Braunschweig. Seine persönliche Rückkehr nach Braunschweig krönte Benjamin Kessel am Sonntag mit dem wichtigen 1:0 für Eintracht Braunschweig. Nach dem Traumstart sprachen wir mit dem Abwehrspieler der Löwen und erfuhren dabei auch, dass sich Dinge manchmal wiederholen.
„Ein Stück weit Glück brauchst du immer“
In der Drittliga-Saison 2010/11 rockte Eintracht Braunschweig mit rekordartigen 85 Punkten die Meisterschaft. Bis zum 36. Spieltag hattenalle der von Trainer Torsten Lieberknecht im Laufe der Saison eingesetzten Spieler mindestens einmal getroffen. Alle bis auf Benjamin Kessel.
„Damals wurden Ken Reichel und ich aufgezogen, weil wir die Einzigen waren, die noch nicht getroffen hatten“,verrietKessel einstdem Fußballmagazin abseits°. Als auch Reichel endlich getroffen hatte, geriet der damals 23 Jahre alte Benny Kessel nicht in Panik. Drei Spieltag vor dem Saisonendewurdeseine Geduld belohnt: Im Heimspiel gegen die Reserve des VfB Stuttgart traf der schlacksige Abwehrspieler am 30. April 2011 per Kopf zum zwischenzeitlichen1:1-Ausgleich.
"Auf den Schädel gefallen"
2019 lässt Kessel die Löwen-Fans nicht mehr ganz so lange warten, bis er den Ball erstmals wieder ins gegnerische Netz befördert. In seiner unnachahmlichen Art steigt der mittlerweile 31-Jährige in der 51.Spielminute höher als alle Rostocker Abwehrspieler. „Ein Stück weit Glück brauchst du immer“, betont der gebürtige Bad Kreuznacher nach dem Spiel und lobt viel lieberden Vorlagengeber: „Der Ball war sensationell gespielt von Leo Putaro. Ich hab gar nicht richtig hingeguckt, bin einfach nur hingegangen und der Ball ist mir auf den Schädel gefallen.“
Und dannwar er halt drin. „Da war die Freude natürlich besonders groß“, so Kessel nach seiner gelungenen Premierefürdie Löwen nachgut dreieinhalb Jahren. Die Kritik der Rostocker, Innenverteidiger Oliver Hüsing sei vom Schiedsrichter nach einer Behandlung nicht rechtzeitig zurück aufs Spielfeld gelassen worden, nimmt Benny Kessel gelassen zur Kenntnis: „Er hat sowieso mehr zentral gestanden und nicht am kurzen Pfosten. Von daher ist klar, dass er (Oliver Hüsing - Anm.d.Verf.) das jetzt erzählt. Ich glaube auch nicht, dass er das Tor verhindert hätte.“, grinst Kessel.
„Seitdem ich zurück bin haben wird viel geredet. Aber es ist einfach Fakt, dass hier gute Charaktäre nach Braunschweig gekommen sind– unabhängig vom Sportlichen. Vom Menschlichen sind wir eine Einheit. Das ist uns relativ gut gelungen. Dazu brauchst du jedes Training und jedes Spiel. Ich glaube, da sind wir insgesamt gut aufgestellt. Auch in der Kabine. Da ist nicht die typische Stimmung wie bei einem Tabellenletzten, sondern es ist schon ehrgeizig, aber auch mit dem Wissen, dass wir eine Einheit sind. Durch eine deratige Situation kannst du nur als Einheit gehen. Da ist kein Platz für Individualisten. Wir müssen als Mannschaft da durch gehen.“ Benjamin Kessel

"Grätschen konnte ich schon immer!" Kessel gegen Nürnbergs Adam Hlousek bei seiner Erstliga-Premiere am 15. September 2013. Foto:
"Nicht ganz so elegant, aber effektiv!"
Er habe Braunschweig vermisst. „Ich fand es beeindruckend heute!“, entfährt es dem Rechtsverteidiger nach dem Spiel. „Vom Warmmachen weg hat es sich so angefühlt wie damals, als ich weg bin.“ Das sei alles sehr emotional für ihn. „Manchmal musste ich mich kneifen“, verrät der "Boiler", der im Sommer 2015 nach unglaublich erfolgreichen fünf Jahren und 95 Ligaspielen (8 Tore) ablösefrei zuden Eisernen nach Berlin wechselte. Die Wege des Fußball sind zuweilen unergründlich. Über die Stationen Kaiserslautern und Saarbrücken fand Benjamin Kessel in diesem Winter zurück an die Hamburger Straße.
Hier haben die Fans den Rückkehrer sofort wieder ins Herz geschlossen. Nicht nur wegen seines eminent wichtigen Treffers gegen die Hansa-Kogge. „Ich brauch das vielleicht auch ein bisschen für mein Spiel: Dass die Leute einen pushen! Die wissen ja noch, wie ich Fußball spiele. Das sieht jetzt vielleicht nicht so filigran aus, aber grätschen konnte ich schon immer!“
Das sei genauso wie bei seinem guten Freund Marc Pfitzner: „Wenn du nicht so schnell bist, muss ab und zu die Grätsche gut getimt sein.“ Einst, indem oben schon einmal angesprochenenInterview, wurde er gefragt, ob er oder Weltmeister Philipp Lahm die besseren Grätschen auf den Rasen brächte. Die Antwort des Bayern-Sympathisanten war ebenso ehrlich wie entwaffnend: „Ich glaub, bei mir sieht das nicht ganz so elegant aus, ist aber trotzdem effektiv!“

Sommer 2011: Gerade in die 2. Bundesliga aufgestiegen. Kessel im Test gegen Arminia Vechelde. Foto: Frank Vollmer/Archiv
"Die Kirche im Dorf lassen!"
Die nüchtern, sympathische Art des Rheinland-Pfälzers, sie ist auch Benny Kessel zu Eigen: „Wir sind immer noch Tabellenletzter! Wir sollten die Kirche jetzt im Dorf lassen. Das ist noch ein langer Weg“, betont er gebetsmühlenartig. Zum Auftakt 2019 sei überhaupt erst einmal das Wichtigste gewesen, in Braunschweig eine gewisse Euphorie entfacht zu haben. „Ich glaube das ist uns gut gelungen!“, freut sich Kessel, bevor es wieder an die harte Arbeit geht.
„Heute war ein erster Schritt und ich glaube, wir sind insgesamt auf einem guten Weg. Wenn wir so weiter arbeiten und als Team zusammenstehen, können wir hier auch einiges schaffen!“ So wie Ende April 2011, als die Eintracht nach dem ersten Kessel-Tor sogar noch mit 2:1gewann und an diesem schönen Tag mit den Fans die Meisterschaft der 3. Ligafeiern konnte.

Nur eineder zahlreichen BraunschweigerSternstunden des Benjamin Kessel (2.v.r.): Der Aufstieg mit den Löwen in die Bundesliga. Foto: Agentur Hübner/Archiv
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