Region. Es ist eine stille Epidemie. Nach Experten der Asklepios-Kliniken Seesen gibt es in Deutschland zirka 250.000 Schlaganfälle im Jahr. Im Braunschweiger Land sind das etwa 781 Fälle pro Jahr. Um über die Prävention von Schlaganfällen aufzuklären hat die Weltschlaganfall Organisation (WSO) im Jahr 2006 den Weltschlaganfalltag ins Leben gerufen, der am heutigen Donnerstag zum 14. Mal stattfindet. Doch was ist zu tun, wenn sich ein Schlaganfall ankündigt und wie erkennt man ihn? Dr. Ulrike Cretan, Chefärztin der Rettungsstelle der Asklepios Harzkliniken in Goslar klärt auf.
Vorab ein paar Zahlen: Mehr als 80 Prozent der von Schlaganfällen Betroffenen sind älter als 60 Jahre. Bei jedem zehnten Schlaganfall ist der Patient aber auch unter 50 Jahre alt. Der Schlaganfall steht bei den Todesursachen an dritter Stelle und ist die häufigste Ursache für eine Langzeitbehinderung. Allein 1.500 Schlaganfälle werden im Jahr bei der Stroke-Unit der Asklepios-Akutklinik Seesen behandelt. Fünf bis zehn Prozent der Patienten stammen aus der Region Braunschweig.
Der wichtigste Faktor nach einem Schlaganfall sei die Zeit. "Time is Brain", fasst Cretan zusammen und erklärt: "Patienten sollten schnellstmöglich von Spezialisten versorgt werden. Jeder Zeitverlust bedeutet eine erhöhte Gefahr der irreversiblen Behinderung und gegebenenfalls ein höheres Risiko an dem Schlaganfall zu versterben."
Was passiert bei einem Schlaganfall?
Wie Dr. Cretan und weitere Experten der Asklepios-Kliniken definieren, ist ein Schlaganfall ein "plötzliches, schlagartiges Auftreten von neurologischen Ausfällen mit anhaltender Störung der Gehirnfunktion". Je nachdem wie stark und wie lange das Gehirnareal beeinträchtigt ist, kann der betroffene Gehirnteil seine Aufgabe entweder vorläufig oder dauerhaft nicht mehr erfüllen."
Hinter dem Wort Schlaganfall verbergen sich eigentlich zwei unterschiedliche Erkrankungen beziehungsweise Hauptursachen: "Zum einen der sogenannte 'blutige Schlaganfall', also die Gehirnblutung, zum anderen der 'unblutige Schlaganfall', bekannt als sogenannter Hirninfarkt", erläutern die Fachärzte. Der Hirninfarkt sei dabei die häufigere Form (über 80 Prozent der Fälle), bei dem Blutgefäße „verstopft“ sind, entweder durch ein verschlepptes Blutgerinnsel (Embolus) oder aufgrund einer Gefäßverkalkung (Arteriosklerose).
Das Risiko einen Schlaganfall zu erleiden steigt mit dem Lebensalter. Hinzu kämen aber noch weitere Dinge wie Rauchen, Bluthochdruck und Fettstoffwechselstörungen, mangelnde Bewegung, Übergewicht und schlechte Ernährung. Die Experten heben weiterhin hervor, dass auch eine Kombination aus Hormonpräparaten (wie die Anti-Baby-Pille), Bewegungsarmut und Rauchen einen großen Risikofaktor darstelle.
Einen Schlaganfall erkennen
Die Zeit tickt ab dem Auftreten eines Blutgerinnsels oder einer Hirnblutung und den damit verbundenen Konsequenzen. Damit müssen sich nicht nur die Ärztinnen und Ärzte auseinandersetzen, sondern auch Angehörige des möglichen Opfers. Mit dem FAST-Test steht ihnen dabei ein wirkungsvolles und leicht zu merkendes Instrument zur Verfügung, mit dem sich Indizien für einen möglichen Schlaganfall sammeln lassen. Die häufigsten Zeichen sind akut aufgetretene Lähmungserscheinungen, Gefühlsstörungen wie Kribbeln und Taubheitsgefühle, Sehstörungen, Kopfschmerzen, Sprachstörungen, Schwindel, Benommenheit und selten: plötzliche Bewusstlosigkeit.
Die FAST-Methode
Die Symptome lassen sich durch den sogenannten FAST Test schnell erfassen: Blick ins Gesicht des Betroffenen, ihn auffordern, die Arme zu heben und ihn sprechen zu lassen. Dieser Schnelltest kommt aus dem Englischen und F steht für Face und meint ein asymmetrisches Gesicht durch hängenden Mundwinkel. Das A steht für Arm, der Betroffene kann seine Arme nicht mehr richtig heben und das S steht für Speech, denn die Sprachfähigkeit kann eingeschränkt sein und der Betroffene kann Wörter nur undeutlich oder ohne Sinn hervorbringen. Das T leitet sich von Time also "Zeit" ab und bedeutet sofort den Rettungsdienst mit 112 anzufordern. Es erfolgt die Notfalleinweisung auf die Stroke Unit, eine spezielle Schlaganfalleinheit, die sich im Landkreis Goslar in den Asklepios-Kliniken Seesen befindet.
Im Rettungswagen hat der Notarzt ebenfalls Entscheidungen anhand dieser FAST-Kriterien zu treffen. Wenn eine Stroke-Unit innerhalb von 45 Minuten erreicht werden kann, entscheidet er sich anhand seiner Beobachtungen dafür. "Jeder akute Schlaganfall sollte auf einer Stroke-Unit überwacht und behandelt werden", erläutert Dr. Cretan dazu. Eine spezialisierte Betreuung auf der Stroke Unit und in einem spezialisierten Neurovaskulären-Zentrum mit Neurologie, Neuroradiologie und Neurochirurgie erhöhe die Wahrscheinlichkeit den Schlaganfall zu überleben und ohne relevante Behinderung zu überstehen. Dort stehen von der Akuttherapie über die Rehabilitation alle Instrumente zur Verfügung.
Der Körper kann um vier Jahre "altern"
Wird ein Hirninfarkt innerhalb von etwa viereinhalb Stunden festgestellt, kann das mögliche Gerinnsel, das den Schlaganfall verursacht, mit Hilfe eines Medikaments aufgelöst werden. Das nennt man „Lyse-Therapie“. Durch das Medikament wird das Blut stark verdünnt. Zusätzlich können große Gerinnsel auch mithilfe eines Katheters entfernt werden. Dieser wird über die Leiste eingeführt und zieht das Gerinnsel heraus. Auch das müsse innerhalb der ersten Stunden geschehen. Es gelte deshalb immer: „Time ist Brain“. Im Klartext bedeutet das: Mit jeder Minute, die ohne Behandlung verstreicht, sterben dauerhaft Nervenzellen ab. Pro Minute sterben zirka 1,2 Millionen Nervenzellen ab und der Körper „altert“ um vier Wochen. Pro Stunde dagegen sterben zirka 120 Millionen Nervenzellen ab und der Körper „altert“ um vier Jahre.
Die Möglichkeit der neurologischen Frührehabilitation bei sehr schwer betroffenen Patienten und anschließende neurologische Rehabilitation erhöhe die Wahrscheinlichkeit den Schlaganfall zu überleben und die Behinderung möglichst klein zu halten, um die Unabhängigkeit im Alltag möglichst zu erhalten.
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