Traditions-Gaststätte schließt: Wirtin verabschiedet sich für immer

Nach 67 Jahren ist Schluss: "Die Gaststätte bleibt nun für immer geschlossen." Wirtin Hannelore Schöpe über einen herben Schicksalsschlag.

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Wirtin Hannelore Schöpe spricht über das Ende ihrer traditionsreichen Gaststätte.
Wirtin Hannelore Schöpe spricht über das Ende ihrer traditionsreichen Gaststätte. | Foto: sz-pa/RK

Salzgitter. Die traditionsreiche Gaststätte "Zum Gambrinus" in der Gerhart-Hauptmann-Straße 1 in Salzgitter-Thiede hat für immer ihre Türen geschlossen. Wirtin Hannelore "Hanne" Schöpe teilte mit, dass sie den Betrieb nach 67 Jahren aufgeben muss. Ein schwerer Schicksalsschlag zwang die 80-Jährige zu dieser Entscheidung.


Auf einem Zettel am Eingang verabschiedet sich Hannelore Schöpe von ihren Gästen:
"Liebe Freunde des Gambrinus. Die Gaststätte bleibt ab dem 20. Dezember 2024 für immer geschlossen.
Meinen lieben Gästen sage ich ganz herzlichen Dank für die jahrelange Treue und Wünsche alles Gute für die Zukunft."

Am Eingang hängt ein Schild. Hannelore Schöpe verabschiedet sich von ihren Gästen.
Am Eingang hängt ein Schild. Hannelore Schöpe verabschiedet sich von ihren Gästen. Foto: sz-pa/RK



Eine Familientradition seit 1957


Schon Hannelore Schöpes Eltern waren Gastwirte. Sie betrieben von 1950 bis 1955 das "Waldschlösschen" in Thiede, bevor sie 1957 das "Gambrinus" errichteten. Der Name geht auf eine legendäre Figur der Bierkultur zurück: Gambrinus gilt als Patron der Brauer und wird oft als bärtiger Mann mit einem Bierkrug dargestellt.

Hanne und ihre ältere Schwester halfen schon als Kinder mit. Sie zapften Bier, servierten Gäste und standen in der Küche. Eigentlich hatte Hanne einen anderen Lebensweg geplant: Sie ging nach Mönchengladbach und lernte Hauswirtschaft in einem Krankenhaus. Doch als ihr Vater nach einem Treppensturz ausfiel, kehrte sie zurück und unterstützte ihre Mutter in der Gaststätte.

1970 übernahm sie das "Gambrinus" komplett, zusammen mit ihrem Mann. Seitdem war sie Herz und Seele der Kneipe. "Ich war eine geborene Gastwirtin", sagt sie heute.

Das Gambrinus war Jahrzehntelang ein wichtiger Treffpunkt in Salzgitter.
Das Gambrinus war Jahrzehntelang ein wichtiger Treffpunkt in Salzgitter. Foto: sz-pa/RK


Der verhängnisvolle Freitag, der 13.


Doch dann kam der 13. Oktober 2023. Nach Feierabend rutschte sie in der Küche aus und stürzte so schwer, dass sie sich das Kreuzbein brach und die Wirbelsäule verletzte. Sechs Operationen am Rücken folgten, dann erlitt sie ein Nierenversagen. "Wir dachten schon, jetzt haben wir sie das letzte Mal gesehen", berichtet ihre Tochter Tanja, die extra aus Stuttgart anreiste.

Monatelang konnte Hanne nicht arbeiten, ihre treuen Mitarbeiter führten die Gaststätte weiter. Doch letztlich war klar: Es geht nicht mehr. Am 20. Dezember 2024 fiel die letzte Runde.

Abschied mit Soljanka und Gulaschsuppe


Zum Abschied luden Hanne und ihr Team die Gäste noch einmal zu einem großen Fest ein. Es gab Freibier, Gulaschsuppe und Soljanka. "Es war traurig, aber schön. Ich habe mit so vielen alten Freunden gefeiert", erinnert sie sich.

Das "Gambrinus" war weit mehr als eine Kneipe. Es war ein Treffpunkt für Jung und Alt. Feuerwehrleute, Stammtische, alte Schulfreunde – sie alle kamen hier zusammen. "Wir waren keine Gäste, wir waren eine große Familie", sagt Hanne. "Ich wusste schon, was jemand trinken wollte, bevor er es gesagt hat."

Besonders beliebt waren ihre Spezialitäten: Currywurst, frisch gegrilltes Hähnchen und natürlich das frisch gezapfte Wolters Bier. Dazu ein Marillenschnaps, der Hausschnaps des "Gambrinus".

Keine Nachfolge in Sicht


Tochter Tanja kann das Erbe nicht übernehmen. Sie hat in Stuttgart ein eigenes Weingeschäft. Ein Nachfolger für das "Gambrinus" ist bislang nicht gefunden. "Vielleicht kommt noch jemand und sagt, ich mach's weiter", hofft Hanne. Doch sie weiß auch: "Heute ist es schwer, eine Gastwirtschaft zu führen."

Nun soll das Gebäude verkauft werden. Inventar, Theke und Küche stehen noch, alles ist bereit für einen Neustart. Doch ob sich ein neuer Wirt findet, bleibt ungewiss.

Hanne fühlt sich auch im Altenheim wohl. Doch blickt sie gerne auf die Zeit im Gambrinus zurück.
Hanne fühlt sich auch im Altenheim wohl. Doch blickt sie gerne auf die Zeit im Gambrinus zurück. Foto: sz-pa/RK


Ein Leben für die Gaststätte


Seit April 2024 lebt Hanne in einem Altenheim. Dort fühlt sie sich wohl, bekommt fast täglich Besuch von alten Freunden und Stammgästen. "Ich habe tolle Gäste gehabt, das sage ich von Herzen", betont sie. Und sie hatte immer ein offenes Ohr für ihre Besucher.

Trotz aller Traurigkeit bleibt die Erinnerung an eine besondere Zeit. "Ich bin morgens aufgestanden und habe Kartoffeln für die Bratkartoffeln geschält. Ich habe gekocht, bedient, das Büro gemacht. Es war harte Arbeit, aber es hat mir Spaß gemacht."

Zum Abschluss wurden die Sammelboxen ausgezählt, die in ihrer Gaststätte standen – 1.600 Euro kamen zusammen, die sie an ein Hospiz spendete.

Die Kneipe mag geschlossen sein, doch die Erinnerungen bleiben. Und so wird auch der Geist des "Gambrinus" in Salzgitter-Thiede weiterleben.