ging der 31 Jahre alte Profifußballer selbst in die Offensive und erklärte in einem persönlichen Statement via Facebook seine unangenehme Lage. Danach wollte Eilers erst einmal nicht weiter in der Öffentlichkeit darüber sprechen.

„Wie schnell und welche Kreise das innerhalb von Minuten zog, hat mich schon ein wenig verwundert“, sagt Justin Eilers. Er wirkt entspannt, aber konzentriert. Seine Worte wirken wohlüberlegt. „Letztendlich war es nicht mehr aufzuhalten“, sagt der Offensivspieler über die Situation, in der er gerade steckt. „Ich wusste, dass sich viele Leute in den nächsten Tagen fragen werden, was da bei mir los ist. Dem wollte ich einfach zuvorkommen und bin selbst in die Offensive gegangen“, erklärt er. Das sei er vor allem seiner Familie schuldig gewesen, die auch in dieser Situation immer hinter ihm steht. „Meine Eltern waren die ganze Zeit involviert. Sie waren die Einzigen, die über alles Bescheid wussten. Es ist sicherlich keine einfache Situation für sie mitzuerleben, wie ihr Sohn eine schwere Zeit durchlebt. Mir war es wichtig, dass ich mich auch öffentlich bei ihnen entschuldige“, sagt Eilers.

"Wärst du doch in Dresden geblieben!"


Doch wie konnte es überhaupt so weit kommen und wie dramatisch ist die Situation von Justin Eilers tatsächlich? Um das zu verstehen, muss man ein paar Jahre zurückblicken. 2016 war ein sehr gutes Jahr für Justin Eilers, der fußballerisch eher als Spätzünder gilt. Mit 23 Treffern war der Rechtsaußen maßgeblich an der Rückkehr von Dynamo Dresden in die 2. Bundesliga beteiligt. Auch im DFB-Pokal hatte er gegen Bundesligisten wie de FC Schalke 04 für Furore gesorgt (wir berichteten). Ein Traum für jeden Fußballer.

„Die Leute sagen immer: ‚Wärst du doch in Dresden geblieben!‘ Aber in Dresden hätte mich das Verletzungspech genauso wie in Bremen erwischen können“, weiß Eilers. Er hat sich seine sportlichen Ziele immer hart erarbeiten müssen. Sein Traum war immer die Bundesliga. Als der SV Werder anklopfte, bot sich ihm die Chance, diesen Karrieretraum zu erfüllen.

Und dann das: „Ab dem ersten Tag in Bremen war ich verletzt.“ Es waren Probleme, die er verschleppt hatte in seiner Dresdner Zeit. Erst war es nur eine leichte Leistenzerrung – nichts, was drei bis vier Wochen Pause nicht regenerieren könnten. Dann kam die Vorbereitung. „Am Anfang war alles gut. Als die Steigerung in die Sprints erfolgte, zwickte die Leiste.“ Eilers hoffte auf eine schnelle Heilung, maximal drei bis vier Wochen Ausfallzeit. Am Ende wurde es ein halbes Jahr. „Ich musste mich dann zusätzlich auch noch herankämpfen. Allein den Rückstand aufzuholen, hat zwei bis drei Monate gedauert. Nach dieser Zeit war ich wirklich nah an der Mannschaft dran und hatte viele gute Gespräche mit den Verantwortlichen im Verein. Ich war sogar öfter im Kader der Profis. Für die nächste Saison galt ich quasi als Neuzugang und wollte durchstarten und meine Chance nutzen“, erinnert sich Eilers.

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Schmerzhaft für Justin Eilers: Kreuzbandriss im Training. Foto: imago/Nordphoto


Odyssee inGriechenland


Doch das Pech verfolgte ihn in dieser Phase seiner Karriere auf Schritt und Tritt. Vier Tage vor dem Sommerurlaub riss im Training das Kreuzband (wir berichteten). Mit einem Schlag waren alle guten Pläne passé. Wieder fiel Eilers zehn Monate aus, wieder musste er sich herankämpfen. Es folgten muskuläre Probleme. „Das alles hat sich über Monate hingezogen“, so Eilers, der es in der Folge nur noch auf wenige Einsätze in der 2. Mannschaft der Werderaner brachte. Der auslaufende Vertrag in Bremen hatte zwar eine Option, „aber mir war nach der ganzen Verletzungsmisere klar, dass die nicht gezogen wird.“

Die nächste Station hieß Athen. Sein ehemaliger Trainer aus der U23 des VfL Wolfsburg, Valerien Ismael, wollte den Angreifer für seine neue Mannschaft bei Apollon Smyrnis. Auch in Deutschland lagen einige Angebote für die Zeit nach Bremen vor. „Aber ich wollte einfach diesen Tapetenwechsel“, erinnert sich Eilers. Sein Glück fand er aber auch in Griechenland nicht. Schon in der Vorbereitung fingen neue Probleme an. Auf wechselnden Böden - mal weich, mal hart - meldete sich die Hüfte. „Es fing wie schon in Bremen aus dem Nichts wieder an“, erzählt Eilers und wirkt nachdenklich. Zusätzlich verließ Förderer Ismael noch vor dem eigentlichen Ligastart den Verein im Streit. „Weil ich in der Vorbereitung einige Treffer erzielt hatte,durfte ich als einziger Deutscher bleiben.“

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An der Kulisse in Athen lag es sicher nicht. Foto:



Mit Hüftproblemen absolvierte Justin Eilers das erste Ligaspiel. In der nun folgenden Länderspielpause wollte er sich behandeln lassen. Die Versorgung in Griechenland war dafür allerdings nicht ausreichend. „Da reden wir nicht von einem Physiotherapeuten, sondern von einem reinen Masseur.“ Eilers reiste nach Zagreb zu einem Spezialisten. Allein diese Therapie verschlang Unmengen an Geld – ohne ein Resultat. „Ich war gefühlt bei zig Spezialisten. Keiner konnte mir helfen“, erinnert sich der 31-Jährige an diese Zeit.

Nach einer Weile ließ man bei Smyrnis durchblicken, dass der Deutsche nicht geholt worden sei, um hier Urlaub zu machen. „Sie haben mein Gehalt eingestellt und mich um sechs, sieben Uhr in der Frühe antanzen und unter Aufsicht im Kraftraum trainieren lassen“, so Eilers, der wegen der schmerzhaften Hüfte nicht wirklich in der Lage war, seinem Beruf nachzugehen. Sein Gehalt musste er später einklagen. Einen Teil hat er mittlerweile erhalten, aber der Prozess dauert noch an. „Ich hab mir gesagt, dass ich da weg muss. Ich hätte das halbe Jahr auch noch durchziehen können, aber ich habe es dort nicht mehr ausgehalten und den Weg zurück nach Deutschland gesucht.“

Im Winter beinahe zur Eintracht


Fast wäre Justin Eilers im vergangenen Winter wieder bei Eintracht Braunschweig gelandet. Seit er vier Jahre alt war, hatte er für den blau-gelben Nachwuchs gespielt, 2009 unter Torsten Lieberknechtsogar sein Debüt bei den Profis gefeiert. Vor etwas mehr als einem halben Jahr saß Justin Eilers mit André Schubert zusammen. Die Löwen wollten den Offensivspieler für den Abstiegskampf, legten einen stark leistungsbezogenen Dreijahresvertrag vor. Der Plan: Eilers sollte am darauffolgenden Montag gleich mit ins Trainingslager fahren.

„Ich habe André Schubert mitgeteilt, dass ich gerade aus Griechenland komme, Probleme mit der Hüfte habe und lange verletzt war. Ich würde sicherlich ein bis zwei Monate brauchen, um meinen Körper so auf Touren zu bringen, dass ich in der Lage bin zu helfen.“ Am Ende hat Eilers nicht in seiner Heimatstadt unterschrieben. Stattdessen holte Braunschweig Marcel Bär vom VfR Aalen zurück. „Die bessere Entscheidung“, kommentiert Eilers und ergänzt: „Er konnte sofort helfen und hatte mit seinem Toren auch Anteil am Klassenerhalt.“ Für Eilers ging es stattdessen zu den Sportfreunden Lotte, für die er wegen seiner anhaltenden Hüftprobleme bis zum Ende seines Vertrages in diesem Sommernur in zwei Kurzeinsätzenauf dem Rasen stand.

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Lange Jahre ein Löwe: Einwechslung am 14. März 2009 für Deniz Dogan. Foto: imago/Hübner


"Total aus dem Gleichgewicht"


Aktuell befindet sich Justin Eilers nicht auf Vereinssuche. Er weiß, dass er noch gar nicht wieder spielen könnte. Vielleicht ist auch das ein Grund dafür, dass er aktuell diesen Weg eines klaren Schnittes in seinem Leben gewählt hat. Vielleicht war es auch unumgänglich. „Ich habe mir viele Monate sehr viel Stress gemacht. Ich glaube mittlerweile, dass viele Dinge wie diese Schmerzen in der Hüfte – bei denen die Ärzte nicht sagen können, woher die kommen – auch eine Folge der inneren Unruhe sind. Das ist innerer Stress der einen aus dem Gleichgewicht bringt.“ Das habe in Bremen angefangen: „Du bist aus dem Gehalt raus, bist nur verletzt, läufst sportlich hinterher.“

„Ich möchte wieder einfach nur an Fußball denken können“, gewährt Eilers einen Einblick in sein Seelenleben. Das sei so lange her. „Ich kann mich nicht mal mehr an einzelne Spielszenen erinnern“, betont er. Dies sei das Problem, was viele nicht sehen würden: „Dass man mental sehr zu kämpfen hat in einer derartigen Situation.“ Er selbst sieht sich zwar als starker Charakter. „Ich konnte alles hinnehmen und habe aus den Dingen stets etwas Positives mitgenommen, wo andere unter Umständen zerbrochen wären.“ Aber: „Man gerät total aus dem Gleichgewicht im Leben, wenn einem das genommen wird, was am meisten Spaß macht.“ Diesen Alltag, diese Regelmäßigkeit, wünscht er sich von allen Dingen am meisten zurück: „Das Fußballer-Dasein wieder schmerzfrei genießen zu können. Und ich bin mir sicher, dass ich, wenn ich wieder gesund bin und meine Leistung wieder abrufen kann, noch mal richtig angreifen kann.“ Doch dazu sei jetzt erst einmal ein klarer Schnitt nötig gewesen.

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2016 Spieler des Jahres in Liga 3: Justin Eilers. Foto: Vollmer


Ist Justin Eilers pleite?


Zu diesem klaren Schnitt gehört eben auch der Insolvenzantrag. „Das ist für mich in Ordnung“, betont Justin Eilers. Er hätte sich nur gewünscht, dass dieses Thema vielleicht nicht derart in die Öffentlichkeit getragen wird: „Wäre ich kein Profifußballer, sondern ein ganz normaler Arbeitnehmer, würde es vermutlich keinen Menschen außerhalb meines Umfelds interessieren.“

Die finanziellen Probleme entstanden als unangenehmer Nebeneffekt der langen Verletzungsmisere. In Bremen verdiente Eilers plötzlich sehr viel mehr als er es bisher gewohnt war. Mit dem gestiegenen Einkommen wuchsen die Ansprüche. „Ich dachte mir: jetzt hast du was erreicht, warum gönnst du dir nicht selbst mal was?“ Eilers leistete sich unter anderem eine Penthouse-Wohnung mit Weserblick, ein teures Auto, gestiegene Fixkosten. Er lebte nicht verschwenderisch oder über seinen Verhältnissen, aber er gab mehr Geld aus als vorher. Als er wegen seiner Verletzungen aus dem Gehalt herausfiel, sah das auf einmal ganz anders aus. Plötzlich blieb nicht mehr viel übrig von seinem gut dotierten Spielervertrag. Das Gehalt bezieht ein verletzter Spieler für sechs Wochen. Danach springt, wie bei jedem Arbeitnehmer, die Berufsgenossenschaft ein. Aber die zahlt nur einen Teil.

„Sicherlich habe ich auch Fehler gemacht“, gesteht Eilers ein. Es sei ein Fehler gewesen, dass er nicht schon früher auf die neue Situation reagiert habe. „Ich hätte einfach nie erwartet, dass diese Verletzungsprobleme mich so in die Enge treiben würden. Ich bin da reingeschlittert und einfach nicht wieder herausgekommen. Und plötzlich war der Worst Case da.“ Deshalb nutzt Justin Eilers nun die Möglichkeiten der deutschen Rechtslage. In unserem Gespräch erzähle ich ihm, dass viele Profifußballer diesen Weg gehen würden. Die Dunkelziffer besagt, das beinahe jeder vierte im Laufe seiner Karriere einmal in finanzielle Schieflage gerät.

"Noch einmal ein Märchen schreiben"


Was Eilers in seiner Situation beeindruckt hat, sind die vielen Sympathiebekundungen, die er vor allem von den Stationen seine Laufbahn erhielt. „Ralf Minge hat angerufen, sich nach mir erkundigt und Hilfe angeboten“, nennt Eilers ein Beispiel. „Das finde ich sehr positiv. Allgemein war die Resonanz auf mein Facebook-Statement sehr positiv. Die Leute respektieren, dass man etwas erreicht hat. Das macht mich ein Stück weit stolz.“

In seinem Statement schrieb Justin Eilers vor allem von einem Neuanfang. Es ist die Chance, die er in seiner Situation erkannt hat. „Ich habe mir selbst jetzt ein halbes Jahr Zeit gesetzt“, gibt Eilers zu Protokoll. In dieser Zeit hofft er, „dass mein Körper herunterfährt, sich erholt, dass ich diesen ganzen Druck mal von mir werfen kann und endlich wieder schmerzfrei bin.“ Danach will er mental frisch gestärkt seinen Körper trainieren, damit er wieder einsatzfähig für Leistungssport ist. „Ab Januar bin ich dann quasi wieder bereit für einen neuen Verein“, so der Plan.

Und die Insolvenzgeschichte? „Du hast den Pfändungsbetrag, der von deinem normalen Gehalt abgezogen wird. Das ist allerdings nur temporär. Nach drei Jahren ist das vorbei.“ Und danach? „Vielleicht schreibe ich dann noch einmal ein Märchen“, schmunzelt Justin Eilers, „Ich muss nur die Chance dazu bekommen!“

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"Noch einmal ein Märchen schreiben." Warum eigentlich nicht? Foto: Dynamo Dresden/Dennis Hetzschold


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