Wolfenbüttel. Mit seiner Facebook-Seite "aktivundfit" hat der selbsternannte "Bürgermeister-Kandidat" Oliver Diels sich in den letzten Monaten eine kleine Fangemeinde aufgebaut. Unter dem Hashtag #bürgermeister2021 und #51% streamt er auf seinem Kanal regelmäßig live über Themen aus und über Wolfenbüttel. Sein erklärtes Ziel: Bei der nächsten Kommunalwahl 2021 Bürgermeister zu werden. Doch die Verbreitung seiner Videos über Facebook wurde ihm jetzt zum Verhängnis.
von Julia Seidel und Werner Heise
In einem seiner Live-Videos rief der gebürtige Hamburger im Rathaus an, um nach dem Termin für die nächste Ratssitzung zu fragen. Dieser wollte er demnächst beiwohnen. Zu Diels Unzufriedenheit habe er weder in der Telefonzentrale, noch im Büro des Bürgermeisters sofort eine Antwort auf seine Frage erhalten - bekam jedoch kurze Zeit später einen Rückruf mit der gewünschten Information. Die Telefonate mit den Mitarbeitern der Stadt Wolfenbüttel hat Diels allerdings ohne deren Einwilligung live ins Internet übertragen. Daraufhin hat die Stadtverwaltung bei der Staatsanwaltschaft Braunschweig eine Strafanzeige wegen Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes gegen ihn gestellt. Dies bestätigen die Staatsanwaltschaft Braunschweig sowie die Stadt Wolfenbüttel auf Nachfrage unserer Redaktion. "Herr Diels hat nach hiesiger Ansicht eine Straftat begangen und das können wir, auch im Interesse der betroffenen Mitarbeiter, nicht ignorieren", erklärt Stadtsprecher Thorsten Raedlein.
"Die Stadt guckt meine Videos"
"Ich wusste gar nicht, dass ich was getan habe, bis ich Post bekommen habe", berichtet Diels in einem seiner Videos. In dem Brief wurde er vorgeladen, um eine Aussage zur Sache bei der Polizei abzugeben. Zu dem Termin erschienen ist er nicht, lässt sich in der Angelegenheit durch einen Anwalt vertreten. Das Video selbst habe er nach eigenen Angaben bereits wieder von seinem Kanal entfernt. Bei einer Sache ist sich der 54-Jährige aber sicher: "Die verfolgen im Rathaus meinen Internetauftritt. Meine Videos sind sehr lang und das Telefonat war irgendwo in der Mitte. Sie müssen also das gesamte Video angeguckt haben."
Verwundern dürfte dies nicht, müssen die Stadtverwaltung, der Bürgermeister und die Ratsfraktionen in Diels Videos doch regelmäßig scharfe Kritik über sich ergehen lassen. Und auch, wenn er sich dabei immer mal wieder sprachlicher Kraftausdrücke sowie Verschwörungstheorien bedient, betont Diels das nicht immer so zu meinen. Es solle niemand beleidigt werden, stattdessen wolle er die Leute unterhalten. Bei mehreren hundert, manchmal sogar tausenden Videoabrufen scheint sein Plan aufzugehen. Die Strafanzeige der Stadt betrachtet er, als Versuch ihm einen Dämpfer zu verpassen, ihn zu bremsen.
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Tief gefallen und wieder aufgestanden
Wer die Videos von Oliver Diels sieht oder aber auch persönlich mit ihm spricht, muss schon sehr genau aufpassen. Der Wahl-Wolfenbütteler springt in seinen Erzählungen hin und her, dass es nicht immer leicht fällt seinen Worten und Gedanken zu folgen. Schon als Kind sei er immer nervös gewesen, das Medikament Ritalin hätte auf der Tagesordnung gestanden, erzählt er im Gespräch mit regionalHeute.de. Doch er sei seinen Weg gegangen, käme aus ursprünglich reichem Elternhaus. Während seine Mutter die Gastronomie im bekannten Ohnsorg-Theater betreibt, wird er Hotelkaufmann, arbeitet in Sternegastronomien in Hamburg und der Schweiz, so Diels. Und er erzählt von seinem schweren Absturz: mehrere lebensgefährliche Unfälle, ein betrügerischer Halbbruder und ein Selbstmordversuch. Doch Diels kämpft sich mit Selbstdisziplin und seiner großen Klappe, wie er selbst sagt, zurück ins Leben.
Heute wohnt Oliver Diels in Groß Denkte, liebt jedoch die Stadt Wolfenbüttel und will später hierher auch zurückkehren. In Wolfenbüttel habe er sein Leben gewandelt, sei ein neuer Mensch geworden. Unterkriegen lassen will er sich nicht. Bei der nächsten Ratssitzung will Oliver Diels dabei sein und auch die Einwohnerfragestunde nutzen. Denn obwohl er es mit der Bürgermeisterkandidatur 2021 nach eigenem Bekenntnis ernst meint, hat er bislang weder einen politische Ausschuss, noch eine Ratssitzung besucht. Seine Erklärung: "Ich bin ein Quereinsteiger. Ich wollte mich erstmal vorbereiten, bevor ich irgendwo hingehe. Jetzt habe ich einen Crash-Kurs gemacht und werde demnächst den Sitzungen beiwohnen."
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