Tom Hillenbrand: Der Kaffeedieb

von Andreas Molau




In diesem historischen Roman spielen das Lieblingsgetränk der Deutschen und herrlich ein sympathischer Gauner die Hauptrolle. Der Kaffeedieb ist für bibliophile Kulinariker ein Muss.


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Mit manchen Autoren ist es eine sonderbare Sache. Sie sind echte Lebensbegleitungen. Aber naturgemäß einseitige. Man verfolgt die Arbeit dieser Leute und wartet sehnsüchtig auf einen neuen Titel. Da gibt es die Autoren, die bei einem Stil bleiben. Und jene, die wandlungsfähig sind und immer wieder überraschen. Beide haben ihre Berechtigung. Tom Hillenbrand gehört auf jeden Fall zu der zweiten Kategorie. Die kulinarischen Krimis mit dem sympathischen Koch Xavier Kieffer wurden hier schon gewürdigt. Nun hat sich der ehemalige Ressortleiter bei Spiegel online einem neuen Genre angenähert. Dem historischen Roman. Und das tut er mit der gleichen Leichtigkeit und Lebendigkeit, die seine anderen Romane auszeichnet. Diesen Obediah Chalon hat man, obwohl oder vielleicht, weil er ein Gauner ist, eigentlich gleich während der ersten Zeilen ins Herz geschlossen. Hillenbrand führt uns ins England des späten 17. Jahrhundert. Und Obediah, er sei hier gleich gedutzt, ist eine Mischung aus Privatgelehrter und Alchemist, Gauner und Kunstliebhaber, Literat und Schöngeist. Er ist, das sei hier nur am Rande vermerkt, privat in das Räderwerk konfessioneller Konflikte geraten, die den Kontinent über Jahrhunderte bestimmt hat. Katholiken standen gegen Reformer – ob sie nun Protestanten oder Calvinisten waren.

Der Kaffeedieb on tour

Der Titel des Buches Der Kaffeedieb zeigt gleich an, wohin die Reise geht und vor allem, worum es geht. Um den Kaffee. Der trat in dieser Zeit, in die uns der Autor entführt, seinen Siegeszug an. Dabei muss man noch kurz ein paar Worte zum Genre historischer Roman sagen. Im 19. Jahrhundert entstand er, galt dann lange Zeit als verpönt und ist nun wieder richtig auf Kurs und beliebt. Tatsache ist: Was auf den ersten Blick leicht erscheint, ist wirklich höllisch schwer. Denn der Romanautor muss, wenn er sich in eine Zeit hineinversetzt, mit dieser spielen. Muss hinzufügen, wenn er den Geist der Zeit verstanden hat, und muss vor allem aber genau um deren Umstände wissen. Von der Mode angefangen, über die Essgewohnheiten bis hin zu den großen historischen Linien. Und das macht Hillenbrand in meisterhafter Art und Weise. Man liest die Abenteuer unseres britischen Freundes und seiner internationalen Diebesbande, die er anheuert, um Kaffeepflanzen zu stehen, und merkt gar nicht, dass man ein richtiges Geschichtsbuch in der Hand hat.

Wunderdroge Kaffee


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Allein, wie der Autor die Zubereitungsweise und die Atmosphäre in den Kaffeehäusern beschreibt, ist lesenswert. Das Zeug muss im England dieser Tage grauselig geschmeckt haben. Der Kaffee wurde in Pfannen geröstet, vorgekocht und aus Fässern ausgeschenkt. Trotzdem ist er wegen seiner belebenden Wirkung beliebt und versetzt den Kontinent in einen wahrhaftigen Rausch. Die Niederländer, heute eher politisch am Rande, waren damals die große Handelsnation neben England. Kaufleute von dort heuern also Obediah (nicht ganz freiwillig) an, um die von den Türken gut bewachten Kaffeeplantagen, um ein paar Setzlinge zu erleichtern und damit einen eigenen Handel aufzubauen. Was folgt, ist eine Verfolgungsjagd durch ganz Europa und den vorderen Orient. Obediah heuert eine Bande von Desperados an, wird vom französischen Geheimdienst gejagt wird. Ja, und mehr darf man eigentlich nicht sagen. Alles andere wäre Verrat an einem grandiosen Buch, das historisch und kulinarisch eine rasante Geschichte erzählt, die man – Klischee hin, Klischee her – nicht aus der Hand legen mag. Immer in der Hoffnung, dass Tom Hillenbrand demnächst wieder die Muse küsst und wir vielleicht wieder etwas von Xavier, Obediah oder einem anderen Zeitgenossen hören, der der Fantasie dieses wunderbaren Autors und Wegbegleiters entspringt. Das Buch aus dem Verlag Kiepenheuer und Witsch ist gebunden, hat 470 Seiten und ist über den örtlichen Buchhandel zu beziehen. In Braunschweig etwa Pfankuch oder in Wolfenbüttel Behr.